Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KERSTIN
(getauft
am 02.10.2018)
Im
Laufe des 02.10.2018 entwickelte sich entlang einer sich wellenförmig deformierenden
Front des nahe der Färöer-Inseln liegenden Tiefdrucksystems JESSIKA ein neuer
Tiefdruckwirbel, der anhand der Analysekarte von 00 Uhr UTC, was 1 Uhr MEZ
entspricht, des 02.10. auf den Namen KERSTIN getauft wurde. Zum Zeitpunkt der
Analyse befand sich das Zentrum des Wirbels KERSTIN, von dem sowohl eine Warm-
als auch eine Kaltfront ausgingen, mit einem Druck von knapp 1020 hPa östlich
von Neufundland über dem Atlantik. Während die Warmfront sich vom Kern nach
Osten erstreckte und sich noch über dem Atlantik mit der Kaltfront des Tiefs
JESSIKA verband, reichte die Kaltfront nach Südwesten und ging östlich von Nova
Scotia ebenfalls in das Frontensystem eines anderen Wirbels über.
Sich
verstärkend verlagerte sich der Tiefdruckwirbel KERSTIN im Tagesverlauf nach
Osten und befand sich um 00 Uhr UTC des 03.10. über dem zentralen Nordatlantik,
in etwa auf der gedachten Schnittlinie vom ostgrönländischen Tasiilaq und den
Orkney-Inseln im Norden Schottlands. Vom Zentrum, dessen Kerndruck in den
vergangenen 24 Stunden um 15 hPa gefallen war, reichte die Warmfront bis über
Nordwales, wo sie sich weiterhin mit dem Frontensystem des von den Färöer-Inseln
nach Gotland gezogenen Tiefs JESSIKA verband, während die ihr nacheilende
Kaltfront einen weiten Bogen über den Atlantik nach Südwesten beschrieb. Hebungsprozesse im
Kernbereich des Wirbels sowie entlang dessen Frontenausläufern hatten die
Entwicklung ausgeprägter Niederschlagsbänder zur Folge, die mit der Warmfront
zunächst Schottland streiften und sich in der Nacht auf den 04.10. Richtung
Norwegen verlagerten. Dabei fielen durch teils schauerartig verstärkten Regen
binnen 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des darauffolgenden Tages in Stornoway 5,8 mm,
in Lerwick 10,2 mm und am Flughafen von Kirkwall 12,8 mm Niederschlag. Etwas
ergiebiger, wenn auch lokal sehr unterschiedlich, fielen die Niederschläge im
Kernbereich des nach Nordosten voranschreitenden Wirbels über Island aus:
Während in Reykjavík 6,9 mm anfangs mit Schnee vermengter, leichter Regen fiel,
wurden bei anhaltenden, leichtem bis mäßigem Regen an der Messstation auf der
Landzunge Dalatangi bis zu 17,3 mm in 24 Stunden erfasst.
Zum
04.10. hatte das Zentrum des Tiefdruckwirbels KERSTIN gegen 00 Uhr UTC bereits
Island erreicht. Vom Kern, dessen Druck auf unter 990 hPa gefallen war,
erstreckte sich eine Okklusionsfront nach Osten. Als Okklusionsfront wird
eine oft regenreiche Mischfront verstanden, die aus dem Zusammenschluss von
Warm- und nacheilender Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider in sich
vereint. Die Stelle, an der beide Frontensysteme ineinander übergehen, wird
dabei als Okklusionspunkt bezeichnet, welcher sich zum Analysezeitpunkt nahe den
Färöern befand. Von dort reichte die Warmfront über die Nordsee hinweg bis über
Köln und die ihr folgende Kaltfront in einem weiten Bogen über den Atlantik
nach Südwesten, wo sie sich mit dem Frontensystem des ehemaligen Tropensturms
LESLIE verband. Hatten tags zuvor die Niederschläge im Bereich der Warmfront
Großbritannien nur im Norden Schottlands gestreift, brachte die von Westen
folgende Kaltfront auch Irland, Wales sowie erneut Schottland und Teilen
Nordenglands Regen. Beispielsweise registrierten die Messgeräte binnen 24
Stunden im walisischen Capel Curig 9,2 mm, am schottischen Loch Glascarnoch
11,6 mm und im nordenglischen Shap bis zu 19,4 mm. Im irischen Oak Park bei
Carlow wurden im selben Zeitraum 8,0 mm, am Flughafen von Dublin 11,5 mm und im
südlich davon gelegenen Casement Aerodrome 19,0 mm Regen gemessen. Demgegenüber
fielen im Süden Englands trotz überwiegend dichter Bewölkung meist unter einem
halben Millimeter Regen oder Sprühregen, vielerorts blieb es auch gänzlich
trocken. Nachdem die Niederschläge entlang der Warmfront in der Nacht zum 04.10.
