Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet KARIN

(getauft am 15.06.2016)

 

In der Nacht zum 15.06.2016 entstand im Bodenniveau über dem westlichen Mittelmeer entlang einer wellenförmig deformierten Front des über Großbritannien liegenden Tiefs INES ein neuer Tiefdruckwirbel, der anhand der Analysekarte von 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, auf den Namen KARIN getauft wurde. Vom Kern dieses Tiefdruckwirbels, der zum Zeitpunkt der Analyse mit einem Druck von unter 1005 hPa mittig zwischen Ostspanien und Mallorca lag, erstreckten sich je eine Kaltfront nach Nordosten, welche über den Westalpen in die Okklusionsfront des Tiefs INES überging, sowie nach Westen über Südspanien und die Azoren. Durch Hebungsprozesse entwickelte sich im Laufe der zweiten Tageshälfte über Südfrankreich ein ausgeprägtes Regengebiet mit lokal teils sehr ergiebigen Niederschlagsmengen. So wurden innerhalb von 12 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages in Lyon 24 mm, in Montelimar 41,6 mm und in St. Geoirs bei Grenoble 47,7 mm Niederschlag registriert. An der Messstation in Courbessac bei Nîmes fielen in nur einer Stunde 30,0 mm.

Bis 00 Uhr UTC des 16.06. war der Wirbel KARIN langsam nach Nordosten gezogen und lag mit einem nahezu konstant gebliebenem Kerndruck von knapp 1005 hPa südlich von Marseille. Von seinem Zentrum erstreckten sich sowohl eine Warmfront in östlicher Richtung über Grenoble bis nach Bologna und zum anderen eine Kaltfront in südwestlicher Richtung über Ibiza bis nach Marokko. Das Regenband hatte sich rasch intensivieren können und weitete sich im Tagesverlauf von Südfrankreich über die Alpen hinweg bis nach Deutschland aus. In 24 Stunden wurden bis 06 Uhr UTC am Folgetag aus Konstanz 27,7 mm, aus dem französischen Embrun 32,8 mm und in Oberstdorf 39,1 mm Regen gemeldet. Im Bereich der Alpen, vor allem aber in der Schweiz, fielen aufgrund von erzwungenen Hebungsvorgängen sowie Staueffekten im Anstrom der Berge die Regenmengen mitunter erheblich höher aus. So brachten starke Schauer und Gewitter binnen 24 Stunden in Lugano Niederschlagsmengen von 94,7 mm, in San Bernardino von 101,7 mm und an der Station Locarno-Monti bis zu 116,2 mm. Im westlichen Österreich fielen in Feldkirch 68,0 mm, bei Dellach im Drautal 70,0 mm und in Kötschach-Mauthen 84,0 mm. Hier erreichte der überwiegend süd- bis südwestliche Wind an besonders exponierten Lagen, wie beispielsweise auf dem Sonnblick oder an der Rudolfshütte, mit Böen von 126,1 km/h beziehungsweise 133,3 km/h Orkanstärke. An der Ostflanke des Tiefs KARIN wurden im durch Kalt- und Warmfront aufgespannten Warmluftsektor zugleich tropische Luftmassen allmählich nach Norden geführt, wodurch in Palermo Tageshöchstwerte von 41,3°C, und in Gibilmana 42,2°C erreicht wurden.

Bis zum 17.06. hatte Tief KARIN zwei eigenständige Zentren ausbilden können. Der erste, südlichere Kern befand sich um 00 Uhr UTC mit einem Druck von etwa 1005 unweit von Genua. Der zweite, nördlichere Kern mit einem Druck von unter 1000 hPa lag nordöstlich von Prag. Vom ersten Kern erstreckte sich eine kurze Okklusionsfront bis zum Okklusionspunkt bei Trient. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront verstanden, die sich aus dem Zusammenschluss von Kalt- und Warmfront bildet und somit Eigenschaften beider Systeme in sich vereint. Der Ort, an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen und eine solche Okklusionsfront bilden, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. Von diesem Okklusionspunkt reichte die Warmfront nach Nordosten, ehe sie über den Alpen in die Kaltfront des zweiten Kerns bei Prag überging, während die der Warmfront nachfolgende Kaltfront von Trient über Mittelitalien nach Süden reichte und sich über Sizilien mit dem Frontensystem eines bei Tunesien liegenden, unbenannten Wirbels verband. Vom Kern bei Prag reichte eine weitere Warmfront in einem Bogen über Warschau nach Osten. Mit der Verlagerung des Tiefdrucksystems KARIN nach Nordosten wurden tropische Luftmassen über die Balkanhalbinsel bis in die Ukraine geführt und erreichten ebenso den Westen der Türkei, wodurch die Temperaturen verbreitet auf über 35°C stiegen. Im serbischen Kraljevo wurden Tagesmaxima von 36°C, im griechischen Larissa von 38°C und an der albanischen Station bei Tirana von 39°C gemessen. Im Westen der Türkei stieg die Temperatur in Izmir auf 36,1°C, in Antalya auf 39,7°C und in Dalaman sowie in Denizli auf bis zu jeweils 40,2°C. In der Ukraine erreichten die Tagesmaxima zumeist Werte zwischen 30°C und 32°C. Die aufgleitende Warmluft an der Westflanke des Wirbels führte über Deutschland und Polen zur Ausbildung weiterer, teils sehr ergiebiger Schauer und Gewitter, wobei der Schwerpunkt der Niederschläge im Westen Polens lag. Bis 06 Uhr UTC am 18.06. fielen innerhalb von 24 Stunden auf der Maria Alm in Österreich 19 mm, an der Station in Lindenberg 27,4 mm und in Bremerhaven 31,2 mm. Im polnischen Resko wurden im gleichen Zeitraum 45,5 mm, in Oksywie 47,1 mm und in Kołobrzeg 69,7 mm Regen registriert. Über Polen gestaltete sich die Witterung zudem stürmisch. In Kielce erreichte beispielsweise der westsüdwestliche Wind mit Böen von bis zu 97,3 km/h zwischen 10 und 12 Uhr UTC die Stärke 10 auf der Beaufortskala, also schweren Sturm. Am Kasprowy Wierch wurden Böen von bis zu 154,9 km/h und somit Orkanstärke registriert.

