Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet LAURITZ
(getauft am 22.11.2015)
Anfang der dritten
Novemberdekade entwickelte sich über dem mittleren Nordatlantik über dem
relativ warmen Meereswasser ein Tiefdruckgebiet, welches am 22.11.2015 auf den
Namen LAURITZ getauft wurde. Das Tief LAURITZ, mit einem minimalen Kerndruck
von ca. 1008 hPa, trennte zwei einerseits über Neufundland und andererseits
über dem östlichen Nordatlantik liegende Hochdruckgebiete voneinander. Die sich
entwickelnde Zyklone LAURITZ besaß eine in einem Bogen erst nach Nordosten und dann
weiter vom Kern entfernt nach Südosten gerichtete Warmfront sowie eine recht
kurze Kaltfront, die nach Süden orientiert war und in die Warmfront eines
kleinen Randtiefs überging. In der Höhenwetterkarte von 500 hPa, was etwa einer
Höhe von 5,5 km entspricht, war von dem Bodentief LAURITZ, wie am Anfang der
Entstehung eines Tiefdruckgebiets üblich, noch kein Höhentief zu finden. Jedoch
war eine starke südwestliche Höhenströmung vorhanden, die das Tief LAURITZ
rasch nach Nordosten bewegte. So erreichten am Abend die Fronten Island, wo um
22 Uhr MEZ 19 mm in Vestmannaeyjar gemessen wurden.
Bis zum Folgetag um
01 Uhr MEZ hatte sich die Zyklone LAURITZ stark vertieft und war bereits über
der Dänemarkstraße mit einem Kerndruck von etwa 974 hPa zu finden. Die
Okklusion, eine Mischfront aus Warm- und Kaltfront, lag zu diesem Zeitpunkt
bereits mitten über Island und spaltete sich wenig südlich der Vulkaninsel in
eine weiter nach Osten gerichtete Warmfront und eine weiter westlich liegende
Kaltfront auf. Um 10 Uhr MEZ wurden innerhalb von 3 Stunden an der im Bergland
auf rund 600 m gelegenen isländischen Station Hveravellir
Sjalfvirk Stoed 84 mm
Niederschlag gemessen. Diese Niederschläge wurden neben dem Frontensystem auch
durch die rückseitigen Schauer erzeugt. Da auf der Rückseite der Kaltfront die
Strömung auf nördliche Richtungen drehte, gelangten kalte Luftmassen am Boden,
vor allem aber in der Höhe nach Island. Weil diese aber zunächst über den
wesentlich milderen Atlantik strömte, entstand somit ein starker
Temperaturunterschied zwischen Boden und den höheren Luftschichten. Deshalb
muss die Luft aufgrund der geringeren Dichte wärmerer Luft aufsteigen, was zur
Kondensation und bei ausreichend Feuchtigkeit zur Niederschlagsbildung führt. Werden
diese tief hängenden Wolken durch orographische Effekte wie die Gebirge auf
Island gehoben, regnen sie sich zusätzlich ab. Die besagte Station liegt im
Luv, der windzugewandten Seite, eines isländischen Gletschers, des Hofsjökull, weshalb die Bedingungen für Stauniederschlag
erfüllt waren. Zum gleichen Zeitpunkt wurde in der Hauptstadtregion um
Reykjavik 5 bis 17 mm Regen gemessen. Auf der Ostseite der Insel, der Leeseite,
gab es bis zum Abend wesentlich weniger Niederschlag mit meist unter 2 mm.
Am 24.11. um 01 Uhr
befand sich das Tiefdruckgebiet LAURITZ über dem Seegebiet zwischen Island und
der norwegischen Insel Jan Mayen knapp nördlich des Polarkreises mit einem
Kerndruck von knapp unter 970 hPa, womit in etwa der Höhepunkt der Entwicklung
erreicht war. Das Frontensystem war fortschreitend okkludiert, da die Kaltfront
sich schneller verlagert als die Warmfront und diese im Laufe einer
Zyklonenentwicklung im Allgemeinen einholt. Die Okklusion reichte vom Kern in
einem Bogen bis vor die norwegische Westküste sowie über die Nordsee, ehe sie
sich vor der englischen Küste in eine nach Cornwall und weiter über den
Atlantik reichende Warmfront und eine über Wales ebenfalls über den Atlantik
reichende Kaltfront aufspaltete. In Großbritannien konnten am Morgen um 07 Uhr
MEZ 24-stündige Niederschlagssummen von etwa 4 bis 12 mm registriert werden.
