Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KATARZYNA
(getauft am 22.06.2012)
Am 19.06. erfolgte
in der Höhe von rund 5,5 km ein Vorstoß arktischer Luftmassen über der
Grönlandsee in Richtung Island. Dieser markante Kaltlufteinbruch war zugleich
Initiator für dynamische Prozesse in der unteren Atmosphäre, welche sich in den
folgenden zwei bis drei Tagen bis zum Boden durchsetzten. In der Nacht zum
22.06. befand sich ein daraus entstandenes Tiefdrucksystem über dem Seegebiet
etwa 1000 km südlich von Island und 1500 km westlich von Irland. Alle
Bedingungen deuteten darauf hin, dass dieser Wirbel in den folgenden Tagen
Einfluss auf das Wettergeschehen in Mitteleuropa haben würde, und folglich
wurde er an diesem Tag in der Prognose für den Mittag des Folgetages auf den Namen
KATARZYNA getauft.
Das Zentrum von
Tief KATARZYNA wurde schließlich am 24.06. um 00 UTC, also 02 Uhr MESZ,
über der Irischen See analysiert, zusammen mit einer südwärts über die
Halbinsel Cornwall und die Bretagne bis zur Biskaya reichenden Warmfront. Die
Kaltfront hingegen erstreckte sich einige hundert Kilometer westlich über den
nahen Nordostatlantik hinaus, um dann dort in die Warmfront eines nachfolgenden
Atlantiktiefs überzugehen. Gleichzeitig kündigte der Aufzug mehrschichtiger
Bewölkung schon aus der Nacht heraus im äußersten Nordwesten Deutschland das
Herannahen des Tiefdrucksystems mit seinen Ausläufern an.
Bereits in den frühen
Morgenstunden erreichte von der Nordsee und den Niederlanden her ein breites
Niederschlagsband Friesland und das Emsland. Das nunmehr okkludierende
Frontensystem breitete sich mit länger anhaltenden Niederschlägen im
Tagesverlauf weiter südostwärts über den Norden, den
Westen und die Mitte Deutschlands aus. Beim Okklusionsprozess holt die
Kaltfront die Warmfront ein und es entsteht eine Mischfront mit Eigenschaften
von Warm- und Kaltfronten. Besonders ergiebig waren die Regenfälle in den
küstennahen Gebieten, wo zusätzlich durch nachfolgende Schauer verbreitet
Regenmengen von 10 bis 20 Liter pro Quadratmeter zusammen kamen. Spitzenreiter
war Norderney mit 29 l/m². Weiter im Landesinneren fielen häufig geringere
aber dennoch ergiebige Mengen, wie zum Beispiel in Essen mit 13 l/m², in
Aachen mit 10 l/m², oder auch in Schönefeld bei Berlin mit ebenfalls
10 l/m².
Das umfangreiche
Regengebiet erreichte bis zum Tagesende in etwa die Linie Erzgebirge – Fränkische
und Schwäbische Alb – Schwarzwald. Nur in weiten Teilen Bayerns blieb es bis
Mitternacht noch trocken. Während sich an diesem Tag die Sonne im Norden und
Nordwesten Deutschlands so gut wie gar nicht blicken ließ und das Thermometer,
wie zum Beispiel in Schleswig bei 13,1°C stagnierte, schien vor der Front noch länger
die Sonne. Besonders im Osten und Süden Deutschlands wurden bei 8 bis 10
Sonnenstunden noch sommerliche Temperaturen registriert, wie in München mit
maximal 26,4°C.
Das Zentrum von Tief
KATARZYNA zog im Tagesverlauf des 24.06. rasch von Großbritannien aus ostwärts
in Richtung Dänemark und nach Südschweden. Begünstigt durch eine sich weiter
intensivierende, westliche Höhenströmung konnte sich der Wirbel zu einem
Sturmtief weiter entwickeln. Das Tief wurde sogar so kräftig, dass es zugleich
das Vorgängertief JEANNETTE in seine Zirkulation mit aufnahm. Im Zentrum fiel dabei
der Luftdruck auf knapp unter 1000 hPa. Die Intensivierung machte sich
durch einen spürbar auffrischenden Wind bemerkbar. So wurden vor allem in der
Nord- und Westhälfte Deutschlands stürmische Böen registriert. An den Küsten
und im Bergland wurden auch Sturm- und orkanartige Böen gemessen, unter anderem
am Kap Arkona auf Rügen mit 76 km/h. Vom Brocken wurden sogar einzelne
Orkanböen gemeldet, also Windgeschwindigkeiten von über 117 km/h.
