Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KOLETTA
(getauft am 30.07.2018)
Im Laufe des
30.07.2018 entwickelte sich an der Nordostküste Schottlands ein Tiefdruckgebiet
entlang der Polarfront, die sich über dem Nordatlantik und dem Europäischen
Nordmeer erstreckte. Die Entstehung des Tiefs ging auf die vertikale Streckung
einer kleinskaligen und ungestörten Front in dieser Region zurück, wobei der
Streckungsprozess durch Vertikalbewegungen ausgelöst wird, welche
typischerweise auf der Vorderseite von Trögen zu beobachten sind. Tröge sind Kaltluftvorstöße
nach Süden, welche in der Höhenströmung von 5,5 km vorkommen und die
Druckgebilde maßgeblich bestimmen. Da die Höhenströmung Richtung Nordosten
strömte, sollte sich diese Zyklone dem mitteleuropäischen Raum nähern und somit
Einfluss auf das dortige Wettergeschehen nehmen. Auf Grundlage dieser Annahme
wurde das Tief auf der Vorhersagekarte vom 30.07.2018 auf den Namen KOLETTA
getauft.
Am
nächsten Tag befand sich Zyklone KOLETTA vor der Ostküste Schottlands mit einem
Kerndruck von ca. 1014 hPa. Der Wirbel KOLETTA war Teil eines komplexen Frontensystems,
welches zu dem steuernden Tief JULI gehörte, das sich nordöstlich von Tief
KOLETTA über dem Atlantik befand. Die Warmfront verlief nach Nordosten und ging
in die Kaltfront des Tiefs JULI über. Die Kaltfront von Wirbel KOLETTA
überquerte die europäische Metropole Brüssel und lag sowohl über dem Nordwesten
Frankreichs als auch Spaniens und endete dann über dem Atlantik. Warm- und
Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten
Luftmassen. Im Tagesverlauf verlagerten sich die Fronten nach Osten, sodass die
Warmfront auf die Westküste Skandinaviens traf. Durch die erzwungene Hebung an
der Steilküste sowie am Gebirge kam es verbreitet zu Meldungen von
signifikantem Wetter. Im südwestlichen Norwegen fielen teilweise über 60 mm,
wie zum Beispiel in Sauda mit 65 mm oder auch in Roeldalsfjellet auf über 1000 m mit 60 mm. Teilweise lagen
die Niederschlagsintensitäten örtlich bei über 15 mm pro Stunde, welche durch
konvektive Niederschläge erzielt wurden. Spitzenreiter im einstündigen
Intervall war die Station Liarvatn mit 15 mm zwischen
8 und 9 Uhr MESZ. Sehr oft ist auch eine Intensivierung der Windgeschwindigkeit
bei einem Frontendurchgang zu beobachten. In Torungen
Fyr, einer Stadt im Süden Norwegens, wurden in Böen
bis zu 83 km/h gemessen. Dies entspricht Windstärke 9 auf der Beaufort-Skala Trotz
Sturmcharakter ist dies ein vergleichsweise geringer Wert für diese Region. Im
Vergleich zum Vortag wurde allerdings im Süden Norwegens teilweise ein
erheblicher Temperatureinbruch bemerkt. Beispielsweise in Laerdal-Moldo
wurde am 30.07. um 18 Uhr eine Maximaltemperatur von 26,5 °C gemessen. Einen
Tag später wurde im Warmsektor nur noch eine Höchsttemperatur von unter 20°C
registriert, also ein Rückgang um mindestens 7 Grad. Ein weiterer Niederschlagsschwerpunkt
war die niederländische Küste, da dort ebenfalls die Front auf Land traf, wobei
die Niederschlagsmengen deutlich geringer ausfielen. In der Nähe von Amsterdam
wurden aber immerhin 22 mm gemessen.
