Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
KARI
(getauft
am 30.01.2018)
In den Vormittagsstunden des
29.01.2018 entwickelte sich an den Fronten eines Tiefdrucksystems über der
Labradorsee vor der Südspitze Grönlands ein eigenständiges Tiefdruckgebiet.
Dieses bildete eine Warm- und Kaltfront aus, welche jedoch schon wenige Stunden
später zu okkludieren begannen, sich also eine Okklusionsfront ausbildete. In
der Meteorologie bezeichnet eine Okklusion oder Okklusionsfront eine Mischfront
aus Kalt- und Warmfront die entsteht, wenn die nachfolgende und schneller
ziehende Kaltfront die vorhergehende Warmfront einholt. Der Punkt, an dem Kalt-
und Warmfront zusammenlaufen, heißt Okklusionspunkt.
Bis zum Morgen des 30.01. war das
Tief ostwärts in Richtung Island gezogen und wurde von den Meteorologen der
Berliner Wetterkarte auf den Namen KARI getauft. Die gebildete Okklusionsfront
reichte vom Zentrum des Tiefs KARI, in dem ein Luftdruck von knapp unter 995
hPa gemessen wurde, bis südlich von Island und spaltete sich dort in eine nach
Schottland verlaufende Warm- und eine kurze Kaltfront auf. Dort, an der
Südküste Islands und dem Nordwesten Großbritanniens, sorgte das Tief KARI für
einsetzende Regenfälle. In den nachfolgenden Stunden des 30.01. zog das Zentrum
des Tiefdruckgebiets südlich an Island vorbei, womit sich die Regenfälle
entlang der Fronten auf das gesamte Gebiet Schottlands, den Norden Englands
sowie den Südwesten Norwegens ausbreiteten. Zudem verstärkten sich in den
Nachmittags- und Abendstunden die Luftdruckgegensätze zwischen dem Tief KARI
und dem sogenannten Azorenhoch, wodurch sich in einem Bereich südlich des
Tiefdruckkerns ein Starkwindfeld mit Sturmböen ausbilden konnte. Am späten
Abend erreichten erste, stärkere Sturmböen den Norden Großbritanniens und Irlands,
wie beispielsweise an der irischen Militärstation Finner,
wo Geschwindigkeiten bis 82,9 km/h gemessen wurden.
Bis 00 UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, des 31.01.
war das Zentrum des Tiefs KARI bis auf Höhe der Färöer-Inseln weitergezogen,
wobei der Luftdruck auf ca. 983 hPa gefallen war. Die Okklusionsfront verlief
nur ein kurzes Stück entlang des Kerns. Die Warmfront reichte bis in den Süden
Schwedens, die nun stärker ausgeprägte Kaltfront über Großbritannien bis auf
den Atlantik. Entlang der Kaltfront traten intensive Regenschauer und
vereinzelte Gewitter auf. Auch im südlichen Stau des Skandinavischen Gebirges
regnete es kräftig. In der zweiten Nachthälfte ging der Regen im
skandinavischen und schottischen Hochland sowie im Landesinneren Norwegens in
starken Schneefall über, was im norwegischen Sauda
dazu führte, dass bis zum Morgen 15 cm Neuschnee gefallen waren. Doch auch in
den übrigen Regionen, welche in den Einflussbereich der Fronten des Tiefs KARI
gelangt waren, konnten am Morgen bis 07 Uhr MEZ hohe 24-stündige
Niederschlagsmengen verzeichnet werden. So wurde von der Wetterstation am Ufer
des norwegischen Sees Liarvatnet eine Summe von 38,9
mm, in der weiter nördlich davon liegenden Ortschaft Nedre
Vats 40,1 mm gemessen. Doch auch in Großbritannien
konnten mit 38,6 mm am Loch Glascarnoch und 35,8 mm
in Aultbea hohe Summen erfasst werden. In den
weiteren Stunden des Morgens und Vormittages erreichten die
Niederschlagsgebiete entlang der Fronten des Tiefs KARI von Westen herkommend
auch die Beneluxstaaten, den Norden Frankreichs und Deutschland. In der kalten,
auf der Rückseite des Wirbels KARI einströmenden maritimen Polarluft schneite
es dann auch zeitweise bis in tiefe Lagen des irischen Flachlands. Zudem traten
weiterhin Sturmböen über dem Süden Englands sowie an der belgischen und
niederländischen Küste auf. In der walisischen Ortschaft Capel Curig wurden im Zusammenhang mit Schauern sogar
Windgeschwindigkeiten bis 107,5 km/h gemessen, was orkanartigen Sturmböen
entspricht. Sonst wurden verbreitet Böen zwischen 60 bis 80 km/h registriert.
Bis zum Mittag waren die Fronten des Tiefs KARI weiter nach Osten gezogen,
weshalb sich die Hauptniederschlagsgebiete auf den gesamten Süden
Skandinaviens, Nord- und Westdeutschland und Nordfrankreich ausbreiten konnten.
