Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KURT
(getauft am 02.02.2017)
Am 2. Februar 2017 wurde ein Tiefdruckgebiet über
dem Nordatlantik auf den Namen KURT getauft. Es bildete sich als Wellentief an
einer über dem westlichen Nordatlantik ungefähr in West-Ost-Richtung
verlaufenden Luftmassengrenze. Zum Zeitpunkt seiner Taufe lag das Tief KURT mit
einem Kerndruck von etwas unter 1010 hPa ziemlich genau auf der halben Strecke
zwischen der Inselgruppe der Azoren und der kanadischen Insel Neufundland sowie
südlich der Südspitze von Grönland. Vom Zentrum des Wirbels KURT verlief eine
etwa 700 km lange Warmfront in südsüdöstlicher Richtung bis ungefähr auf die
gleiche geographische Breite der Azoren. Außerdem ging vom Kern der Zyklone
KURT eine in westsüdwestlicher Richtung verlaufende Kaltfront aus. Diese ging
südlich von Neufundland in die Warmfront eines mit seinem Zentrum außerhalb des
von der Berliner Wetterkarte liegenden und somit unbenannten Tiefdruckgebietes
über und erreichte etwa in der Region Washington D.C. das US-amerikanische
Festland.
Bis zum Morgen des Folgetages hatte sich das
Bodentief KURT entsprechend der Höhenströmung mit einem sogenannten
Kurzwellentrog nach Osten verlagert. Bei einem Kurzwellentrog handelt es sich
um einem Bereich tiefen Luftdrucks in höheren Luftschichten, jedoch ohne ein
abgeschlossenes Höhentief zu sein. Dieser ist eher kleinräumig und schnell
ziehend, was aber nicht heißt, dass es nicht zu intensiven Wettererscheinungen
kommen kann. Im Fall des Tiefdruckgebietes KURT, das sich auf unter 990 hPa
verstärkt hatte und sich nun etwa 500 km nordwestlich der Nordwestspitze der
Iberischen Halbinsel befand, waren die Auswirkungen in Form von Niederschlägen
vor allem in Portugal und im Nordwesten Spaniens zu spüren. Bei der Betrachtung
der 24-stündigen Niederschlagsmengen bis zum Morgen des 3. Februars fällt auf, daß in La Coruna in Spanien 24
l/m² zusammenkamen, während aus den portugiesischen Städten eher verhaltene
Summen, nämlich 0,7 l/m² aus Porto und 0,8 l/m²aus Faro,
gemeldet wurden. Dazu muß aber gesagt werden, daß bei den 24-stündigen Niederschlagsmengen teils noch die
Regengebiete des zuvor durchgezogenen Tiefdruckgebietes JÜRGEN mit in die
Messungen eingegangen sein können. Sowohl für die Regengebiete des Tiefs JÜRGEN
als auch für die Fronten des Tiefdruckgebietes KURT befand sich La Coruna möglicherweise in einer exponierteren
Lage als die beiden portugiesischen Städte. Im Nordwesten der Iberischen
Halbinsel kam es mit Annäherung sowie Durchzug der zum Tiefdruckgebiet KURT
gehörenden Fronten und durch einen zeitweise deutlich verstärkten Unterschied
zwischen hohem und tiefem Luftdruck, dem sogenannten Luftdruckgradienten, zu
teils schweren Sturmböen der Stärke 9 bis 10 auf der Beaufort-Skala, im Raum La
Coruna sogar vereinzelten orkanartigen Böen der
Stärke 11 mit Geschwindigkeiten bis 107 km/h. Südlich des Kerns des
Tiefdruckgebietes KURT, um den sich eine halbkreisförmig im Uhrzeigersinn
verlaufende Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und
Kaltfronteigenschaften, legte, befand sich der Okklusionspunkt. Einerseits
erstreckte sich von ihm aus eine entlang der Küste Nordwestspaniens und
Portugals verlaufende Warmfront. Andererseits war weiter westlich eine
Kaltfront zu sehen, die in südwestlicher bis westlicher Richtung bis knapp
südöstlich der Azoren zu verfolgen war und dort in die Warmfront des über dem
Atlantik liegenden Tiefs LEIV überging. Bis zum Mittag des 3. Februar kamen