Am Folgetag, dem
25.06., verlangsamte das Tief seine Zuggeschwindigkeit deutlich, da es sich
über dem südlichen Mittelschweden und der mittleren Ostsee bei Gotland zyklonal,
also entgegen des Uhrzeigersinns eindrehte. Gleichzeitig erreichte es mit etwas
weniger als 990 hPa im Zentrum den tiefsten Druck seiner Entwicklung. Vom
Kern ausgehen verlief eine Front spiralförmig im Uhrzeigersinn um das Zentrum
und reichte über Warschau und München bis zur Bretagne. In der Höhe war diese
Front als Okklusion erkennbar, am Boden überwog jedoch der Kaltfrontcharakter. In
Deutschland erfasste die Front bis zum Vormittag auch das südliche Bayern und
Baden-Württemberg, wobei es im Alpenvorland und am Alpenrand bis in die
Abendstunden hinein durch Staueffekte kräftig regnete. Hier kamen z.B. in
Oberstdorf mit 27 l/m², und in Kempten 22 l/m² in 12 Stunden
zusammen. Auch im südlichen Schwarzwald kam es zu Stauniederschlägen, wobei die
Wetterwarte auf dem Feldberg von 18 UTC des Vortages bis 18 UTC
dieses Tages eine 24-stündige Regenmenge von sogar 39 l/m² registrierte.
Das restliche Deutschland befand sich dagegen bereits rückseitig der Front in
einer nordwestlichen Strömung und im Zustrom kühler Meeresluft subpolaren
Ursprungs. Bei wechselhaftem Schauerwetter, teils von Blitz und Donner
begleitet, stiegen die Temperaturen kaum noch über 20°C, nur am Oberrhein
zeigte das Thermometer lokal bis 23°C. Ausgehend vom Zentrum kam die Front an
diesem Tag zügig nach Osten voran, überquerte im Tagesverlauf auch das östliche
Mitteleuropa einschließlich des Baltikums und des nördlichen Balkans. Dabei
entwickelten sich im Laufe des Nachmittags und Abends im Übergangsbereich
zwischen dort befindlicher kontinentaler Tropikluft und einströmender maritimen
Subpolarluft vor allem über Ungarn, Rumänien und Kroatien verbreitet Schauer
und Gewitter. Die höchsten Regenmengen wurden aus dem rumänischen Deva mit 34 l/m² gemeldet. In Slowenien, in der Stadt
Ljubljana fielen 22 l/m² und im kroatischen Zagreb 20 l/m².
In der Nacht zum
26.06. spannte sich eine Okklusionsfront vom Zentrum ausgehend in einem weiten
Bogen über Südfinnland, dem Petersburger Raum, weiter südwärts entlang des
Dnjepr bis nach Kiew. Dort ging die Okklusion nahtlos in die Kaltfront über und
reichte über den nördlichen Balkan weiter westwärts entlang der Alpen noch bis
nach Frankreich. Allerdings ließ die Wetteraktivität der Kaltfront zu den Alpen
und Frankreich hin schnell nach. Zum Einen verhinderte die alpine Gebirgskette
als natürliche Barriere ein weiteres Vordringen der Meereskaltluft nach Süden,
zum Anderen sorgte das sich von West- nach Mitteleuropa ausdehnende Hoch VOLKER
dafür, dass sich die Kaltfront hier am Tage weitestgehend auflöste. Dafür war
die Kaltfront über dem östlichen Balkan weiterhin wetteraktiv. Die zum
Schwarzen Meer ziehenden Schauer- und Gewittercluster brachten in Bulgarien und
Rumänien bis zum Vormittag sechsstündige Regenmengen von örtlich mehr als
10 l/m². Spitzenreiter war die in der bulgarischen Donauebene gelegene Stadt
Oryahovo mit 27 l/m².
