Lebensgeschichte


Tiefdruckgebiet KARL
(getauft am 08.06.2017)

 

Im Laufe des 06. Juni bildete sich ein neues Tief vor der kanadischen Ostküste. Es entstand aufgrund dynamischer Prozesse auf der Vorderseite eines Kaltlufthöhentroges, also eines Vorstoßes kalter Luft nach Süden in einer Höhe von 5 km, welcher sich über die Labrador-Halbinsel bis zu den Großen Seen erstreckte. Die Zyklone wurde am Tagesende mit Zentrum knapp 500 km südlich vor Neuschottland über dem Westatlantik mit einem Kerndruck von wenig unter 1000 hPa analysiert.

Getragen von einer kräftigen westlichen Höhenströmung über dem nördlichen Atlantik verlagerte sich der Wirbel in den folgenden Stunden und Tagen unter rascher Vertiefung weiter ostwärts und sollte bald schon Einfluss auf das Wetter in Europa nehmen. Daher wurde das bis dato noch namenlose Tief am Morgen des 08. Juni auf den Namen KARL getauft.

Keine 24 Stunden später, am 09.06. um 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, lag das Tiefdruckzentrum über dem mittleren Nordatlantik, in etwa auf gleicher geographischer Breite wie Paris oder München und auf einer geographischen Länge mit dem Osten Grönlands. Der Luftdruck im Kern war mittlerweile auf etwas unter 975 hPa gesunken. Mit ihm verbundenen waren ganz klassisch eine Warmfront, die zu diesem Zeitpunkt südwärts bis über das Seegebiet der Azoren reichte, sowie eine Kaltfront, die sich südwest- bis westwärts bis zum Rande der Saragossasee erstreckte.

Noch am selben Tage überquerten die Ausläufer mit mäßigen Regenschauern die Azoren, wo 12-stündige Niederschlagsmengen von z.B. 12 l/m² auf Flores oder 10 l/m² auf Terceira gemessen wurden. Sie erreichten in den Nachmittagsstunden von Südwesten her die Britischen Inseln und in der Nacht zum 10. Juni setzte teils mäßiger Regen ein. Bis zum darauf folgenden Morgen um 06 Uhr UTC regnete es vor allem zwischen Irland, Wales und Nordengland um die 10 l/m², entlang der Irischen Westküste teils auch über 20 l/m². Gleichzeitig lag das Zentrum der Zyklone KARL noch etwa 1000 km westlich von Irland mit einem Kerndruck von wenig unter 980 hPa.

An den folgenden 2 Tagen zog Tief KARL langsam weiter nordostwärts in Richtung Schottland und Nordmeer. Dabei überquerten die Ausläufer am 10.06. mit weiterem, gebietsweise kräftigem Regen die Britischen Inseln, erreichten in der folgenden Nacht schon Südskandinavien und tags darauf auch Frankreich und die Benelux-Staaten.

Während dabei über Teilen der Britischen Inseln am Tage noch Regensummen von 5 bis 10 l/m² in 12 Stunden beobachtet wurden, wie z.B. in Blackpool mit 13 l/m², ließen die Niederschläge nachts mit Mengen von 4 l/m² in Bergen oder 2 l/m² in Belfast vorübergehend nach, um sich am Folgetag wieder leicht zu intensivieren, wodurch in Inverbervie 6 l/m² und in Fossmark 14 l/m² erreicht wurden. Weiter südlich zog die Kaltfront nur noch in abgeschwächter Form über Nordfrankreich und die Benelux-Staaten hinweg über das nördliche Deutschland, wobei am 11.06. nur in Niedersachsen mit 2 bis 3 l/m² wirklich zählbare Mengen vom Himmel fielen. So konnten am Flughafen in Bremen 2,0 l/m² registriert werden.

Einhergehend mit den Niederschlägen erfasste am 10. und 11.06. auch das Hauptwindfeld des Tiefs mit starken-stürmischen Böen die Britischen Inseln. An exponierten Stellen, besonders an den Küsten, wurden vereinzelt Sturmböen registriert, so wie am 10.06. im westirischen Bellmut mit 87 km/h oder am 11.06. auf der nordwalisischen Insel Anglesey mit 85 km/h.

