Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet KLAUS

(getauft am 08.03.2021)

 

In der Vorhersage der Bodenwetterkarte für Dienstag, den 09.03.2021 um 13 Uhr MEZ (Mitteleuropäische Zeit) wurde über dem Atlantischen Ozean, nördlich des 40. Breitengrades ein ausgeprägtes Gebiet tiefen Luftdruckes prognostiziert. Da diesem Tiefdruckgebiet sowohl eine eigenständige Zirkulation sowie ein bereits ausgeprägtes Frontensystems zugrunde lag, und die prognostizierte Zugrichtung Einfluss auf das mitteleuropäische Wetter nehmen würde, konnten die Meteorologen der Berliner Wetterkarte diesem Tiefdruckgebiet den Namen KLAUS verleihen. Kaum 12 Stunden später wurde auf der Bodenwetterkarte vom 09.03. um 01 Uhr MEZ die Tiefdruckvorhersage von KLAUS über dem Atlantischen Ozean bestätigt. Zwar stimmte die Position der Zyklone in etwa mit der vorherigen Prognose überein, jedoch fiel das Tiefdruckgebiet KLAUS mit einem Luftdruckdefizit von nur etwa 1000 hPa etwas schwächer aus als gedacht. In diesem noch jungen Zyklonenstadium erstreckten sich vom Tiefdruckzentrum ausgehend eine Warmfront nach Nordosten, sowie eine Kaltfront nach Süden. Wettertechnisch hatte die Zyklone KLAUS noch keinen unmittelbaren Einfluss auf das europäische Festland.

Auf der Bodenwetterkarte vom 10.03. verlagerte sich der Tiefdruckwirbel KLAUS nach Nordosten und befand sich, nun über dem 50. Breitengrad sowie dem 35. Längengrad gelegen, weiterhin über dem Atlantischen Ozean. Das Tiefdruckgebiet konnte sich innerhalb eines Tages um mehr als 25 hPa, auf etwas weniger als 975 hPa intensivieren und avancierte damit, im Zusammenspiel mit dem nordöstlich gelegenen Tief JOSEF, zu einem ausgewachsenen Orkanwirbel. Ausgehend vom Tiefdruckzentrum erstreckte sich eine vergleichsweise kurze Okklusionsfront nach Osten bis zum sogenannten Okklusionspunkt. Vom Okklusionspunkt aus verlief die Warmfront weiter nach Osten, wo sie sich südwestlich von Irland mit der Kaltfront von Tief JOSEF verband, während die Kaltfront von KLAUS rasch nach Süden und Südwesten nachfolgte. Zur Erklärung: Eine Okklusion ist eine Mischfront, welche entsteht, wenn die schnellere Kaltfront die vorlaufende, jedoch langsamere Warmfront einholt und so die wärmere Luft aufsteigen lässt. Der Punkt, an dem sich die Okklusion in Kalt- und Warmfront aufteilt, wird als Okklusionspunkt deklariert. Unmittelbaren Einfluss auf das europäische Festland konnte die Zyklone KLAUS zu diesem Zeitpunkt weiterhin noch nicht ausüben, jedoch kündigte die Kombination von Tief KLAUS mit Tief JOSEF bereits eine signifikante Wetterumstellung hin zu unbeständigem, vergleichsweise mildem sowie sehr windigem Wetter an.