Mit wieder nur noch einem Kern verlagerte sich das Zentrum des Tiefdruckwirbels KARIN zum 18.06. rasch nach Norden und befand sich gegen 00 Uhr UTC westlich von Lettland über der Ostsee, wobei es auf seinem Weg noch einmal an Stärke gewinnen konnte. Vom Zentrum, in welchem der Druck auf unter 990 hPa gefallen war, zog sich eine Okklusionsfront in einem Bogen über Helsinki und St. Petersburg in Richtung Süden nach Welikije Luki, nördlich von Smolensk, wo sie ihren Okklusionspunkt hatte. Von dort erstreckte sich eine Warmfront weiter nach Süden in Richtung des Schwarzen Meeres und eine Kaltfront über Kiew, Bukarest und Sizilien bis nach Tunesien. Der Zustrom extrem warmer tropischer Luftmassen nach Norden hielt an der Ostflanke des Wirbels weiter an und reichte über die Balkanhalbinsel hinweg bis in die Ukraine. Jedoch wurde dort deren Auswirkung durch die nahende Kaltfront abgeschwächt. Im ukrainischen Uman betrug der Tageshöchstwert 29,5°C, im rumänischem Roșiorii de Vede 37,1°C und bei Petrovec 38,0°C. In einigen Regionen der Türkei und vereinzelt auch in Griechenland steigen die Temperaturen auf über 40°C. In Tripolis und Antalya wurden Tageshöchstwerte von 40,3°C beziehungsweise von 40,9°C erreicht, in Marmaris stiegen die Temperaturen auf 41, 5°C und in Denizil auf 42,9°C. Die von Westen heranströmenden kühleren Luftmassen ließen beim Auftreffen auf die tropischen Luftmassen entlang der Frontlinie über Rumänien, Moldawien und der Westukraine lokal zwar begrenzte, jedoch mitunter sehr ergiebige Schauer und Gewitter entstehen. In Uman fielen binnen 12 Stunden Regenmengen von 30 mm, im rumänischen Iași von 33,5 mm und im moldawischen Bravicea von bis zu 73,0 mm. Das Hauptniederschlagsfeld, welches sich um das Zentrum des Wirbels konzentrierte, hatte sich in der Nacht von Polen über das Baltikum verlagert und zog im Tagesverlauf mit dem Wirbel in Richtung Finnland. Bis 06 Uhr UTC des Folgetages wurden innerhalb von 24 Stunden im finnischen Kayhava 29,5 mm, im norwegischen Nyrud 32,8 mm und im estnischen Nigula 34,0 mm gemessen.

Am 19.06. befand sich das Zentrum des Tiefs KARIN um 00 Uhr UTC mit einem auf 995 hPa gestiegenen Druck über Westfinnland. Vom Kern erstreckte sich die Okklusionsfront über Murmansk bis nach Archangelsk, wo sie sich an ihrem Okklusionspunkt in eine Warm- und eine Kaltfront teilte. Die Warmfront zog sich von Archangelsk östlich an Perm vorbei nach Südosten, die der Warmfront nachfolgende Kaltfront erstreckte sich über Minsk, Kiew und Sofia in südwestlicher Richtung bis nach Tripolis. Der Zustrom tropischer Luftmassen nach Norden hielt trotz einsetzender Abschwächung des Wirbels weiter an. So wurden in Bukarest 30,1°C, im ukrainischen Chornomors'Ke 33°C und in Tripolis 38°C gemessen, während zur gleichen Zeit in Teilen der Westtürkei erneut Maxima von 40°C überschritten wurden, wie in Izmir mit 41,1°C, in Denizli mit 44,3°C oder in Akhisar mit 44,0°C. Entlang der weit gestreckten Kaltfront kam es beim Zusammentreffen der unterschiedlichen Luftmassen über Südwestrussland zur Ausbildung weiterer Schauer und Gewitter. Liwny meldete eine 24-stündige Niederschlagssumme von 17 mm, Micurinsk von 51,0 mm und in Wereschtschagino südwestlich von Perm von 61,0 mm. Das dem Tief zuzuordnende Hauptniederschlagsband zog unter zunehmender Abschwächung mit dem Zentrum des Wirbels über die Barentssee nach Nordosten ab, brachte zuvor jedoch noch innerhalb von 24 Stunden im finnischen Salla Naruska 15,2 mm und im russischen Teriberka 14,4 mm Regen mit sich.

Im Laufe des Tages schwächte sich der Tiefdruckwirbel KARIN zunehmend ab, sodass dieser am 20.06. nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte als eigenständiger Wirbel analysiert und namentlich verzeichnet werden konnte.

 

 

Geschrieben am 06.08.2016 von Christian Ulmer

Berliner Wetterkarte: 17.06.2016

Pate: Karin Wiederer