Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KARSTEN
(getauft
am 21.03.2019)
Im
Laufe des 20.03.2019 entwickelte sich entlang einer sich wellenförmig
deformierenden Front eines über dem Nordmeer zwischen Island und Norwegen
liegenden Tiefdrucksystems ein neuer Tiefdruckwirbel, der anhand der
Analysekarte von 00 Uhr UTC – 1 Uhr MEZ – des 21.03. auf den Namen KARSTEN
getauft wurde. Zum Zeitpunkt der Analyse befand sich das Zentrum des Wirbels
KARSTEN, von dem sowohl eine Warm- als auch eine Kaltfront ausgingen, mit einem
Druck von etwas unter 1010 hPa über dem zentralen Nordatlantik. Vom Zentrum reichte
die Warmfront nach Nordosten, welche im Verlauf westlich vor Irland in die
Kaltfront des Tiefs aus dem es hervorging überging, und die zugehörige
Kaltfront vom Kern nach Südwesten. Hebungsprozesse im Kernbereich des Wirbels
sowie entlang seiner Fronten hatten die Entwicklung eines Niederschlagsbandes
zur Folge. Dieses verlagerte sich mit dem Wirbel zunehmend in Richtung Europa,
welcher jedoch aufgrund der blockierenden Wirkung des Hochs HANNELORE, das mit
einem Druck von über 1040 hPa über West- und Mitteleuropa lag, nach Nordosten
abgelenkt wurde.
Gegen
00 Uhr UTC des 22.03. hatte das Zentrum des sich zu einem Sturmtief
verstärkenden Wirbels KARSTEN das Seegebiet vor Island erreicht und befand sich
mit einem auf unter 965 hPa gefallenen Kerndruck südlich von Reykjavík, auf
einem Breitengrad mit Oslo. Vom Kern des Wirbels reichte eine Warmfront über
die Orkney-Inseln hinweg bis nach Schleswig-Holstein, wo sie sich mit dem
Frontensystem des mit seinem Zentrum nahe Spitzbergen liegenden Tiefs JERRY
verband. Die ihr nacheilende Kaltfront zog sich hingegen in südwestlicher
Richtung über den Atlantik und ging westlich der Azoren in die Warmfront eines
unbenannten Tiefs über. Das Sturmtief KARSTEN zog im Tagesverlauf weiter nach
Nordosten und überquerte den Osten Islands. Dabei waren bereits in der Nacht
zum 22.03. erste Niederschläge auf dessen Küsten getroffen, die sich im Laufe
des Tages auf die gesamte Insel ausweiteten. Die Niederschlagsmengen waren
regional sehr unterschiedlich ausgeprägt: Anhaltender leichter bis mäßiger, in
einigen Regionen auch starker Schneefall, der entlang der Küsten auch mit Regen
vermengt war, brachte binnen 24 Stunden bis 6 Uhr UTC des Folgetages in
Reykjavík 2,9 mm, bei Bolungavik 6,6 und in Raufarhöfn 18,0 mm mit sich. Am Leuchtturm
auf der Landzunge Dalatangi waren bis zu 20,3 mm gefallen. Während der Kern des
Sturmwirbels KARSTEN den Osten Islands überquerte, sank der Luftdruck an der
acht Meter über Meeresniveau liegenden Station in Raufarhöfn um 40 hPa in 24
Stunden und war bis 6 Uhr UTC auf 949,2 hPa gefallen. Seinen Tiefpunkt hatte
der Druck an jener Station jedoch erst 3 Stunden später. Bis 9 Uhr UTC sank er
auf 948,4 hPa um anschließend, in nur 6 Stunden wieder um 40 hPa anzusteigen.
Mit dem Tief verlagerte sich auch dessen Frontensystem im Tagesverlauf weiter nach
Nordosten, überquerte die Britischen Inseln und hatte in der zweiten
Tageshälfte die Küste Norwegens erreicht. Besonders ergiebig waren die
Niederschläge im Süden des Landes. Durch teils schauerartigen Regen fielen in
24 Stunden in Bergen, je nach Stadtlage, zwischen 13,3 mm und 20,3 mm, in
Fister 26,4 mm und in Takle bis zu 47,9 mm. Über Großbritannien zeigten sich
die Frontenausläufer mit Ausnahme von Schottland weniger niederschlagsreich.