Nachdem sich das Tiefdruckgebiet KLAUS innerhalb kürzester Zeit noch weiter intensivieren konnte, wurde es mit in die Zirkulation des Tiefdruckwirbels JOSEF aufgenommen. So entstand in der Bodenwetterkarte vom 11.03. um 01 Uhr MEZ ein immenses Tiefdrucktandem, welches sich in seiner räumlichen Ausdehnung von der Südostküste Grönlands bis zu den Alpen hin erstreckte. Auf seinem Weg zur Nordspitze Schottlands verstärkte sich die Zyklone KLAUS sogar weiter, auf einen Kerndruck von lediglich noch etwa 960 hPa, dabei verdrängte es den alternden Tiefdruckwirbel JOSEF, ebenfalls mit 960 hPa, nach Norden über Island. Die ausgeprägte Okklusionsfront der Zyklone KLAUS erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt von der Südwestspitze Irlands in einem nördlich ausufernden Bogen über den 60. Breitengrad bis über die Nordsee. Von dort ausgehend verlief die Warmfront über die Beneluxstaaten und Frankreich hinweg bis knapp zu den Pyrenäen. Rasch nachfolgend schloss sich die Kaltfront an, die in einem weiten Bogen über den Ärmelkanal und den nahen Ostatlantik nach Südwesten verlief. Wettertechnisch hielt die Zyklone KLAUS für Mitteleuropa so einiges parat. Die Warmfront des Tiefdruckwirbels überquerte Frankreich und Deutschland mit einem Niederschlagsfeld bereits in der zweiten Nachthälfte vom 10.03. auf den 11.03. ostwärts. In weiten Teilen Niedersachsens, in Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg fielen diese nächtlichen Niederschläge zudem recht kräftig aus. So kamen im Bereich des allmählichen Zusammenschlusses mit der nachfolgenden Kaltfront, also dem Okklusionsbereich, innerhalb von 12 Stunden häufig mehr als 15 l/m² Regen zusammen, zum Teil waren es auch mehr als 20 l/m². Die höchste 12-stündige Niederschlagssumme verzeichnete Vöhrenbach-Urach in Baden-Württemberg sogar mit 49,5 l/m² und auch an der Station Anger-Stoißberg in Bayern wurden beachtliche 41,4 l/m² vermeldet. Im Warmluftsektor, also dem Bereich hinter der vorlaufenden Warmfront und noch vor der nachfolgenden Kaltfront, wurde im bayerischen Garmisch-Partenkirchen mit 18,3°C die höchste Tagestemperatur Deutschlands erreicht. Der Luftdruckunterschied zwischen dem Tiefdruckkern der Zyklone KLAUS und der Südküste Englands betrug etwa 40 hPa, ein enormer Gradient, der auf den Britischen Inseln zu entsprechenden Windgeschwindigkeiten (in Böen mit Orkanstärke) führte, dabei wurden an einzelnen Küsten- und Bergstationen zum Teil über 130 km/h gemessen. Das Sturmfeld erreichte in den frühen Morgenstunden die Nordseeküste der Niederlande mit Windstärken bis 10 Beaufort, also 89 bis 102 km/h. Zur selben Zeit vermeldete auch die Station auf dem Brocken im Harz bereits Windböen von 100 km/h und mehr. Im Verlauf des Morgens erreichte die Zone maximaler Windgeschwindigkeit die deutsche Nordseeküste, beispielsweise meldete der Leuchtturm Alte Weser um 10 Uhr MEZ Spitzenböen von 107 km/h. Vormittags traten auf dem Brocken im Harz Orkanböen bis 139 km/h auf, während Nörvenich und Wuppertal, beide in Nordrhein-Westfalen gelegen, mit jeweils 104 km/h orkanartige Böen verzeichneten. Nachmittags folgte auf den Brocken mit 137 km/h schließlich noch der Feldberg im Schwarzwald mit 133 km/h als windigster Ort. Auch auf der Zugspitze sowie im schleswig-holsteinischen Büsum gab es mit jeweils 122 km/h Orkanböen. Mit dem Durchzug der Fronten von Tiefdruckgebiet KLAUS entwickelten sich im Norden Niedersachsens am Vormittag erste Gewitter, bevor schließlich auch in der Mitte sowie im Westen Deutschlands Blitz und Donner registriert wurden. In den Abendstunden gewitterte es dann ebenfalls in Ostdeutschland, ehe sich die Aktivität in der Nacht von der Mitte des Landes in den Süden verlagerte.