Zum 01.08. verlagerte sich Wirbel KOLETTA bis über
Zentralnorwegen, wobei der Kerndruck gleichgeblieben war. Die von Tief KOLETTA ausgehende Kaltfront verlief nach Süden über die
Ostsee, das Ruhrgebiet, Genf und ging in der Nähe von Marseille wieder in eine
Warmfront über. Vom Kern aus nach Norden erstreckte sich eine kurze
Höhenokklusion, also eine Mischfront, welche durch den Zusammenschluss von
Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich
vereint. Eine meteorologische Besonderheit, die
zu diesem Zeitpunkt von Berlin bis nach München beobachtet werden konnte, sind
sogenannte Konvergenzlinien. Dabei handelt es sich um bestimmte Zonen, in denen
Luft in Bodennähe zusammenfließt, also konvergiert, wobei der daraus
resultierende Massenüberschuss im Bereich der Erdoberfläche durch
kompensierendes Aufsteigen ausgeglichen wird. Im Vergleich zu Luftmassengrenzen
wie bei Warm- und Kaltfront handelt es sich bei Konvergenzlinien um Phänomene,
die innerhalb der gleichen Luftmasse auftreten und somit keine thermischen
Gegensätze voraussetzen. Durch diesen vertikalen Luftmassenversatz kann sich
nachfolgend ein großer Temperaturunterschied einstellen, wodurch letztlich eine
vertikale Umwälzung hervorgerufen wird, die meist mit intensiven Niederschlägen
und häufig auch mit Gewittern verbunden ist. Bereits
am Abend kam es zu lokalen Gewitterereignissen im Alpenraum und in den
Voralpen, wobei teilweise unwetterartige Regenschauer mit 40 mm und mehr stattfanden.
Der höchste gemessene Niederschlag fiel innerhalb einer Stunde in Balderschwang an der österreichischen Grenze mit 37 mm.
Balderschwang ist allerdings auch einer der niederschlagsreichsten Orte
Deutschlands, weil die westlichen oder nordwestlichen Luftmassen den Bodensee
überqueren und somit zusätzliche Feuchtigkeit aufnehmen. Außerdem gab es durch
die Kaltfront starke Abkühlungen in Westdeutschland und im späteren Verlauf auch
in Ostdeutschland. In Bad Marienberg,
nördlich von Frankfurt am Main gelegen, wurde anfangs noch ein Sommertag mit
über 25°C bereits um 11 Uhr MESZ erreicht. Durch die Kaltfront kam es am
Nachmittag zu einer Abkühlung um 6 Grad, sodass die Temperatur auf 19°C sank.
In der Nacht gab es in dieser Region dann auch wieder angenehmere Temperaturen,
wie zum Beispiel in Bonn bei 15,4°C. Der Wind verhielt sich aufgrund der
schwachen Ausprägung des Wirbels KOLETTA weitestgehend ruhig, nur in Schauer- und
Gewitternähe gab es stärkere Windböen. Am Bodensee beispielweise erhöhte sich
die Windgeschwindigkeit in Böen kurzzeitig auf Grund eines Regenschauers auf 80
km/h in Lindau.
In der
Nacht zum 02.08.2018 wurde es zwischen 02 und 05 Uhr MESZ dann nochmals turbulent.
Die erwartete starke Hebung, welche durch die Konvergenzlinie ausgelöst wurde, erstreckte
sich von der Prignitz bis zum Alpenvorland in Bayern und Baden-Württemberg. Entlang
der Konvergenzlinie traten immer wieder Gewitterwolken auf. In einem
dreistündigen Intervall wurden in der Nähe von Brandenburg an der Havel jeweils
in jeder Stunde über 20 mm registriert, hierbei kann bereits von einer
stärkeren Bodenerosion ausgegangen werden. Die höchsten Niederschlagsmengen am
gesamten Morgen waren über 100 mm an der soeben erwähnten Station. Weitere zu
erwähnende Niederschlagsmengen waren 61 mm im Havelland oder 54 mm an der Saale
in Hecklingen. Diese Niederschläge waren sehr bedeutend, weil vor allem im
Norden und auch in Sachsen-Anhalt eine anhaltende Trockenphase zumindest in
einigen Regionen unterbrochen wurde. Der Nachteil war natürlich, dass es sich
um teils konvektive Niederschläge mit starken Intensitäten handelte, sodass die
Feuchtigkeit nicht in den Boden infiltriert werden konnte und nur als
Oberflächenabfluss abfloss. Im Laufe des Tages löste sich Tief KOLETTA auf und
konnte somit nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.