die Nordsee überquert hatten, trafen sie in den frühen Morgenstunden auf die
Küste Norwegens. Aufgrund von Stau- und erzwungenen Hebungsprozessen beim
Auftreffen und anschließenden Aufgleiten der feuchten Luftmassen in kältere
Luftschichten entlang der dortigen Gebirgsketten wurden die Niederschläge lokal
noch zusätzlich intensiviert. So führte schauerartig verstärkter Regen bei
Bergen 34,0 mm, in Takle 52,2 mm und an der Station Furuneset bis zu 64,2 mm
mit sich, wobei dort über die Hälfte der Tagesniederschlagsmenge, knapp 35 mm,
in weniger als 6 Stunden fiel. Zusätzlich erreichte der westliche Wind an
besonders exponierten Lagen Norwegens in Böen Sturm- bis Orkanstärke: In Sula
registrierten die Anemometer schwere Sturmböen bis 90,1 km/h, am Leuchtturm
Kråkenes orkanartige Böen bis 108,1 km/h und am Juvvasshoe Orkanböen bis 133,3
km/h. Auch über Island kam es zu weiteren Niederschlägen, die zwar mitunter mit
Schnee vermischt, jedoch weit weniger intensiv ausgeprägt waren. Dalatangi
meldete wiederholt Schauer mit 6,2 mm in 24 Stunden, wohingegen in Reykjavík
und an der Sendestation Gufuskálar lediglich vereinzelte Tropfen nichtmessbarer
Mengen fielen. In Deutschland gestaltete sich das Wetter im Einflussbereich der
Warmfront in der Nordhälfte wolkenreich. Bei Tageshöchstwerten zwischen 12 und
16°C fiel vereinzelt leichter Regen mit Niederschlagsmengen, die – bis auf lokale
Ausnahmen wie beispielsweise Quickborn mit 3,4 mm – mit 0,1 bis 2 mm meist
gering ausfielen. In der Südhälfte Deutschlands setzte sich hingegen bei 6 bis
11 Sonnenstunden und Höchstwerten bis 21°C goldenes Oktoberwetter durch.
Unter
Ausbildung eines zweiten, eigenständigen Kerns im Bereich des nach Osten
voranschreitenden Okklusionspunktes verlagerte sich das Tief KERSTIN im Laufe
des 04.10. allmählich nach Osten. Eine Okklusion verband demnach die Kerne der
Tiefs KERSTIN I und II, von denen der erste um 00 Uhr UTC des 05.10. mit einem
Druck von unter 985 hPa über den Färöer-Inseln und der zweite mit knapp 995 hPa
unweit von Bodø lag. Eine weitere Okklusionsfront ging vom zweiten Wirbel aus, überquerte
Norwegen und hatte ihren Okklusionspunkt nahe des mittelschwedischen
Östersunds. Von diesem reichte in südsüdöstlicher Richtung eine Warmfront
weiter bis über Warschau, die zugehörige Kaltfront verlief hingegen über Oslo
und London nach Westen über den Atlantik hinaus. Über den Britischen Inseln
hatte die Kaltfront begonnen, sich wellenförmig zu deformieren, sodass in
diesem Bereich die Entstehung des zunächst noch unbenannten Tiefs LIANGYU
einsetzte, welches nachfolgend für Großbritannien und Westeuropa
wetterbestimmend wurde. Im Zusammenspiel mit diesem sich neu entwickelnden Tief
fielen durch anhaltenden, mitunter schauerartigen Regen innerhalb von 24
Stunden im walisischen Sennybridge 11,4 mm, in Capel Curig 13,0 mm und im
englischen Emley 15,4 mm Niederschlag. Auch über Norwegen hielt der entlang der
Westküste teils sehr ergiebige
Regen weiter an. So wurden in Gartland 24,4 mm, bei Vefsn an der Station am
Laksforsen-Wasserfall 29,4 mm und in Namsskogan 33,9 mm gemessen. Im Verhältnis
dazu weniger intensiv gestalteten sich die Niederschläge im Bereich der sich
nach Nordosten verlagernden Okklusionsfront über Schweden und Finnland. 24-stündig
führten Regenschauer in Ullared 7,5 mm, anhaltender und in Schnee übergehender
Regen im schwedischen Korsvattnet 8,5 mm und in Schauer übergehender Regen am
finnischen Flughafen Mikkeli 10,6 mm mit
sich. Auf ihrem Weg nach Osten schwächten sich die Niederschläge, die im Norden Finnlands und der Kola-Halbinsel zunehmend in Schnee
übergingen, weiter ab. In einem Zeitraum von 12 Stunden wurden aus Archangelsk
und Moskau noch je 3,0 mm und sowohl aus Murmansk als auch aus Sankt Petersburg
knapp 5 mm gemeldet. Über Norwegen nahm der auf Südwest drehende Wind
vorübergehend nochmals zu und erreichte in exponierten Lagen wie schon tags
zuvor in Böen weiter Orkanstärke: In Sauda konnten orkanartige Böen bis 108,1
km/h, in Kråkenes
Orkanböen bis 126,1 km/h und am Juvvasshoe Böen mit Spitzengeschwindigkeiten
von bis zu 151,1 km/h registriert werden.