 

Auf der Bodenwetterkarte vom 12.03. um 01 Uhr MEZ verlagerte sich das Tiefdruckgebiet KLAUS etwa 500 km weiter nach Norden, trat an die Stelle des ehemaligen Orkanwirbels JOSEF und spaltete sich in zwei Teiltiefdrucksysteme namentlich KLAUS I und KLAUS II. Während KLAUS I nun knapp nördlich der Färöer-Inselgruppe lokalisiert werden konnte, befand sich das Tief KLAUS II über dem südlichen Teil Schwedens. Die lang gestreckte Okklusionsfront verband die Tiefdruckzentren miteinander und reichte sogar noch bis zum Okklusionspunkt über dem tschechischen Teil des Riesengebirges. Von dort aus verlief die kurze Warmfront geradewegs nach Süden bis nach Italien. Nach Südwesten zog sich nachfolgend die langgestreckte Kaltfront bis über den nahen Ostatlantik. Im Okklusionsbereich der beiden Teiltiefdruckgebiete KLAUS I und KLAUS II gab es in der Nacht lediglich im Südwesten Norwegens noch einmal stärkere Niederschläge. Am Lysefjord, nahe der Stadt Bergen, fielen, ausgelöst durch die Front, 24-stündig bis in die Morgenstunden hinein 27,1 l/m². Deutlich höhere Niederschlagssummen traten in Europa auf dem Balkan auf. Dort hatte sich im südlichen Teil, der im Tagesverlauf über Osteuropa verlaufenden Fronten, ein Gebiet mit zunächst langanhaltenden Regen gebildet, in dem am Abend sogar vereinzelte Gewitter eingelagert waren. So kamen zum Teil über 40 l/m² zusammen, die Station Rijeka vermeldete sogar eine Niederschlagssumme von 67,1 l/m². Rückseitig der nach Osten verlaufenden Front wurde vergleichsweise feuchte Meeresluft subpolaren Ursprungs nach Deutschland geführt, sodass die Temperatur kaum die 11°C-Marke überschreiten konnte. Vor allem in der Westhälfte des Landes brachte eine, sich entlang einer Okklusionsfront entwickelnde, Schauerlinie bis zum Abend meist zwischen 3 und 8 l/m² in 6 Stunden, vereinzelt erneut mit Blitz und Donner. In einzelnen Regionen kamen auch mehr als 10 l/m² zusammen, so zum Beispiel im Landkreis Rendsburg-Eckernförde mit 10,6 l/m² an der Station Haale. Im Vergleich zum Vortag zeigte sich der meist aus südwestlicher Richtung wehende Wind im Mittel zwar weiterhin mäßig bis frisch und in Böen wurde auch erneut Stärke 8 oder 9 verzeichnet, doch blieben Windböen der Stärke 11 Beaufort lediglich auf den Brocken im Harz beschränkt.