Hier waren im selben Zeitraum auf der Isle of Man 2,2 mm, am irischen Mace Head
4,0 mm und im nordenglischen Shap 5,6 mm gefallen. Demgegenüber waren in
Aultbea 14,4 mm und am Loch Glascarnoch 14,8 mm registriert worden. Tief
KARSTEN verstärkte sich währenddessen zunehmend. In besonders exponierten Lagen
Schottlands, im Nordmeer sowie in einigen Regionen Norwegens erreichte das sich
nähernde Sturmtief bereits Orkanstärke. So registrierten die Anemometer sowohl
auf der Nordmeerinsel Jan Mayen als auch am Leuchtturm Kråkenes Spitzenböen von
knapp 144 km/h, auf dem schottischen Cairn Gorm 153,8 km/h und an der
Wetterstation Juvvasshoe bis zu 162,1 km/h. Deutschland befand sich hingegen
zunächst noch im Einflussbereich des Hochs HANNELORE, am Rande des zwischen Warm-
und Kaltfront aufgespannten Warmluftsektors des Tiefs KARSTEN. Im Vorfeld der
sich von Osten nähernden Kaltfront des Sturmtiefs stiegen bei einem zumeist
freundlichen Wechsel aus Sonne und Wolken die Temperaturen vielerorts auf über
16°C, lokal wurde sogar die 20°C-Marke überschritten. In der Innenstadt von
München wurde beispielsweise ein Tageshöchstwert von 16,3°C, in Erfurt 17,8°C,
in Bremen 18,1°C und in Düsseldorf 20,5°C gemessen. Dagegen stieg das Thermometer
im unter einer zähen Hochnebeldecke gelegenen Berlin und Ostbrandenburg nicht
über 12°C.
Der
sich zu einem Orkantief verstärkende Tiefdruckwirbel KARSTEN war in der
Zwischenzeit über Ostisland hinweggezogen und befand sich am 23.03. gegen 00
Uhr UTC mit einem auf unter 955 hPa gefallenen Kerndruck südlich von Jan Mayen.
Teile seiner Warmfront waren von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt
worden, sodass sich in jenem Bereich eine Okklusionsfront hat ausbilden können.
Diese beschrieb östlich des Kerns ausgehend einen Bogen um das Zentrum herum
nach Osten und weiter über Jan Mayen und Tromsø bis zu ihrem Okklusionspunkt,
der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, nahe des
Børgefjell-Nationalparks. Von dort reichte die Warmfront weiter über Stockholm
und Danzig bis Łódź, wo sie sich mit
dem Frontensystem eines anderen Tiefs mit Kern bei Wolgograd verband. Die
Kaltfront verlief über
Kristiansand und London nach Südwesten, ehe sie westlich der Bretagne in die Warmfront eines nahe
der Azoren liegenden Wirbels überging. Mit Annäherung des Orkantiefs KARSTEN
nahm der Wind über Norwegen rasch an Stärke zu. Die Mehrheit der Stationen des
Landes vermeldete Sturmböen der Stärken Beaufort 8 bis 9, im Bereich von
Mittelnorwegen auch häufig schwere Sturmböen der Stärke 10 und darüber. Volle
Orkanstärke erreichte der Wind beispielsweise auf der Insel Sula mit
Windgeschwindigkeiten von 122,5 km/h, am Leuchtturm von Kråkenes mit 140,5 km/h
oder auf dem Juvvasshoe mit 151,3 km/h. An der Station Sømna-Kvaløyfjellet
wurden gar Spitzenwindgeschwindigkeiten von bis zu 190,9 km/h gemessen. Die
Niederschläge weiteten sich auf weite Teile Skandinaviens aus, konzentrierten
sich jedoch mit ihren höheren Intensitäten im Wesentlichen auf den Kernbereich
des Wirbels sowie entlang dessen nach Finnland und Westrussland voranschreitender
Okklusionsfront. Auf ihrem Weg nach Osten gingen sie zudem unter einsetzender
Abschwächung zunehmend in Schneefall über. Dabei fielen binnen 24 Stunden auf
der Insel Andøya 13,7 mm, in Sortland 26,5 mm und an der Station am Wasserfall
Laksfors 45,4 mm. Im gleichen Zeitraum wurden im schwedischen Katterjåkk 12,9
mm und im finnischen Laitala 10,4 mm gemessen. Im Laufe des Tages hatte die
Kaltfront des Wirbels KARSTEN den Norden Deutschlands erreicht und überquerte
diesen mit teils dichten Wolkenfeldern, jedoch ohne nennenswerte Niederschläge.
