Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
KOLLE
(getauft
am 15.08.2017)
Mitte
August befand sich östlich von Neufundland und südlich von Grönland in einer
Höhe von 5,5 km ein sogenannter Höhentrog. Am Boden lag ein zugehöriges
Tiefzentrum mit einem ausgedehnten Frontensystem, welches sich von Kanada über
den Atlantik bis nördlich der Azoren erstreckte. Da ersichtlich war, dass
dieser Wirbel das Wettergeschehen in Mitteleuropa beeinflussen sollte, wurde er
am 15. August 2017 von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte in der
Prognose für den Folgetag auf den Namen KOLLE getauft.
Am
16. August lag das Zentrum des Tiefdruckgebiets KOLLE über dem Atlantik, westlich
von Irland. Der Kerndruck betrug zu diesem Zeitpunkt knapp 995 hPa und das Tief
besaß eine rücklaufende Okklusion, die sich vom Kern westwärts über den
Nordatlantik zog. Unter einer Okklusion versteht man eine Mischfront, die
daraus entsteht, dass sich die Kaltfront schneller verlagert und dadurch nach
und nach die Warmfront einholt und sich beide Fronten am sogenannten
Okklusionspunkt zusammenschließen. Darüber hinaus zog sich eine Warmfront vom
Tiefkern in einem Bogen nach Süden bis einige Hundert Kilometer westlich der
Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel. Die Kaltfront beschrieb dagegen einen
weitläufigen Bogen über Südwesten und Westen, bis sie mittig über dem
Nordatlantik in eine Warmfront überging.
Bis
zum nächsten Tag verlagerte sich das Tief KOLLE unter Druckverminderung auf ca.
990 hPa über den Bereich zwischen Island und den Britischen Inseln. An der
Westseite des Zentrums begann eine Okklusion, die sich nördlich um den Kern und
die Färöer-Inseln zog, bis sie sich über den Shetland-Inseln in Kalt- und
Warmfront aufspaltete. Die Warmfront verlief nach Süden über London bis zur
französischen Biskaya-Küste. Die Kaltfront reichte südwestwärts über Edinburgh
und die Bretagne, bevor sie über dem Golf von Biskaya stärker nach Westen
drehte und erst über dem zentralen Nordatlantik in die Warmfront eines
nachfolgenden Tiefs überging. Auf den Satellitenbildern ist entlang der Fronten
des Wirbels KOLLE ein ausgedehntes Wolkenfeld erkennbar, welches sich über den
Britischen Inseln eindreht. In Zusammenhang mit der Warmfront der Zyklone KOLLE
fielen in der französischen Hafenstadt Brest bis zum Morgen des 17. August um
06 Uhr UTC, was 08 Uhr MESZ entspricht, innerhalb von 24 Stunden 23 l/m² Regen.
Durch die Kaltfront des Tiefs kamen besonders im Westen Großbritanniens hohe
Niederschlagsmengen zusammen, z.B. 17 l/m² in Manchester und 15 l/m² in
Plymouth. Zusätzlich befand sich innerhalb der Zirkulation des Tiefs KOLLE
südwestlich vom Kern ein Randtief über dem Nordatlantik, welches eine
Höhenokklusion mit Kaltfrontcharakter am Boden besaß, welche parallel zur
Kaltfront einige Hundert Kilometer weiter nördlich verlief.
Am
18. August befand sich das Zentrum des Wirbels KOLLE mit einem Druck von etwas
unter 995 hPa nahe den Färöer-Inseln. Die Okklusionsfront begann etwas entfernt
vom Kern an der Südostküste Islands und zog sich in einem Bogen über das
Europäische Nordmeer, bevor sie südostwärts über die norwegische Stadt Alesund und Oslo verlief. Über der schwedischen Region Smaland teilte sich die Okklusion in eine kurze Warmfront,
die ungefähr bis Frankfurt/Oder reichte und eine Kaltfront, die einen Bogen
nach Westen über die Ostsee beschrieb. Über dem deutsch-dänischen Grenzgebiet
verwellte die Kaltfront erstmalig, bevor sie sich bogenförmig weiter über
Westdeutschland und Frankreich zog. Nahe Paris verwellte die Kaltfront erneut
und reichte danach weiter nach Südwesten über den Golf von Biskaya bis über die
Azoren, wo sie erneut in eine nachfolgende Warmfront überging. Wellende Fronten
sind Deformationen im Druckfeld mit strömungsparallelen Luftmassengrenzen. Da
sich solche Systeme meist nur langsam verlagern, sind sie häufig mit
anhaltenden Niederschlägen verbunden. So konnten insbesondere in
Norddeutschland Niederschlagsmengen von deutlich über 10 l/m² registriert
werden. An der Station Ueckermünde kamen in 24 Stunden bis 06 Uhr UTC 15,8 l/m²
zusammen und bei Arkona waren es 18,5 l/m². Spitzenreiter war jedoch Greifswald
mit 37,9 l/m² im gleichen Zeitraum. Von dem tags zuvor noch vorhandenen
Randtief war an diesem Tag nur noch ein Rest des Frontensystems erkennbar,
welches über dem Nordkanal zwischen Großbritannien und Irland als Höhenokklusion
begann, über dem St.-Georgs-Kanal in eine Kaltfront überging und in einem Bogen
nach Südwesten über den Nordatlantik reichte. Bis zum nächsten Tag lösten sich
auch diese Ausläufer vollständig auf.