Unterdessen kam es in der Nacht zum 12.06. zu einer Weiterentwicklung der Zyklone KARL. Stärkerer Luftdruckfall über Skandinavien sorgte für die Entstehung eines neuen Zentrums über Mittelschweden, während sich der Kern nördlich von Schottland allmählich auffüllte. Hierdurch kam es zu einer deutlichen Belebung der Niederschlagsaktivität im Bereich des Tiefdrucksystems. Nachts lag der Niederschlagsschwerpunkt über Dänemark, Südschweden und Nordostdeutschland, breitete sich aber am 12.06. rasch über den gesamten Ostseeraum bis nach Polen und ins Baltikum aus. So regnete es etwa nachts im dänischen Arhus 14 l/m² und in Greifswald 5 l/m². Den Höchstwert verzeichnete mit 27 l/m² die Station im schwedischen Hagshult. Tagsüber fielen beispielsweise in Helsinki 17 l/m², im polnischen Olsztyn 12 l/m² und im schwedischen Uppsala 13 l/m². Gleichzeitig frischte im gesamten Ostseeraum der Wind auf, stürmische Böen oder gar Sturmböen wurden jedoch kaum registriert. Weiter südlich über Mitteleuropa blieb der Einfluss des Tiefs gering und die südostwärts vordringende Kaltfront war kaum mehr wetteraktiv. Einzig über dem Alpenraum bildeten sich örtlich Gewitterzellen, die z.B. bis zu 22 l/m² in Klagenfurt, 10 l/m² in Graz oder 12 l/m² im bayrischen Kaufbeuren brachten.

Bemerkenswerter war hingegen der Temperatursturz, der durch die postfrontal einströmende maritime Kaltluft verursacht wurde. Die Höchstwerte bewegten sich dabei zwischen Nordfrankreich, den Niederlanden, Nord- und Westdeutschland beinahe bei 10 Grad unter den Maxima des Vortages. Beispielsweise erwärmte sich die Luft in Paris nur noch auf 21°C, nach 30°C tags zuvor.

Am Morgen des 13. Juni konnte Tief KARL mit Zentrum über Südfinnland und mit einem Luftdruck von knapp unter 990 hPa analysiert werden. Ausläufer des Systems spannten sich vom Zentrum ausgehend zum einen als Kaltfront in einem weiten Bogen über Weißrussland und die Ukraine, entlang der Karpaten bis zu den Alpen, zum anderen in Form einer Warmfront in östlicher Richtung über Nordwestrussland bis zum Ural.

Mit dem weiter ostwärts ziehenden Tiefdrucksystem gelangte nun auch Russland mehr und mehr in den Einfluss von Tief KARL. Dies bedeutete am 13.06. weiteren Regen und Regenschauer, schwerpunktmäßig über Finnland, dem Baltikum, Weißrussland bis nach West- und Zentralrussland. Zwischen 06 und 18 Uhr UTC meldete die Station im weißrussischen Wizebsk 16 l/m², in Weliki Nowgorod waren es 6 l/m², in Moskau 8 l/m² und in Wologda sogar 23 l/m². Anders verhielt es sich über West- und Mitteleuropa. Dort setzte sich zunehmend Hochdruckeinfluss durch, auch wenn es mit Temperaturen von allgemein um oder unter 20°C zwischen Deutschland, Polen und dem Baltikum recht kühl blieb für Mitte Juni.

In den Folgestunden verlagerte sich Tief KARL ohne nennenswerte Druckänderung nach Zentralrussland, wo es am 14. und 15.06. quasistationär mit Zentrum nördlich des Moskauer Raums verblieb. Traten nachts noch die kräftigsten Niederschläge entlang der Zugbahn zwischen Leningrad-Moskau-Archangelsk auf, wie z.B. in Jaroslawl mit 19 l/m², gab es am 14. Juni vor allem im Bereich der Warmfront in einem Streifen vom Moskauer Raum bis zur Komi-Rebublik im Nordwesten Russlands stärkere, teils auch gewittrige Regenschauer. In einem Messintervall zwischen 03 und 15 Uhr UTC fielen dabei etwa in Wologda 23 l/m², in Tscherepowez 16 l/m² und in Belozersk am Weißen See gar 35 l/m².

Auch südlich des wetteraktiven Frontensystems regnete bzw. schauerte es leicht, allerdings lagen die Intensitäten eher im Bereich von einigen bis wenigen Litern pro Quadratmeter in 12 Stunden, z.B. in Twer bei 5 l/m², in Smolensk bei 7 l/m² oder in Welikije Luki bei 2 l/m². Jedoch hatte die Zyklone KARL zu diesem Zeitpunkt bereits den Höhepunkt ihrer Entwicklung überschritten und schwächte sich im weiteren Verlauf ab. Leichter Regen oder Regenschauer führten etwa am 15. Juni über West- und Zentralrussland nur noch zu geringen Niederschlagsmengen, beispielsweise in Nischni Nowgorod zu 2 l/m² und in Moskau zu 3 l/m².

In den Frühstunden des 16. Juni befand sich das Zentrum schließlich im Bereich der mittleren Wolga, mit einem niedrigsten Druck von nur noch wenig unter 1005 hPa. Hier verblieb das Tief KARL auch an den Folgetagen, brachte dabei über dem Wolgaraum bis zum Uralgebirge noch einige weitere Schauer, ehe es sich am 18. Juni endgültig auflöste.

 

 

Geschrieben am 30.08.2017 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 12.06.2017

Pate: Karl Sonnenberg