Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KURT
(getauft am 21.01.2015)
Am 21. Januar 2015 wurde ein Tiefdruckgebiet
östlich der kanadischen Halbinsel Labrador auf den Namen KURT getauft. Es hatte
sich über dem Osten Kanadas analog zu einem kräftigen Höhentief gebildet. Zum
Zeitpunkt der Taufe befand sich das Zentrum des Tiefdruckgebietes KURT mit
einem Kerndruck von unter 975 hPa über der Ostküste von Labrador. Von dort
verlief eine Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften,
bis etwa 200 Kilometer weiter östlich. Dort zweigte eine Kaltfront ab, die
südöstlich der kanadischen Insel Neufundland und einige Hundert Kilometer bis
vor der Küste der Neuenglandstaaten der USA verlief, etwa in Höhe des
US-Bundesstaates North Carolina auf das nordamerikanische Festland traf und
dort das auf der Berliner Wetterkarte dargestellte Gebiet verließ. Der
Okklusionspunkt der Zyklone KURT befand sich etwa 500 km südlich der Südspitze
Grönlands. Dort zweigte eine weitere Kaltfront ab, die sich östlich der zuvor
angesprochenen Kaltfront über den zentralen und westlichen Nordatlantik
erstreckte und ungefähr auf halbem Wege zwischen den Inselgruppen der Azoren
und der Bermudas das auf der Berliner Wetterkarte dargestellte Gebiet verließ.
Außerdem zog sich vom Okklusionspunkt eine Warmfront in südöstlicher bis
südlicher Richtung. Diese ging etwa 500 km westlich der Azoren in eine
Kaltfront über, die zum Tiefdruckgebiet JAN, genauer zum Teiltief JAN III mit
Kern zwischen der südspanischen Küste und Nordafrika, gehörte. Zwischen dem
Azorenhoch und dem Tiefdruckgebiet KURT herrschte am Boden und in höheren
Luftschichten eine kräftige südwestliche bis westliche Strömung. Diese war auch
im Warmsektor des Wirbels KURT, also im von der Warmfront und den Kaltfronten umschlossenen
Bereich, gut anhand der Isobarendrängung bzw. deren Richtung zu erkennen. Die
Isobaren sind die Linien gleichen Luftdrucks.
Mit der südwestlichen bis westlichen Strömung
verlagerte sich das Tiefdruckgebiet KURT bis zum Morgen des Folgetages bis zum
Seegebiet zwischen der Ostküste Südgrönlands und Island. Das Zentrum des
Tiefdruckgebietes KURT befand sich nun mit einem Kerndruck von unter 985 hPa
südöstlich des Ortes Angmagssalik, auch unter dem
Namen Tasiilaq bekannt, der an der grönländischen Ostküste
knapp südlich des Polarkreises liegt. Vom Zentrum der Zyklone KURT verlief eine
Okklusionsfront bis zum Westen Islands und weiter in südsüdöstlicher Richtung
bis zum Okklusionspunkt, der etwa 700 km westlich von Irland lag. Dort traf
eine Warmfront, die ungefähr in südlicher Richtung bis etwa 600 km westlich der
Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel verlief, auf eine Kaltfront. Diese
erstreckte sich in südwestlicher Richtung bis ungefähr 1200 km nordwestlich der
Azoren, wo der Übergang zu einer Warmfront erfolgte, welche etwa weitere 1500
km nach Südwesten reichte. Westlich des Zentrums des Wirbels KURT waren
weitere, unbenannte Tiefdruckgebiete und deren zugehörige Fronten aktiv.
Bis zum Morgen des 23. Januar summierte sich der
Niederschlag auf der Insel Jan Mayen in der Grönlandsee nordöstlich von Island
auf 3 l/m² in 24 Stunden auf. Im gleichen Zeitraum wurde mit 10 l/m² in
Thorshavn auf den Faröer-Inseln ein mehr als dreimal
so hoher Niederschlagswert registriert. Das Zentrum des Tiefdruckgebietes KURT
hatte sich nur wenig nach Osten bis Nordosten verlagert und konnte mit einem
wieder etwas tieferen Kerndruck von knapp 975 hPa etwas östlich des Ortes Angmagssalik an der ostgrönländischen Küste analysiert
werden. Die zugehörigen Fronten zogen weiter nach Osten und brachten Niederschläge
im äußersten Nordwesten Europas.
