Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet KARL

(getauft am 10.04.2011)

 

Im Scheitelpunkt eines großräumigen Kaltlufttroges mit Zentrum über Neuschottland bildete sich am 09.04. ein neues Tiefdruckgebiet etwa 2000 km westlich von der Inselgruppe der Azoren. Dieser Entstehungsbereich und die anschließende nordöstliche Zugrichtung, wodurch Warmluft auf der Ostseite weit nach Norden transportiert werden kann, ist häufig für die Entwicklung kräftiger Tiefs verantwortlich. Der Kerndruck von anfangs 1005 hPa sank rasch weiter und erreichte bis Mitternacht 990 hPa. Das Zentrum hatte sich inzwischen Island von Südwesten her bis auf 1000 km genähert und dabei eine kleine Warmfront sowie eine sehr langgezogene, vom Zentrum über die Azoren und weitere 1500 km südwestlich auf den Atlantik hinaus erstreckende Kaltfront ausgebildet.

Am 10.04. wurde die Zyklone vom diensthabenden Meteorologen an der Freien Universität Berlin auf den Namen KARL getauft. An diesem Tag konnte sich Tief KARL noch weiter verstärken. Der Kerndruck sank dabei auf den tiefsten Wert von knapp unter 970 hPa. Auf Island fielen beim Durchzug der Fronten zahlreiche Schnee- und Graupelschauer. Die Wetterstation der Hauptstadt Reykjavik meldete fast 24 Stunden lang Cumulonimben, die typischen Gewitterwolken. Ein Gewitter wurde dort aber nur innerhalb einer Stunde beobachtet. 6 l/m² Niederschlag wurden in diesem Zeitraum gemessen. Die Station Angmagssalik, die an der Südostküste Grönlands liegt, meldete mit 7 l/m² eine ähnliche Menge, allerdings kam diese durch Dauerschneefälle im Bereich der westlich vom Tiefzentrum verlaufenden Okklusionsfront, einer Mischfront, die Warm- und Kaltlufteigenschaften verbindet, zusammen.

Im Laufe des 11.04. verteilte sich die Höhenströmung von West nach Ost wie bei einem Flussdelta, d.h. die Intensität verteilte sich auf eine größere Fläche und nahm daher ab, was auch zu einer Abschwächung beim Bodentief KARL führte. Gleichzeitig spaltete sich das Tief in zwei Teile auf. Teiltief KARL I wurde mit einem Kerndruck von etwa 990 hPa nördlich von Island analysiert, während sich Teiltief KARL II bis nach Südskandinavien verlagerte. Dabei überquerte die Kaltfront vom Kern KARL II von Nordwest nach Südost zuerst die Britischen Inseln und danach Mitteleuropa. Die höchsten Niederschlagsmengen meldeten die Stationen Trondheim und Bergen aus Norwegen, bei denen durch Stauniederschläge an den Bergen je 13 l/m² gemessen wurden. Auch in der Nordwesthälfte Deutschlands fiel in der Nacht zum 12.04. der erste Regen durch Teiltief KARL II mit bis zu 6 l/m² entlang der Nordseeküste. Bis zum Mittag überquerte die Kaltfront ganz Deutschland. Auf der Rückseite bildeten sich Regen- und auch Graupelschauer. Die Höchsttemperaturen stiegen zwar auf 8 bis 12°C, dennoch sank mit der eingeflossenen Kaltluft die Schneefallgrenze auf unter 1000 Meter, wodurch von den Gipfeln der Mittelgebirge wieder Schneehöhen mit 1 bis 4 cm gemeldet wurden. Österreichische und kroatische Stationen gehörten mit bis zu 17 l/m² zu den niederschlagsreichsten Stationen im Einflussbereich von Teilzyklone KARL II. Nur die norwegische Hauptstadt Oslo registrierte mit 28 l/m² innerhalb von 24 Stunden eine höhere Menge.

Am 13.04. spaltete sich südöstlich neben dem Kern KARL II, dessen Zentrum über der Ostsee lag, ein weiteres Teiltief mit dem Namen KARL III ab. Der Kerndruck lag bei beiden um 1004 hPa. Währenddessen verlagerte sich das Zentrum KARL I nach Spitzbergen und war durch eine langgestreckte Okklusionsfront über Skandinavien mit den beiden anderen Zentren verbunden.

Die von der Ostsee her nach Nordostdeutschland eingeflossene Kaltluft erzeugte ein Temperaturgefälle von Rügen mit einer Höchsttemperatur von nur 5,5°C bis zum Breisgau mit 15°C. Durch das Aufgleiten von warmer Luft auf die Kaltluft bildeten sich großflächige Regengebiete. Insbesondere über dem Erzgebirge fielen um 20 l/m², in Zinnwald-Georgenfeld sogar 38 l/m² innerhalb von 24 Stunden. Da die Schneefallgrenze zeitweise auf unter 600 Meter sank, lagen dort am Morgen des 14.04. 17 cm Schnee. Auf dem Fichtelberg wurde eine ähnliche Schneehöhe mit 16 cm gemessen.

Teiltief KARL I über Spitzbergen hatte sich währenddessen aufgelöst. Der Zusammenschluss der beiden anderen Kerne wurde am 14.04. wieder als Tief KARL geführt. Dessen Zentrum lag über Osteuropa, hatte aber nur noch einen Kerndruck von etwa 1006 hPa. Die Okklusionsfront war ebenfalls nur noch schwach ausgebildet. Die verbliebenen Niederschlagsgebiete durch die Aufgleitvorgänge brachten letztmalig nennenswerte Mengen über Polen und der Slowakei, die nur in Bratislava mit 13 l/m² etwas stärker ausfielen.

Bis zur Nacht löste sich die Zyklone KARL weitgehend auf und konnte damit auch nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.

 

 


Geschrieben am 18.05.2011 von Matthias Treinzen

Wetterkarte: 13.04.2011

Pate: Karl Lutz