Allmählich
leicht an Intensität verlierend verlagerte sich das Tiefdrucksystem KERSTIN zum
06.10. über den Norden Skandinaviens. Während gegen 00 Uhr UTC das erste
Teiltief mit einem auf 990 hPa gestiegenen Kerndruck ohne ein analysierbares
Frontensystem nördlich von Bodø lag, befand sich das zweite mit einem um 5 hPa
auf ebenfalls 990 hPa gefallenen Druck, über der Kola-Halbinsel bei Apatity,
südlich von Murmansk. Eine Okklusionsfront erstreckte
sich südöstlich des Tiefs KERSTIN II ausgehend bis zu ihrem Okklusionspunkt bei
Nischni Nowgorod. Von dort zog sich eine Warmfront in südlicher Richtung bis
nach Kursk und die ihr nachfolgende Kaltfront, über dem Baltikum
zwischenzeitlich Warmfrontcharakter annehmend, nach Westen, ehe sie sich über
der Nordsee mit der Warmfront des über Südengland liegenden Tiefs verband,
welches tags darauf auf den Namen LIANGYU getauft wurde. In Verbindung mit
einem Tiefdruckwirbel über Spitzbergen wurden auf der Rückseite des Tiefs KERSTIN
feuchte Luftmassen vom Arktischen Ozean an Norwegens Westküste geführt, sodass
die Niederschläge dort, zeitweise auch schauerartig, weiter anhielten. Diese brachten
24-stündig in Bodø sowie Trondheim je 10,0 mm, in Tromsø 13,5 mm und in Ålesund
18,1 mm mit sich, die in Bodø zudem von Hagel begleitet waren. Über den russischen
Weiten schwächten sich die Niederschläge hingegen weiter ab. Größere
Niederschlagsmengen wurden mit Ausnahme eines engen Streifens, der von Estland
bis an die südlichen Ausläufer des Uralgebirges reichte, nur noch vereinzelt
gemeldet. Während in Archangelsk innerhalb von 24 Stunden nur einzelne Tropfen
ohne messbare Menge, in St. Petersburg 2,0 mm und bei Wologda 3,3 mm gemessen
wurden, registrierten die Messgeräte in Vetluga 10,4 mm, in Ustjuschna 17,0 mm
und in Kingisepp 130 Kilometer südwestlich von Sankt Petersburg, 21,0 mm. Im
estnischen Väike-Maarja brachten Schauer gar noch bis zu 27,7 mm mit sich.
Mit
nur noch einem analysierbaren Kern befand sich das weiter an Intensität
verlierende Tief KERSTIN mit einem Druck von knapp 990 hPa am 07.10. um 00 Uhr
UTC über der Barentssee, südwestlich von Nowaja Semlja unweit der Insel
Kolgujew. Die Okklusionsfront zog sich vom Zentrum in südlicher Richtung bis
nach Syktywkar, wo sie sich in eine bei Saratow endende Warmfront und in
eine nach Sankt Petersburg reichende Kaltfront teilte. Diese verband sich über
Estland mit der Warmfront eines südlich von Schweden über der Ostsee liegenden,
neuen und unbenannten Tiefs. Im Tagesverlauf schwächte sich der Tiefdruckwirbel
KERSTIN zunehmend ab, sodass dieser ab dem 08.10. nicht mehr auf der Berliner
Wetterkarte als eigenständiger Wirbel analysiert und somit auch nicht mehr auf ihr
namentlich verzeichnet werden konnte. Letzte größere, dem
Tiefdruckwirbel direkt zuzuordnende Niederschläge konzentrierten sich noch auf
die Region des Südurals und brachten binnen 24 Stunden in Ufa 5,0 mm, in Perm
7,0 mm und in Askino sowie in Tscheljabinsk jeweils
noch bis zu 17,0 mm, ehe sie sich unter voranschreitender Auflösung in Richtung
Sibirien verlagerten.