Wie die 24-stündigen Niederschlagsmengen bis zum
Morgen des Folgetages aber zeigen, hatte der Wirbel KURT mittlerweile auch
Einfluss auf die Britischen Inseln, Teile von Skandinavien sowie West- und
Mitteleuropas. Während in Thorshavn weitere 8 l/m² zusammenkamen, stauten sich
die feuchten Luftmassen von Westen kommend über der
norwegischen Hafenstadt Bergen und brachten dort mit 15 l/m² fast doppelt so
viel Niederschlag. In Stornoway auf den zu Schottland gehörenden Äußeren
Hebriden summierte sich der Niederschlag auf 7 l/m² auf, in der
niederländischen Küstenstadt Den Helder kamen 9 l/m² zusammen und im
westfranzösischen Brest fielen immerhin 4 l/m². Auf Jan Mayen wurde lediglich eine
Summe von 0,7 l/m² gemessen. Diese Wetterstation befand sich mittlerweile im
Bereich des Zentrums des Tiefdruckgebietes KURT, wo der Kerndruck etwas unter
980 hPa betrug. Von dort verlief eine Warmfront ungefähr parallel zur Ostküste
von Grönland nach Norden bis auf die Höhe des nördlichen Teils der Inselgruppe
Spitzbergen, wo die Warmfront weiter nach Osten verlief. Zwischen Spitzbergen
und der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja ging die Warmfront in eine
Kaltfront über, die sich bis zur Karasee vor der nordrussischen Küste erstreckte
und dann den von der Berliner Wetterkarte abgebildeten Bereich verließ. Vom
Tiefdruckzentrum des Wirbels KURT ging außerdem eine bogenförmige
Okklusionsfront aus, die zunächst nach Südosten bis Süden entlang der südlichen
Westküste Norwegens führte, weiter in südlicher bis südwestlicher Richtung die
Nordsee überquerte und ab der Bucht The Wash über die ostenglische Küste verlief, wo sich ihr
Okklusionspunkt befand. Von dort führte eine Warmfront über den Süden Englands,
den Ärmelkanal und die Bretagne bis zum Golf von Biskaya. Etwas weiter westlich
folgte eine Kaltfront, die vom Okklusionspunkt über den Süden Englands, den
westlichen Ärmelkanal und weiter in westlicher Richtung bis ungefähr 800 km
nordwestlich der Iberischen Halbinsel reichte. Dort bestand der Anschluß zu einer Warmfront, die zum Tiefdruckgebiet
LEONHARD mit Kern östlich von Labrador und südlich von Grönland gehörte.
In der südwestschwedischen Hafenstadt Göteborg kam
bis zum Morgen des 25. Januar eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 9 l/m²
zusammen. Das rheinland-pfälzische Andernach war mit 7,2 l/m² der Ort mit der
höchsten Niederschlagsmenge innerhalb Deutschlands. Oft fiel der Niederschlag
in tiefen und mittleren Lagen als Regen, wobei er mancherorts aufgrund des
kalten Bodens gefror und somit zu Glätte führte. In höheren Lagen, teils aber
auch im Tiefland, schneite es zeitweise. Auf ihrem Weg nach Osten schwächten
sich die Fronten des Tiefdruckgebietes KURT ab, so dass beispielsweise in
Berlin-Dahlem, wo die Okklusionsfront in der Nacht zum 25. Januar durchzog,
keine messbare Niederschlagsmenge festgestellt wurde. Da aber die Luft sowohl
in der Höhe als auch am Boden in Berlin-Dahlem ausreichend kalt war, fiel der
leichte Niederschlag als Schnee. Mit dem Durchgang der Okklusionsfront war die
Luft dort fast vollständig mit Feuchtigkeit gesättigt, so dass die Untergrenze
der hochnebelartigen Bewölkung zwischenzeitlich nur noch bei 90 m lag und die
Sichtweite auf 3,5 km zurückging. Der Wind drehte in Berlin-Dahlem hinter der
Okklusionsfront von südwestlichen bis westlichen auf westliche bis
nordwestliche Richtungen. Damit wurde die zuvor analysierte Luftmasse xP, also ursprünglich nordeuropäische Subpolarluft, von
maritimer Subpolarluft, als mP gekennzeichnet,
abgelöst. Das Zentrum des Tiefdruckgebietes KURT positionierte sich an diesem
Tag mit einem Kerndruck von unter 990 hPa nördlich von Jan Mayen und
südwestlich von Spitzbergen vor der Ostküste Grönlands weit in arktischen
Breiten ungefähr 700 km nördlich des Polarkreises. Ungefähr auf halber Strecke
zwischen Jan Mayen und dem Nordkap an der Nordspitze von Norwegen wurde außerdem
ein weiterer Tiefdruckkern analysiert, wodurch das System KURT eigentlich aus
zwei Teiltiefs bestand. Vom weiter nördlich gelegenen Tiefdruckzentrum zog sich
eine Warmfront in östlicher bis nordöstlicher Richtung und überquerte
Spitzbergen. Außerdem ging vom nördlich gelegenen Tiefdruckzentrum eine
Okklusionsfront aus, die hauptsächlich in höheren Luftschichten zu erkennen
war. Sie verlief über das südlich gelegene Tiefdruckzentrum, wo der Kerndruck
bei unter 995 hPa lag, um ab den Bereich der nordnorwegischen Stadt Tromsö über das Festland zu verlaufen. Von dort führte die
Okklusionsfront weiter über den Norden und Osten Schwedens, die Ostsee sowie
ungefähr entlang der deutsch-polnischen Grenze und über den Westen Tschechiens
bis über das westliche Bayern. Dort ging sie in eine Okklusionsfront über, die
zu einem unbenannten Tiefdruckgebiet südlich von Frankreich und westlich der
französischen Insel Korsika gehörte.
Am 25. Januar war das Tiefdruckgebiet KURT zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
In den nächsten Tagen bestimmte im Wesentlichen das Tiefdruckgebiet LEONHARD
das Wettergeschehen über Nordeuropa.
Geschrieben
am 18.02.2015 von Heiko Wiese
Berliner
Wetterkarte: 25.01.2015
Pate:
Kurt Richter