In der Bodenwetterkarte vom 13.03. um 01 MEZ verblieb die Teilzyklone KLAUS I stationär, etwa über der Färöer-Inselgruppe. Indes verlagerte sich der Tiefdruckwirbel KLAUS II etwas weiter nach Norden, zudem bildete sich noch eine weitere, dritte Teilzyklone, benannt mit KLAUS III knapp nördlich von Estland aus. Der Kerndruck beider Tiefdruckteilzentren stagnierte auf weiterhin sehr niedrigem Niveau. Während das Tief KLAUS I weiterhin mit 965 hPa aufwartete, dicht gefolgt von etwas weniger als 985 hPa von KLAUS II, verzeichnete die neue Zyklone KLAUS III immerhin noch etwas weniger als 990 hPa. In den vergangenen 24 Stunden verlagerte sich die, von KLAUS I ausgehende und durch die Zentren von KLAUS II sowie KLAUS III hindurch verlaufende Okklusionsfront weiter nach Osten, dabei holte die schneller ziehende Kaltfront die vorlaufende Warmfront immer weiter ein. Der Okklusionspunkt befand sich schließlich über dem Schwarzen Meer, davon ausgehend erstreckten sich lediglich noch Frontenreste der Warm- als auch der Kaltfront nach Süden und Südwesten. Wettertechnisch bildete die lang gestreckte Okklusionsfront der dreier Zyklone KLAUS I-III eine Wettergrenze: Der Bereich, östlich und nordöstlich der Okklusionsfront von Nordskandinavien über Weißrussland und der Ukraine bis zum Schwarzen Meer, befand sich im Einfluss kontinental geprägter Arktikluft (xA) und resultierte häufig in Temperaturen unter dem Gefrierpunkt mit teils länger anhaltendem Schneefall. Hingegen wurde mit der Verlagerung der Okklusionsfront von KLAUS I-III, in einem Bereich westlich und südwestlich der Front polare Meeresluft herangeführt. Diese fiel aufgrund des mäßigenden Einflusses des Ozeans nicht allzu kalt aus, weshalb die Lufttemperatur selbst in der Nacht mitunter deutlich über dem Gefrierpunkt verblieb. Die dabei mit herangeführte Feuchtigkeit der Luftmasse machte sich über Zentraleuropa mit einer meist geschlossenen Wolkendecke und weiterem Regen bemerkbar.

 

Auf der darauffolgenden Bodenwetterkarte vom 14.03. konnte dem ausuferndem Tiefdruckkomplex bestehend aus den drei Tiefdruckteilzentren KLAUS I-III lediglich noch die Ursprungszyklone KLAUS I, nun namentlich wieder als KLAUS weitergeführt, zugeordnet werden. Das Tiefdruckgebiet KLAUS befand sich um 01 Uhr MEZ zwischen der Färöer-Inselgruppe und der Westküste Norwegens über dem Nordmeer und wies einen weiterhin stattlichen Kerndruck von etwas weniger als 980 hPa auf. Den unmittelbaren Einfluss auf das Wetter in Zentraleuropa verlor das Tief KLAUS jedoch zusehends an die bereits am 13.03. rasch herannahende Zyklone LUIS. Die mittlerweile vollständig okkludierte Front von Tief KLAUS erstreckte sich in einem nördlich ausufernden Bogen bis knapp an den Polarkreis heran und davon ausgehend in einer großskaligen Welle nach Süden über das „Schwarze Meer“ bis über den Kartenrand der Berliner Wetterkarte hinaus. Sie fungierte weiterhin als Luftmassengrenze zwischen der kontinental geprägten Arktikluft nordöstlich und der maritim geprägten Polarluft südwestlich davon und schob diese allmählich weiter ostwärts voran.

Auf der Bodenwetterkarte vom 15.03. konnte dem Tiefdruckgebiet KLAUS, nun mit einem Kerndruck von etwas weniger als 995 hPa und über der Nordspitze Dänemarks gelegen, lediglich noch eine kurze Okklusionsfront nach Nordwesten zugeordnet werden. Zwar blieb diese Okklusionsfront auch in der Bodenwetterkarte vom 16.03. noch bestehen, jedoch war sie nicht mehr wetterwirksam. Zudem wurde die Zyklone KLAUS zunehmend mit Luft aufgefüllt, sodass der Kerndruck lediglich noch ein Luftdruckdefizit von etwas weniger als 1010 hPa vorweisen konnte. Nach einer stattlichen Lebensdauer von insgesamt acht Tagen und unmittelbarem Einfluss auf das Wetter in Nord- und Mitteleuropa mit zahllosen signifikanten Wettererscheinungen, konnte auf der Berliner Wetterkarte vom 17.03. von den Meteorologen schließlich kein Tiefdruckgebiet mehr mit dem Namen KLAUS betitelt werden.