Doch auch rückseitig der Kaltfront entwickelten sich weiterhin starke Regen-,
Schnee- und Graupelschauer über Großbritannien und Irland. Zudem traten in den deutschen
Mittelgebirgen am Nachmittag und Abend mit dem Überqueren der Kaltfront auch
Sturmböen, auf dem Brocken sogar Orkanböen auf. Der Niederschlag fiel hier
oberhalb von 600 m auch als Schneeregen und Schnee. Im Westen und Norden
Deutschlands entwickelten sich auch einige Gewitter, an der
schleswig-holsteinischen Station Glücksburg-Meierwik wurde sogar ein Schneegewitter beobachtet.
Zu Tagesbeginn des 01.02.2018 befand sich das
Zentrum des Tiefs KARI über der Nordsee, wobei der Kerndruck noch weiter auf
unter 975 hPa gesunken war. Die Okklusion reichte vom Kern des Wirbels erst
westwärts bis vor die schottische Küste und verlief dann im Uhrzeigersinn um
das Zentrum über das Skandinavische Gebirge bis südlich von Stockholm. Am
Okklusionspunkt teilte sich diese in eine nach Süden verlaufende Warmfront und
die nach Südwesten, sich quer über den europäischen Kontinent erstreckende und
bis zu den Azoren reichende Kaltfront. Mit dem weiteren Voranschreiten der
Niederschlagsgebiete in kältere Luftmassen Nord- und Osteuropas kamen in diesen
Regionen auch starke Schneefälle auf, besonders vom Baltikum bis nach
Südfinnland und bis zu den mittleren Landesteilen Schwedens. In der zweiten
Nachthälfte ließ zwar die Schaueraktivität auf der Rückseite des Tiefs KARI
etwas nach, dafür erreichte die Kaltfront die Alpen, wo ebenfalls einige
Zentimeter Schnee in den Winterskigebieten fielen. Um 07 Uhr MEZ des 01.02.
waren im Umfeld des Tiefdruckgebiets KARI wieder sehr hohe, 24-stündige Niederschlagsmengen
gemeldet worden, die höchsten davon am nordwestlichen Alpenrand wie in Besançon
mit 34,3 mm und im Süden Skandinaviens mit 27,6 mm im norwegischen Melsom. Auf dem Brocken wurden 21,3 mm Niederschlag
gemessen, in Neuhaus am Rennweg 24,4 mm. Am Vormittag verlagerte sich das
Frontensystem des Tiefs KARI weiter nach Osten, die tiefsten Luftdruckwerte
wurden zu diesem Zeitpunkt an der Südspitze Norwegens gemessen. Zudem bildete
sich über der Ostsee ein zweites Tiefdruckzentrum aus. Dieses zweite Tiefdruckzentrum
wurde nachfolgend Tief KARI II genannt, das weiter westlich liegende trug den
Namen Tief KARI I. Die Hauptniederschlagsgebiete erreichten nun auch den Westen
Russlands, wo es kräftig schneite, wie auch am nördlichen Alpenrand. Über dem
Süden Frankreichs und dem Norden Spaniens sorgte der Tiefdruckkomplex KARI
hingegen für starke Regenfälle. Bis zum Abend hatte sich das Tiefdrucksystem
KARI etwas abgeschwächt, dafür schneite es aber auch bis in tiefere Lagen des
norddeutschen Tieflands und in einigen Regionen Dänemarks. Im Umfeld der Ostsee
entwickelten sich sehr kräftige Schneeschauer, an der Nordküste Frankreichs
traten auch wiederholt Hagelschauer auf.
Um 01 Uhr MEZ
des 02.02. wurde der Kern KARI I über dem nördlichen Dänemark lokalisiert, hier
wurde ein wieder angestiegener Luftdruck von etwa 991 hPa gemessen. Der Kern
KARI II befand sich über der Ostsee zwischen Stockholm und Helsinki, wo ein
Druck von knapp 996 hPa gemessen wurde. Die Kaltfront verlief über weite Teile
Osteuropas, die vorhergehende Warmfront vom Süden der Ukraine bis südlich von
Sankt Petersburg. Die Okklusion reichte von dort bis zum Zentrum KARI II.
