Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KASPER
(getauft am 23.01.2021)
Zu
Beginn der dritten Januardekade 2021 befand sich ein großräumiges Gebiet tiefen
Luftdrucks, in dessen Zentrum das Tiefdruckgebiet GORAN lag, über Nordeuropa.
Um dieses herum bildeten sich immer wieder neue Tiefdruckgebiete; auf der
Bodenwetterkarte von 00 UTC (also 01 Uhr MEZ) des 22.01. waren die Randtiefs
HAKIM II über den Niederlanden sowie IREK über der Bucht von Biskaya zu
erkennen. Im Laufe dieses Tages bildeten sich zwei weitere Wellen in den
Isobaren, den Linien gleichen Luftdrucks auf Bodenniveau, westlich der Britischen
Inseln. Diese beiden Tiefdruckgebiete erhielten im Rahmen der Aktion Wetterpate
von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte ebenfalls Namen, und zwar JUSSUF
und KASPER. Tief JUSSUF tauften die Meteorologen bereits am 22.01. in der
Prognose für den 23.01., während Tief KASPER erst in der Analyse am 23.01.
direkt getauft wurde.
Diese
Lebensgeschichte beschäftigt sich mit eben jenem Tiefdruckgebiet, welches um 00
UTC am 23.01. rund 1000 km westlich von Nordirland lag, in dessen Zentrum der
Luftdruck knapp 1000 hPa betrug und welches auf der Bodenwetterkarte mit dem
Namen KASPER betitelt wurde. Im Tagesverlauf näherte sich der mit dem Tief
KASPER assoziierte Niederschlag der grünen Insel Irland; bis 19 Uhr MEZ fielen
an den Küstenstationen Mace Head, Valentia Island und
Sherkin Island 8 mm, 4 mm und 3 mm Regen durch
Schauer in 6 Stunden. Nachts zog die Front über das Landesinnere hinweg, wo zum
Teil auch Schneeschauer nieder gingen. Die maximale Niederschlagssumme über
Nacht wurde mit 10 mm an Johnstone Castle im Südosten der Insel gemessen. Auf
der anderen Seite der Irischen See kamen im walisischen Milford Haven 17 mm
zusammen.
Auf
der nächsten Bodenwetterkarte, für 00 UTC am 24.01., lag Tief KASPER zentral
über Irland auf einer südöstlichen Zugbahn. Der Luftdruck im Zentrum betrug nun
knapp 995 hPa und es hatte sich die für ein Tiefdruckgebiet typische Struktur
aus Kalt-, Warm- und Okklusionsfront ausgebildet. Die Okklusion, eine Front
ohne signifikanten Temperaturkontrast, begann im Tiefdruckzentrum und endete
westlich der Bretagne. Von dort erstreckte sich die Warmfront südwärts bis zur
Nordwestspitze des spanischen Festlands, die Kaltfront machte einen weiten
Bogen über den nördlichen Atlantik. Im Verlauf dieses Tages überquerte das
Zentrum von Tief KASPER den Süden Englands und hatte dabei – besonders für
britische Verhältnisse – reichlich Schnee im Gepäck. In Coleshill
bei Birmingham und Bedford lagen am nächsten Morgen je 8 cm, in Wittering,
Cambridgeshire, sogar 15 cm Neuschnee. Auch in Nordfrankreich fiel durch die
Kaltfront zeitweise Schnee, jedoch meist ohne Akkumulation, in Südfrankreich
Regen. Hinter der Kaltfront kam es örtlich zu kurzen aber intensiven Schauern,
in der Normandie und dem Loiretal gab es dabei sogar zwei
Wintergewitter. Die höchsten Niederschlagsmengen kamen dabei durch Staueffekte
an den Pyrenäen in Südfrankreich zusammen, mit 29,1 mm 24-stündig bis 06 Uhr
UTC in Dax.
Um
00 UTC am 25.01. hatte Tief KASPER die belgische Ärmelkanalküste erreicht, wo
der tiefste Luftdruck rund 997 hPa betrug. Die Okklusionsfront lag über
Ostfrankreich und setzte sich nach Süden in schwächerer Ausprägung über den
Westalpen fort. Über dem Löwengolf ging sie in die Kaltfront über, die
ihrerseits über dem Nordwesten Spaniens endete. Da sich mittlerweile das
Hochdruckgebiet ELKE über dem östlichen Nordatlantik etablierte, schwächte sich
das Tief KASPER in den folgenden Stunden stark ab und war bereits auf der
Mitteleuropakarte der Berliner Wetterkarte, die täglich mit den Daten von 12
UTC produziert wird, nicht mehr verzeichnet. Dennoch konnte das
Niederschlagsfeld von Tief KASPER mit meist zweistelligen Niederschlagsmengen
über Nacht noch ein letztes Mal zur Erhöhung der Schneedecke in weiten Teilen
der Schweiz beitragen: in Gsteig bei Gstaad beispielsweise
fielen in 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ 18,7 mm Wasseräquivalent Schnee
(anschaulich: würde man den gefallenen Schnee sofort schmelzen, entstünde eine
1,87 cm tiefe Pfütze). An der Station La Dôle im Jura waren es in gleichen
Zeitraum 21,0 mm. Im Jura, den Berner und Walliser Alpen sowie auch im
Schwarzwald wurden verbreitet Neuschneemengen über 20 cm gemessen. Die einzigen
Gebiete der Schweiz ohne Neuschnee am Morgen des 25.01. waren Graubünden und
das Tessin sowie die Städte Basel und Genf. Auch in der Eifel fielen bis zu 15
cm Neuschnee, im Westerwald immerhin 10 cm. Da sich in der Folge erst einmal
das Hochdruckgebiet ELKE über Süddeutschland breit machte, war Tief KASPER eine
Beeinflussung des Wetters weiter östlich nicht mehr vergönnt. Trotzdem sorgte
es besonders über England und Frankreich im Januar 2021 für abwechslungsreiches
Winterwetter.