Auf ihrer Rückseite wurden deutlich kühlere Luftmassen polaren Ursprungs herangeführt:
Während sich in Süd- und Ostdeutschland im Einflussbereich des sich in Richtung
Osteuropa verlagernden Hochs HANNELORE die erwärmten, subtropischen Luftmassen
zunächst noch halten konnten, wurde in Aachen-Orsbach ein Tageshöchstwert von
9,6°C, in Bremen 10,3°C und in Düsseldorf maximal 11,7°C gemessen. Demgegenüber
stiegen auf der Vorderseite der Kaltfront die Temperaturen in Erfurt auf
17,4°C, in München auf 18,7°C und in Cottbus auf bis zu 20,4°C. Das
Temperaturgefälle betrug auf engstem Raum zum Teil 10 Grad. So wurden um 12 Uhr
UTC in Berge im Havelland 8,7°C gemessen, während im knapp 65 km südöstlich
gelegenen Baruth zur selben Zeit 18,8°C erreicht wurden. Nach Durchgang der
Kaltfront sank auch hier die Temperatur deutlich. Konnte sie bis 13 Uhr UTC bei
viel Sonnenschein noch auf 20,3°C steigen, betrug sie um 15 Uhr UTC nur noch
13,9°C und fiel bis 18 Uhr UTC auf unter 10°C.
Das
Orkantief KARSTEN hatte in der Nacht zum 24.03 seinen Höhepunkt überschritten
und war unter Ausbildung eines zweiten Kerns bis 00 Uhr UTC in Richtung
Nordnorwegen gezogen. Der Kern des Teiltiefs KARSTEN I befand sich mit einem
Druck von unter 975 hPa unweit von Tromsø, der Kern Karsten II mit einem
Kerndruck von ebenfalls knapp 975 hPa südöstlich von Spitzbergen. Beide Zentren
verband eine Okklusionsfront miteinander. Vom zweiten Kern reichte diese
anschließend weiter über Murmansk, St. Petersburg und Minsk bis zu ihrem
Okklusionspunkt nahe Brest in Weißrussland. Vom Okklusionspunkt zog sich
anschließend eine nur noch geringfügig wetteraktive Warmfront in Richtung der
Slowakei und die Kaltfront über Prag, Stuttgart und Paris in westlicher
Richtung auf den Atlantik hinaus, über dem sie sich mit der Warmfront eines
Tiefdrucksystems bei Neufundland verband. Die hinter der Kaltfront einfließende
maritime Polarluft verdrängte weitestgehend die subtropischen Luftmassen und
beendete somit in den meisten Regionen des Landes den zuvor für die Jahreszeit
deutlich zu warmen Witterungsabschnitt. Lediglich in Teilen Baden-Württembergs und
Bayerns wurden noch Temperaturen jenseits der 15°C-Marke gemessen, in den
übrigen Landesteilen lagen die Tageshöchstwerte zumeist zwischen 8 und 12°C. So
konnte in Konstanz zwar noch ein Tageshöchstwert von 19,6°C gemessen werden, in
Cottbus hingegen stieg das Thermometer nur noch auf 12,5°C, in Bremen auf
10,9°C und in Erfurt auf maximal 7,9°C. Während für den Nordseeraum nachfolgend
das sich von Nordwesten nähernde Tief LOUIE wetterbestimmend wurde, blieb der
Einfluss des Sturmwirbels KARSTEN auf die Anrainer des Nordmeeres und der
Barentssee erhalten. Sein Zentrum verlagerte sich unter zunehmender
Abschwächung in Richtung Nowaja Semlja. Auf seiner Rückseite wurden dabei erneut
feuchte Luftmassen nach Nordnorwegen geführt, die in Hammerfest 24-stündig 6,6
mm, bei Tromsø bis zu 7,3 mm und auf Andøya 9,0 mm Niederschlag mit sich
führten. Zwar blieb der stürmische Witterungscharakter in weiten Regionen
erhalten, Orkanböen wurden jedoch keine mehr gemeldet. Zumeist erreichte der
Wind in Böen Stärke Beaufort 7 und 8, regional und in exponierten Lagen auch 9
und nur sehr vereinzelt auch darüber. Sturmböen der Stärke 9 wurden
beispielsweise im russischen Teriberka mit 75,6 km/h oder auf der norwegischen
Insel Kongsøya mit 82,9 km/h gemessen, schwere Sturmböen registrierten die Anemometer
noch auf dem Kistefjell mit 97,3 km/h. Entlang des nach Osten voranschreitenden
Frontensystems zogen die Niederschläge der Region an Intensität stetig
verlierend aus Nordwestrussland in Richtung des Uralgebirges ab. Größere
Niederschlagsmengen wurden dabei nur noch selten gemessen. Binnen 24 Stunden
fielen durch meist leichten Schneefall am Flughafen Warandej 4,0 mm, in Wendinga
und Umba je 3,0 mm und in Workuta 0,2 mm.