An diesem Tag drangen
die Ausläufer des Tiefs KATARZYNA noch einige hundert Kilometer weiter nach
Osteuropa vor. Dabei verschärfte sich der Temperaturgradient, also der
Temperaturunterschied zwischen einfließender, subpolarer Meeresluft zur dort befindlichen,
erhitzten kontinentalen Subtropikluft abermals. Besonders ausgeprägt war dieser
Temperaturkontrast in der Ukraine. Wurden vor der Kaltfront in sehr heißer Luft
verbreitet 33 bis 37°C erreicht, waren es einige hundert Kilometer weiter
westlich, wo die Front schon durchgezogen war, lediglich noch 22°C, wie z.B. in
Kiew. In der Nähe des Tiefzentrums, in einem Gebiet westlich und nordwestlich von
Moskau, kam es erneut zu ergiebigen Niederschlägen. Die Station Ostaschkow, nordwestlich von Moskau, registrierte bis zum
Abend dieses Tages für die zurückliegenden 24 Stunden 35 l/m², Beljy westlich von Moskau sogar 38 l/m². Das Zentrum
von Tief KATARZYNA hatte sich im Tagesverlauf schon über die mittlere Ostsee
und das nördliche Baltikum hinweg bis über Karelien verlagert und im Kern auf
etwas unter 1000 hPa aufgefüllt. In unmittelbarer Nähe zum Tiefdruckkern kam
es ebenfalls zu kräftigen Niederschlägen, die z.B. in Petrozavodsk
am Onegasee 23 l/m² in 24 Stunden bis 18 UTC brachten.
In den frühen
Morgenstunden des 27.06. wurde in diesem Bereich auch das Tiefdruckzentrum
analysiert. Zusätzlich hatten sich die Strukturen der Zyklone weiterentwickelt.
Vom Kern ausgehend erstreckte sich eine neu gebildete Warmfront nordnordöstlich
über das Weiße Meer bis zur Petschoramündung. Die
Kaltfront hingegen spannte sich vom Zentrum der Zyklone am Onegasee ausgehend südlich
über den Moskauer Raum und den äußersten Westen Russlands bis zur Ostukraine
und von dort aus weiter bis hin zum Schwarzen Meer. Gerade im südlichen Teil
des europäischen Russlands war noch recht heiße, kontinentale Subtropikluft vorherrschend
mit verbreiteten Höchsttemperaturen um 35°C, in Wolgograd stieg das Thermometer
sogar auf 36,1°C. Folglich war der Temperaturunterschied zur rückseitig der
Kaltfront herantransportierten Meereskaltluft hier besonders groß. Die sich
weiter nach Osten zur Wolga verschiebende Luftmassengrenze begünstigte im
Tagesverlauf die Bildung eines eigenständigen Tiefs im Raum Wolgograd.
Ansonsten kam es im Bereich des Tiefdruckkerns über Karelien zu länger
anhaltenden, ergiebigen Niederschlägen. Am Tage fielen 12-stündig von 06 bis
18 UTC verbreitet um, oder mehr als 20 l/m². Gleichzeitig zog der
Wirbel unter neuerlicher Verstärkung weiter nordwärts nach Nordfinnland, wobei
der Kerndruck bis Tagesende wieder auf leicht unter 990 hPa fiel. Dabei
begannen die Ausläufer erneut zu okkludieren, sodass der Dauerregen in diesem
Bereich die Nacht über weiter anhielt. Von Karelien und der Halbinsel Kola
wurden bis zum Morgen des Folgetages weitere 10 bis 20 l/m² in 12 Stunden
registriert. In Kalevala, im nördlichen Teil Kareliens, waren es sogar 27 l/m².
Am 28.06. zog die
Zyklone KATARZYNA weiter nördlich in Richtung Barentssee über die Halbinsel
Kola hinweg und schwächte sich dabei bis zum Abend auf etwas unter 1000 hPa
ab.
In der Nacht zum
29.06. erstreckte sich vom Kern ausgehend die Okklusionsfront nordostwärts bis fast
nach Nowaja Semlja. Von dort aus verlief eine
noch mehrere hundert Kilometer lange Warmfront in Richtung Eismeer. Die
Kaltfront hingegen zog sich vom Okklusionspunkt ausgehend südlich bis zum Petschorabecken, dem äußerster Norden des europäischen
Teils des russischen Festlands.
Auch am 30.06. war das
Tief KATARZYNA auf den Bodenwetterkarten weiterhin vermerkt, entfernte sich
jedoch mehr und mehr nordwärts, hinaus über das Nordpolarmeer und füllte sich
dabei langsam auf. Um 00 UTC wurde der Kerndruck noch mit etwas unter
1005 hPa und einer Position zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja
angegeben. Die Kaltfront erstreckt sich noch in einem weiten Bogen nördlich um Nowaja Semlja herum bis zum nördlichen Beginn des Uralgebirges,
in etwa bei Workuta. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Tief KATARZYNA keinen
Einfluss mehr auf das Wettergeschehen in Europa. In den nachfolgenden Stunden entfernte
sich das Tief weiter nordwärts in Richtung Eismeer und verließ damit den Analysebereich
der Berliner Wetterkarte.
Geschrieben am 21.08.2012 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 25.06.2012
Pate: anonym