Aufgrund der auf der Rückseite des Systems KARI über den europäischen Kontinent
strömenden maritimen Polarluft sanken bei Aufklaren über der Mitte Deutschlands
die Temperaturen in der zweiten Nachthälfte auch in den Minusbereich. In den
Morgenstunden schneite es über weiten Teilen des nordwestlichen Russlands bis
nach Moskau, dem mittleren und südlichen Landesteilen Schwedens und Finnlands
und auch in den Südalpen Norditaliens und Österreichs. Ein weiteres, kräftiges
Niederschlagsgebiet entwickelte sich zudem über der Nordsee und zog nach Süden
über die Beneluxstaaten und Westdeutschland hinweg, jedoch trat hierbei kein
Schnee auf. Die Niederschlagssummen, welche am Morgen des 02.02. gemessen
wurden, waren jedoch größtenteils deutlich niedriger als noch tags zuvor. Die
höchsten Summen traten in Österreich durch das Zusammenspiel des Tiefs KARI und
des Mittelmeertiefs LOTTI auf. Hier wurden auf der Villacher
Alpe 41,0 mm und im Alpinzentrum Rudolfshütte 37,0 mm
Niederschlag innerhalb von 24 Stunden gemessen, was für 20 bzw. 50 cm Neuschnee
gesorgt hatte. Im niederländischen Enschede wurden 11,6 mm gemessen, auf
Helgoland
14,6 mm. Die höchste Niederschlagsumme Finnlands trat mit 17,0 mm in der Stadt Lohja an der Ostseeküste auf, wodurch die Schneedecke dort
auf 26 cm angewachsen war, in der Hauptstadt Helsinki waren sogar 25 cm
Neuschnee gefallen. In den darauffolgenden Stunden schwächte sich der
Tiefdruckkomplex KARI merklich ab, wodurch auch die Intensität der Regen- und
Schneefälle nachließ. Das Zentrum KARI I zog entlang der Südküste Schwedens,
wobei sich hier wieder eine Okklusionsfront ausbilden konnte, der Kern KARI II
verlagerte sich über das Baltikum hinweg nach Russland. Am Abend konnten im
Zusammenhang mit dem Tief KARI nur noch zwei stärkere Niederschlagsgebiete
ausfindig gemacht werden, eines über dem südlichen Skandinavien und
Norddeutschland, das andere im Nordwesten Russlands zwischen Sankt Petersburg
und Moskau. Im ersteren trat der Niederschlag fast ausschließlich in Form von
Regen, im zweiten in Form von Schnee auf.
Zum
03.02.2018 bildete sich am Okklusionspunkt, welcher nahe Sankt Petersburg lag
ein weiteres kleines Tief namens KARI III. KARI I hingegen löste sich auf.
KARI II verlagerte sich indes bis zur südlichen
Ostsee, wobei jedoch der Luftdruck auf ca. 1002 hPa gestiegen war. Die
Okklusion verlief um das Zentrum im südlichen Ostseeumfeld und bis in den
Norden Polens. Das Zentrum KARI III befand sich nahe des Rybinsker
Stausees in Russland, auch hier war der Druck wieder angestiegen und betrug
knapp 1003 hPa. Der zweite Tiefdruckwirbel war nahezu vollständig okkludiert,
neben der Okklusionsfront reichte lediglich die Warmfront nach Süden bis zum
Kaukasus. Im Einflussbereich des Tiefs KARI II waren im schwedischen Malmö
beispielsweise bis 07 Uhr MEZ 9,7 mm Niederschlag gefallen. Das Tief KARI III
hatte für 12,0 mm Niederschlag im russischen Weliki
Nowgorod gesorgt und für 13,0 mm in der Kleinstadt Dno,
was zu 13 bzw. 17 cm Neuschnee geführt hatte.
Am 02.02. schlug der Kern KARI III eine
nordöstlichere Zugbahn ein in Richtung Weißes Meer
ein. Der Kern KARI II gelangte immer stärker in den Einflussbereich des Tiefs
LOTTI und veränderte seine Position daher kaum noch. Dieser Tiefdruckkern
schwächte sich daraufhin sehr schnell ab und es traten kaum noch nennenswerte
Niederschläge in seinem Umfeld auf. Mit dem Tief KARI III verlagerten sich
jedoch stärkere Schneefälle nordwärts.
Um 01 Uhr MEZ des 04.02.2018 wurden
die Tiefdruckkerne KARI II und KARI III letztmalig auf den Wetterkarten erwähnt.
KARI II befand sich zu diesem Zeitpunkt mit einem Druck von ca. 1006 hPa über
dem Norden Polens, KARI III mit einem Luftdruck von etwas über 1008 hPa war bis
östlich der russischen Hafenstadt Archangelsk gezogen. Das Frontensystem des
Tiefs KARI II hatte sich zudem bereits komplett aufgelöst, das Zentrum von
KARI III umgaben noch eine schwache Warm- und Kaltfront. In den ersten Stunden
des 04.02. löste sich das Tief KARI II rasch auf, der Wirbel KARI III hingegen
verlagerte sich zügig in Richtung des Urals. Dabei schneite es in seinem Umfeld
weiter. In der Ortschaft Pinega waren bis zum Morgen
8,0 mm Niederschlag gefallen, wodurch dort nun eine Gesamtschneedecke von 49 cm
gemessen werden konnte. Im weiteren Tagesverlauf zog das Zentrum von KARI III
über den Ural hinweg ins westliche Sibirien und damit aus dem Analysebereich
der Berliner Wetterkarte.
Insgesamt hatte das Tiefdruckgebiet
KARI über 6 Tage lang das Wettergeschehen in weiten Teilen Europas wesentlich
mitbestimmt und dabei von den britischen Inseln über Mitteleuropa und
Südskandinavien bis nach Russland für starke Regen- und auch Schneefälle
gesorgt. Zudem hatte es sich zwischenzeitlich zu einem kräftigen Sturmtief
entwickeln können, welches besonders im Bergland und an den Küsten hohe
Windgeschwindigkeiten gebracht hatte.
Pate: Christine Laux