6-stündig im Nordwesten Frankreichs gebietsweise zweistellige Regenmengen
zusammen. Die Meisten fielen vor allem in Frankreich für regnerisches und eher
sonnenscheinarmes Wetter bekannten Rostrenen in der
Bretagne mit 13,6 l/m². Im gleichen Zeitraum verstärkte sich der Wind vor allem
im Westen Frankreichs, wo es häufiger zu teils schweren Sturmböen sowie an der
Küste orkanartigen Böen kam. In exponierten Lagen am Atlantik wurde
stellenweise sogar die volle Orkanstärke mit Böen von 12 Beaufort gemessen, so
auf der Insel Ouessant mit 137 km/h, in Saint-Sauveur auf der Ile d’Yeu
mit 122 km/h und in Lege-Cap-Ferret auf dem Festland
an der Bucht von Arcachon mit ebenfalls 122 km/h. Die
in 1427 m Höhe liegende Wetterstation Iraty Orgambide im französischen Teil der Pyrenäen meldete eine
Spitzenwindgeschwindigkeit von 170 km/h. Vom Mittag bis zum Abend waren unter
anderem die Spitzenböen in Blois in der Region Centre-Val
de Loire mit 104 km/h, La Roche in der Region Pays de
la Loire mit 107 km/h und Nantes in der gleichen Region mit 113 km/h und
jeweils 11 Beaufort bemerkenswert. Am Abend des 3. Februars kam es an der
Wetterstation Needles Old Battery
vor der südenglischen Küste zu Orkanböen bis 120 km/h. In Nangis
südöstlich von Paris erreichte der Wind eine Spitzengeschwindigkeit von 104
km/h und damit orkanartige Böen. Der höchste 6-stündige Niederschlag in der
ersten Hälfte der Nacht zum 4. Februar fiel mit 23 l/m² im südschottischen Threave.
Bis zum 4. Februar hatte sich das Tief KURT bis
etwa zum nördlichen Ende der Irischen See verlagert. Der Kerndruck lag bei
unter 995 hPa. Vom Zentrum des Tiefdruckgebietes KURT ging eine zunächst in
südöstlicher Richtung verlaufende, über Großbritannien und die südliche Nordsee
sowie Belgien führende Okklusionsfront aus, die ungefähr über dem Gebiet der
Pfalz und Lothringen einen südlichen Kurs einnahm und über den südlichen
Oberrheingraben sowie die Westalpen bis ins Piemont reichte. Nordwestlich des
Kerns des Tiefdruckgebietes KURT lag zudem eine kurze, bis westlich der zu
Schottland gehörenden Inselgruppe der Inneren Hebriden verlaufende
Okklusionsfront. Wiederum ist es schwierig, die 24-stündig gefallenen
Niederschläge eindeutig dem Tief KURT zuzuordnen, denn nördlich und östlich war
weiterhin das Tiefdruckgebiet JÜRGEN mit seinen Fronten aktiv und südwestlich
des Tiefdruckgebietes KURT folgte der Wirbel LEIV ebenfalls mit Regengebieten.
Bis zum Abend des 4. Februars gab es innerhalb von 12 Stunden im Norden und
Westen Schottlands die kräftigsten Niederschläge mit stellenweise zweistelligen
Mengen. Der Ort Tyndrum verzeichnete mit 14,2 l/m²
den höchsten Wert.
Am 5. Februar war das Tiefdruckgebiet KURT zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Es befand sich mit einem Kerndruck von unter 980 hPa bei den Faröer-Inseln. Von dort führte eine im Uhrzeigersinn
verlaufende, zunächst einen verhältnismäßig engen Bogen beschreibende
Okklusionsfront bis zur Ostküste von Island, um weiter in sanfterem Bogen in
nördlicher bis nordöstlicher Richtung bis ungefähr 500 km südöstlich der Insel
Jan Mayen zu reichen. In der Folgezeit stellte sich, gegenüber dem in den Tagen
zuvor stärker vorhandenen Anteil an Kurzwellentrögen und relativ kleinräumigen
Bodentiefs, nun ein Kontrast zwischen dem großräumigen Tief NIKLAS über dem
östlichen Nordatlantik und dem über Nordosteuropa liegenden, ebenfalls relativ
großflächigen Hochdruckgebiet ERIKA ein.
Geschrieben am 29.03.2017 von Heiko Wiese
Berliner Wetterkarte: 06.02.2017
Pate: Kurt Widemann