Besonders viel regnete es im schottischen West Freugh
mit 15 mm und im walisischen Capel Curig mit 16 mm.
Auch an der Westküste Norwegens fiel Niederschlag. Im gleichen Zeitraum wurde in
Afjord Ii in der Nähe von Trondheim 19 mm oder in der
Nähe der weiter südlich gelegenen Stadt Bergen in Takle 18 mm Niederschlag
gemessen. Mit Annäherung der Front stieg die Temperatur im norwegischen
Binnenland stark an. Abgesehen von den durch das warme Wasser des Atlantiks
erwärmten unmittelbaren Küstenstreifen, war am Vortag schon wenige Kilometer
von der Küste entfernt teils mäßiger Frost aufgetreten. Durch die Heranführung
milderer Luftmassen erhöhte sich die maximale Temperatur beispielsweise in Oslo
von -2°C am Vortag auf 5°C. Im gesamten südlichen Teil Norwegens wurden etwa 2
bis 5 Grad höhere Maxima als noch tags zuvor gemessen. Das Gegenteil war auf
Island auf der Rückseite des Tiefs LAURITZ der Fall, dort floss weiter kühlere
Luft ein, die die Maxima gegenüber dem Vortag zumindest im Bergland und auf der
Ostseite der Insel fallen ließen. Im Bergland in Karahnjukar
ging die maximale Temperatur von 0 auf -5°C zurück, ebenso im küstennahen Vopnafjordur im Nordosten der Insel von 6°C am Vortag auf
0°C.
Das Tiefdruckgebiet
LAURITZ befand sich am 25.11. um 01 Uhr MEZ nördlich des Polarkreises über dem
Europäischen Nordmeer wenig östlich der Insel Jan Mayen und besaß einen
minimalen Luftdruck von etwa 974 hPa. Dabei reichte eine Okklusion in einem
großen Bogen bis an die norwegisch-russische Grenze, bevor sie sich weiter nach
Süden bis über die Pyrenäen erstreckte, wo sie sich in eine kurze Warmfront,
die etwa bis nach Mallorca reichte und eine Kaltfront, die bis in den Norden
Spaniens reichte, aufteilte. Dabei verwellte die Okklusion im Lee des
Norwegischen Gebirges und bildete dort ein kleines Teiltief, was die
Niederschläge intensivierte. Außerdem spaltete sich von der Okklusion ganz im
Norden eine Warmfront ab, die etwa über Spitzbergen weiter nach Nordosten
reichte. In 24 Stunden fielen bis zum 25.11. um 07 Uhr MEZ beispielsweise in
der Region um Oslo 13 bis 17 mm Regen, auch weiter südlich in der Umgebung der
schwedischen Stadt Göteborg gab es im gleichen Zeitraum 23 mm Regen. Im
Bergland fiel dagegen der größte Teil des Niederschlags als Schnee, in Fagernes/Leirin wurden 26 mm Niederschlag registriert. Auch
auf Deutschland griff die Front in der Nacht über, so meldete Bodelum in Nordfriesland bis 07 Uhr MEZ 15 mm, die Station
Bernau im Schwarzwald 18 mm und Lindlar in Nordrhein-Westfalen 15 mm
Niederschlag, der nicht nur als Regen fiel. Über Deutschland lag vor dem
Durchgang der Okklusion Polarluft. Bevor die Front durch maritime Luftmassen
Milderung brachte, kam es an der Front zum Aufgleiten und somit zu Schneefällen,
teils bis in die Niederungen. Dabei blieb der teils fallende Schnee oder
Schneeregen in der Norddeutschen Tiefebene nicht liegen, anders jedoch in den
Mittelgebirgen und in Bayern. In der Region Nürnberg wurde um 07 Uhr 2 cm
Neuschnee gemeldet, im östlichen Baden-Württemberg teils bis zu 4 cm. In den
Mittelgebirgen meldete die Station Todtmoos im Südschwarzwald 19 cm mehr Schnee
als tags zuvor, im Sauerland bis zu 11 cm. Bis zum Abend kam die Front weiter
nach Osten voran und drängte die kälteren Luftmassen zunehmend ab. Trotz dessen
bestand in den Maximaltemperaturen ein erhebliches Nordwest-Südost-Gefälle in
Deutschland. Während an der Nordsee maximal 9°C erreicht wurden, konnte in
einigen Tälern im Bayerischen Wald ein Eistag verzeichnet werden, wofür die
Temperatur nicht über den Gefrierpunkt steigen darf.
