Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KARIN
(getauft am 10.11.2016)
Zwischen kalter Luft über der Polregion und warmer
Luft in den Subtropen verläuft die sogenannte Polarfront. Sie verläuft nicht
geradlinig um die Erde, sondern tendiert dazu Wellen auszubilden. Dabei werden
Wellentäler angefüllt mit kalter Luft als Tröge und Wellenberge als Keile
bezeichnet. Die Wellendynamik an der Polarfront führt am Boden zur Entstehung
von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Am 10. November 2016 zog ein kurzwelliger Trog
über Neufundland und löste auf seiner Vorderseite eine Zyklogenese, also eine
Tiefdruckentwicklung, aus. Da sich das neue Tief weiter verstärken sollte,
wurde der Wirbel in Prognose für den folgenden Tag auf den Namen KARIN getauft.
Bis 01 Uhr MEZ des 11. Novembers war die Zyklone KARIN
bereits fast 2000 km weiter in Richtung Nordosten gezogen. Grund für diese
schnelle Verlagerung war der sogenannte Jetstream, eine Starkwindregion, welche
in der oberen Troposphäre, also zwischen 5 und 10 km Höhe, auftritt. Diese Windströmungen
entstehen aufgrund des starken Temperaturgegensatzes an der Polarfront und
beeinflussen auch die Bewegungen der Druckzentren am Boden. In der
Bodenwetterkarte wurde das Tief KARIN mit einem Kerndruck von 980 hPa etwa 300
km südwestlich von Island analysiert. Der Wirbel KARIN hatte sich damit im
Vergleich zum Vortag um 20 hPa intensiviert und dabei Sturmstärke erreicht. In
Island registrierten die Wetterstationen verbreitet Windböen von über 100 km/h.
Besonders an der Westküste, wo der Wind ungehindert vom Atlantik beschleunigen
konnte, wurde teilweise sogar Wind in Orkanstärke gemessen, wie in Skalafell
bei Reykjavik mit 130 km/h gegen 09 Uhr MEZ. Gleichzeitig wurde ein
weiträumiges Frontensystem analysiert. Vom Zentrum des Tiefs KARIN verlief eine
Warmfront in einem leichten Bogen nach Südosten über den Nordatlantik und
endete ungefähr 2500 km weiter vor der portugiesischen Küste. Darauf folgte
eine Kaltfront vom Kern in einem weiten Bogen nach Süden und dann nach
Südwesten, wo sie etwa 700 km südöstlich von Neufundland in die Warmfront
eines nachfolgenden Tiefs überging. Als dritte Front der Zyklone KARIN wurde
eine Okklusion, also eine Front mit Warm- und Kaltfrontcharakter, in der
Bodenwetterkarte analysiert. Diese zog sich vom Zentrum nach Südwesten und
endete bereits nach etwa 800 km über dem Nordatlantik. Der Wirbel KARIN war an
diesem Tag Teil eines Tiefdruckkomplexes mit zwei Kernen. Das zweite Tief lag,
ebenfalls mit 980 hPa Druck im Zentrum, über der Südostküste Grönlands und
steuerte eine Warmfront nach Südosten vor der Warmfront des Tiefs KARIN und
eine Kaltfront nach Südwesten hinter der Okklusion. Im Tagesverlauf okkludierte
das Frontensystem und zog bis über Island und Irland. Zunächst überquerte die
Kernzone des Tiefs KARIN mit seiner Front Island. Da im Tiefzentrum die Hebung
der Luft besonders stark ist, fielen hier große Mengen Niederschlag. An der
Westküste Islands, wie zum Beispiel in Reykjavik, wurde mäßiger bis starker
Regen registriert und in 6 Stunden zwischen 7 und 13 Uhr MEZ verzeichnete die
Station in Hellisskard 39,9 l/m². Bis zum Abendtermin
um 19 Uhr MEZ erhöhte sich die Niederschlagmenge sogar auf 60,4 l/m². Über
Irland war die Front deutlich weniger intensiv, sorgte jedoch zwölfstündig bis
19 Uhr MEZ immerhin für 10 l/m² in Belmullet und 5 l/m²
am Flughafen von Cork.
Um 01 Uhr MEZ des 12. Novembers lag das Tiefdruckgebiet
KARIN nun als einzelnes Zentrum direkt über Island. Der Kerndruck hatte sich
weiter auf ungefähr 975 hPa verstärkt. Die Windböen in Island waren dennoch
schwächer als am Vortag, da diese nicht direkt, ungehindert vom Atlantik kamen.
Verbreitet wurde dennoch Sturmstärke, das entspricht Stufe 9 bis 10 auf der Beaufort-Skala,
erreicht. Das Frontensystem zog sich als einzelne Okklusion vom Kern nach
Südosten nach Nordirland, wo sie sich in eine Warmfront und eine Kaltfront
auftrennte. Die Warmfront verlief von dort über die Biskaya bis Portugal und
die Kaltfront in einem Bogen nach Südwesten und dann nach Westen über den
Nordatlantik. Da sich die Fronten an diesem Tag kaum mehr nach Osten
verlagerten, waren hauptsächlich nur Norwegen, Großbritannien, Westfrankreich
und Nordspanien betroffen. Dabei fiel meist leichter Regen oder Sprühregen. In
Nordwestspanien, wo die Niederschlagsprozesse durch die Ausbildung eines
kleinen Wellentiefs unterstützt wurden, registrierten die Stationen bis zu 14 l/m²
in einer Stunde, wie in Vilagarcia De Arousa, was nach Definition starkem Regen entspricht.
Ansonsten kamen ähnliche Niederschlagsmengen nur über den ganzen Tag verteilt zwischen
07 und 19 Uhr MEZ zusammen. Im französischen Deauville
beispielsweise waren es 11 l/m² im gleichen Zeitraum, in London 9 l/m² und im
norwegischen Eik Hove 6 l/m².
Bis zum 13. November verlagerte sich das Tiefdruckgebiet
KARIN etwa 500 km nordwärts bis über die grönländische Ostküste. Dabei
schwächte sich der Wirbel KARIN auf 985 hPa ab. Auch das mittlerweile
vollständig okkludierte Frontensystem über dem Nordmeer und der Nordsee befand
sich in Auflösung und wurde im Tagesverlauf immer weniger wetterwirksam.
Zwischen 01 und 02 Uhr MEZ fiel noch leichter Regen, wie in Utsira
Fyr mit 2 l/m² oder Rotterdam mit 0,4 l/m². In
der Stunde nach 11 Uhr MEZ beispielsweise registrierte die Station am Flugplatz
Borkum noch 0,3 l/m². Doch am Nachmittag und Abend bekamen kaum noch Stationen
an der Nordseeküste, also im Bereich der Okklusion, messbaren Niederschlag. So
löste sich das Tief KARIN mit seinen Fronten bis zum Folgetag auf und
verschwand von der Berliner Wetterkarte.
Geschrieben am 03.12.2016 von Jannick
Fischer
Berliner Wetterkarte: 12.11.2016
Pate: Karin Tueschen