Beide
Teiltiefs des Wirbels KARSTEN hatten sich zum 25.03. über die Barentssee weiter
nach Nordosten verlagert. Mit einem auf etwa 985 hPa angestiegenen Druck befand
sich dessen erster Kern gegen 00 Uhr UTC östlich von Spitzbergen, sein zweiter
Kern lag mit einem Druck von knapp 980 hPa unweit des ersten Zentrums westlich der
Nordinsel Nowaja Semljas. Vom Zentrum bei Spitzbergen reichte eine nur noch geringfügig
wetteraktive Okklusionsfront in einem Bogen über die Barentssee und die Kola-Halbinsel
bis über den Finnischen Meerbusen. Östlich Nowaja Semljas zog sich eine zweite,
ebenfalls nur noch schwach ausgeprägte Okklusionsfront westlich des Nordurals
über Workuta nach Südosten, die sich im weiteren Verlauf über Westrussland mit
dem Frontensystem eines Tiefs verband, das sich über Ungarn hatte ausbilden
können. Nennenswerte, dem Tief KARSTEN zuzuordnende Schneefälle wurden zuvor
kaum noch registriert. Von einem leicht böigen Wind begleitet fiel in Murmansk
und Teriberka trotz vereinzelter leichter Schneeschauer kein messbarer
Niederschlag, in Workuta konnten noch 0,6 mm registriert werden. An der
Westflanke des Wirbels wurden dagegen weiterhin feuchte Luftmassen an die Küste
Nordnorwegens geführt, die lokal teils recht ergiebige Niederschlagsmengen mit
sich brachten. So waren innerhalb von 24 Stunden auf Andøya 3,0 mm, in
Bardufoss 4,0 mm und bei Tromsø, je nach Stadtlage, bis zu 12,7 mm gefallen. In
Deutschland waren die für Ende März ungewöhnlich warmen Luftmassen nunmehr
vollständig durch die hinter der Kaltfront einströmende polare Meeresluft
verdrängt worden, welche in der vergangenen Nacht nun auch den Alpenraum
erreicht hatte. Die 10°C-Marke wurde nur noch in geschützten Lagen entlang des
Rheingrabens sowie vereinzelt am Bodensee überschritten. So wurde in Coburg ein
Tageshöchstwert von 7,6°C, in Berlin-Dahlem 7,9°C und in München sowie Köln
jeweils 9,8°C gemessen. Etwas wärmer war es dagegen noch in Konstanz mit 11,3
oder in Lahr im Schwarzwald mit 12,1°C. Auf das Tief KARSTEN folgten im Laufe
des 25.03. die mitunter regenreichen Ausläufer des sich über Südskandinavien
Richtung Schwarzes Meer verlagernden Tiefs LOUIE.
Ohne
analysierbares Frontensystem lag das Zentrum des sich in Auflösung befindlichen
Tiefs KARSTEN am 26.03. weiter über der Barentssee, mittig zwischen Nowaja
Semlja und Spitzbergen. Sein Kerndruck war bis 00 Uhr UTC auf etwa 995 hPa
gestiegen. In den darauffolgenden Stunden schwächte sich das einstige Orkantief
zunehmend ab. Tief KARSTEN wurde anschließend in die Zirkulation des sich
entlang des Uralgebirges nach Norden verlagernden, ursprünglich aus Richtung
Kasachstan aufziehenden Wirbel aufgenommen, sodass der Tiefdruckwirbel KARSTEN
am 27.03. nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte als eigenständiges
Druckgebilde analysiert und somit auch nicht mehr auf jener namentlich
verzeichnet werden konnte.