Bis zum Folgetag um
01 Uhr MEZ hatte sich das Tiefdruckgebiet LAURITZ nur wenige Kilometer
nordöstlich verlagert und lag immer noch über dem Europäischen Nordmeer mit
einem Kerndruck von etwa 979 hPa. Dabei wies die Zyklone LAURITZ eine Okklusion
auf, die etwa bis nach Lappland reichte. Ab diesem Punkt südwärts hatte die
Okklusion vorwiegend Warmfrontcharakter und endete etwa bei Berlin. Während die
Nacht in Deutschland abgesehen von den Mittelgebirgen mit 0 bis 4°C als
Tiefstwert weitgehend frostfrei verlief, war die Situation östlich und nördlich
davon ganz anders. Im ostpolnischen Kielce wurden vor der Front minimal -8°C gemessen,
in der Hohen Tatra bis zu -12°C und in der östlichen Slowakei noch bis zu -7°C.
Aber auch rückseitig der Front fiel die Temperatur bei klarem Himmel und Schnee
in den gebirgigen Flächen Norwegens und Schwedens stark ab. In Drevsjo wurde minimal -19°C, in Folldal-Fredheim
-18°C und in Lappland bis zu -16°C in Nikkaluokta
gemessen. Durch die fehlende Wolkendecke konnte sich die Luft besonders stark abkühlen,
zumal die maritimen Luftmassen durch das Skandinavische Gebirge ferngehalten
wurden. Im Frontbereich in Finnland und dem Süden Schwedens verlief die Nacht
jedoch zu einem großen Teil ohne Frost. Tagsüber konnte zumindest im nördlichen
Teil Schwedens meist leichter Dauerfrost gemessen werden. Dabei zeigte sich
dort ebenso wie in Finnland der Effekt der deutlich negativen Strahlungsbilanz
durch die sehr kurzen Tage mit schwacher Sonneneinstrahlung, was zu einer
Abkühlung der ehemals milderen Meeresluft führte. In dieser Region ging die
Temperatur im Vergleich zum Vortag um durchschnittlich 2 bis 3 Grad zurück. Ganz
im Westen Skandinaviens führte Warmluftadvektion,
also die horizontale Zufuhr wärmerer Luftmassen, des neuen Tiefs MICHEL
hingegen zu ansteigenden Temperaturen.
Am 27.11. um 01 Uhr
war das Zentrum des Tiefs LAURITZ mit etwa 964 hPa an nahezu unveränderter
Position zum Vortag zu finden. Dabei hatte sich der Wirbel LAURITZ jedoch
keinesfalls verstärkt, sondern gelangte lediglich in den direkten Einfluss des
nur wenig südöstlich ziehenden Tiefs MICHEL. In der Höhe sorgte das für eine
sogenannte Zonalisierung der Strömung, das bedeutet, dass der Wind stärker
wurde und aus einer westlichen Richtung wehte. Dies verlagerte die Okklusion
von Tief LAURITZ deutlich nach Osten. Sie lag über der Barentssee und führte von
dort aus als Warmokklusion weiter nach Süden über St. Petersburg bis über das
Baltikum und Ostpolen. Die stärkere Höhenströmung im nördlichen Teil erklärt
auch, warum sich die Front im südlichen Teil deutlich weiter westlich befand.
Knapp westlich des südlichen Teils der russischen Insel Nowaja Semlja spaltete
sich eine Warmfront ab, die weiter nach Südosten verlief und im europäischen
Teil Russlands für Schneefälle mit etwa 2 mm sorgte. Um 01 Uhr zeigten sich vor
und hinter der Warmfront deutliche Temperaturunterschiede. So wurde davor etwa
-10 bis -15°C gemessen, hinter der Front konnte leichter Frost registriert
werden, ehe die Warmokklusion positive Temperaturen brachte.
Schon zum
Mittagstermin um 13 Uhr war das Tief LAURITZ so schwach, dass es am Folgetag
nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.
Geschrieben am
15.02.2016 von Dustin Böttcher
Berliner
Wetterkarte: 25.11.2015
Pate: Lauritz
Hannes