Am
19. August lag das Zentrum des Tiefs KOLLE mit etwas höherem Druck nur wenig
weiter südöstlich über den Shetland-Inseln. Auch an diesem Tag begann das
Frontensystem deutlich vom Kern entfernt. Nordöstlich von Island, nahe des
Polarkreises zog sich eine Okklusion bis nahe Jan Mayen und wechselte über dem
Europäischen Nordmeer in den Charakter einer Warmfront. Über dem
Skandinavischen Gebirge und dem Bottnischen Meerbusen verwellte die Front mehrmals,
bevor sie ab der Ostseeinsel Bornholm durchgängig Kaltfrontcharakter besaß.
Diese zog sich entlang der deutsch-polnischen Grenze nach Süden über Wien und
am Südrand der Alpen über Marseille, Valencia und Madrid bis über den
Nordatlantik hinaus. Durch die frontale Welle wurden erneut starke
Niederschläge induziert. Im Grenzbereich zwischen Subtropikluft vor und
maritimer Polarluft hinter der Front kam es darüber hinaus auch zu Gewittern
und teils unwetterartigen Regenfällen, wobei häufig über 20 l/m² in 24 Stunden
bis 06 Uhr UTC zusammenkamen. An der Station Berlin-Dahlem wurden zwischen 17:30
Uhr und 18:30 Uhr UTC durch starken Regen 20,5 l/m² gemessen. Dadurch wurde das
Niederschlagssoll für August an dieser Station bereits um 4% überschritten. Die
Jahresmenge summierte sich auf 605 l/m², zum Vergleich beträgt das 30-jährige
Mittel 589,2 l/m². Im Norden Berlins gab es beim Durchzug einer Gewitterzelle
am Nachmittag neben heftigem Starkregen auch Hagel. Dabei konnte an einer
privaten Wetterstation in Berlin-Frohnau innerhalb von 10 Minuten eine
Niederschlagsmenge von 10 l/m² erfasst werden. In Süddeutschland wurden beim
Luftmassenwechsel neben hohen Niederschlagsmengen von vereinzelt über 30 l/m²,
wie z.B. in Garmisch-Partenkirchen mit 33,2 l/m² und Kempten mit 38,9 l/m² in
24 Stunden bis 06 Uhr UTC, auch hohe Windgeschwindigkeiten registriert. Fürstenzell bei Passau meldete Orkanböen der Stärke 12 auf
der Beaufort-Skala und 44 l/m² innerhalb von nur 6 Stunden bis 00 Uhr UTC.
Bis
zum nächsten Tag verlagerte sich der Wirbel KOLLE mit seinem Zentrum, in dem
ein Druck von ca. 995 hPa herrschte, bis zur norwegischen Stadt Bodö. Vom Kern reichte eine Okklusion bogenförmig über
Schweden und Finnland, bis sie sich knapp südlich der Onega-Bucht in Kalt- und
Warmfront aufspaltete. Von dort verlief die Warmfront südostwärts, bis sie
wenig nordwestlich der russischen Stadt Perm in ein Frontensystem überging,
welches in die Zirkulation des Tiefs KOLLE aufgenommen wurde und deren
Ausläufer über Nordrussland bis an den Rand des Analysegebietes der Berliner
Wetterkarte reichten. Die Kaltfront der Zyklone KOLLE zog sich dagegen vom
Okklusionspunkt östlich an St. Petersburg vorbei über Minsk und ging kurz vor
den Karpaten in die Warmfront eines nachfolgenden Tiefs über. Bei der Verlagerung
des Frontensystems kam es erneut zu ergiebigen Niederschlägen, wobei besonders
in Österreich hohe Mengen zusammenkamen. Innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC
fielen in Innsbruck 23 l/m², in Salzburg 49 l/m² und in Klagenfurt sogar 68
l/m². In Polen machte sich auch der Wechsel der Luftmassen deutlich bemerkbar.
Konnten in trockener Subtropikluft am Vortag noch Temperaturwerte über 30°C
gemessen werden, stieg die Temperatur nach Durchzug der Front mit weiteren
Niederschlägen in der eingeflossenen maritimen Polarluft nur noch auf etwas
über 20°C an.
Durch
das über der russischen Wolga-Region gelegene Hochdruckgebiet LISA wurde die
Verlagerung des Tiefs KOLLE nach Osten blockiert, wodurch es eine nördlichere
Zugbahn einschlug. Dabei bildeten sich im Verlauf zwei Kerne mit einem Druck
von jeweils knapp 1000 hPa. Das Tief KOLLE I befand sich nahe Murmansk und
besaß eine rücklaufende Okklusionsfront, die sich südwestwärts über die Skanden
bis zur Breite von Trondheim zog. Über eine weitere Okklusion war der erste
Kern mit dem zweiten Zentrum KOLLE II verbunden, der über der Südinsel von Nowaja Semlja lag. Über Workuta
teilte sich die Okklusion in eine Warmfront, die sich bogenförmig über den Obbusen nach Süden über Russland und eine Kaltfront, welche
einen Bogen nach Westen beschrieb und südöstlich von Archangelsk in die
Warmfront eines nachfolgenden Tiefs überging. Nach wie vor kam es aufgrund der
unterschiedlichen Luftmassen entlang der Fronten der Zyklone zu Niederschlägen
und in Zusammenspiel mit dem Hoch LISA auch zu deutlichen
Temperaturgegensätzen. Im weiteren Verlauf zog das Tiefdrucksystem KOLLE jedoch
weiter ostwärts und damit aus dem Bereich der Berliner Wetterkarte hinaus und
konnte daher nicht weiter analysiert werden.
Geschrieben
am 03.11.2017 von Julia Sieland
Berliner
Wetterkarte: 17.08.2017
Pate:
Hartmut Köster