Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet LEIF
(getauft am 20.08.2017)
Zum Ende
der zweiten Augustdekade formierte sich über dem Nordatlantik ein neues Tief.
Es entstand aus dem Zusammenschluss des Ex-Tropensturms GERT mit einem Tief
arktisch-kanadischen Ursprungs, welche am 18. und 19.08. westlich von
Neufundland aufeinandertrafen.
Am Morgen
des 20. August wurde das bis dato noch namenlose Tief mit einem Luftdruck von
knapp unter 1000 hPa bereits über dem mittleren Nordatlantik analysiert, wobei
sich die Ausläufer in Form einer Warmfront bis über das Seegebiet westlich der
Britischen Inseln bzw. als Kaltfront bis über den subtropischen Westatlantik
erstreckten. Noch im Tagesverlauf erreichte die Warmfront mit leichten bis
mäßigen Regenfällen Großbritannien und Irland. Dabei wurden zwischen 06 und 18 Uhr
UTC über Irland, Wales und dem Süden Englands Regenmengen von meist 5 bis 10
l/m², stellenweise auch bis zu 18 l/m² an der westirischen Küste gemessen. Das
Kürzel UTC steht für Universal Time Code, bzw. Weltzeit und entspricht der
Mitteleuropäischen Sommerzeit abzüglich 2 Stunden. Für den weiteren Verlauf
wurde prognostiziert, dass das Tief mit seinen Ausläufern bald schon auf Mitteleuropa
übergreifen sollte. Daher erhielt es am 20.08. in eben jener Prognose den Namen
LEIF.
In der
Nacht zum 21.08. setzten sich die Regenfälle vor allem über dem Süden und
Westen Großbritanniens mit ähnlicher Intensität fort. Dabei regnete es
beispielsweise in London-Heathrow 6 l/m² und im südenglischen Brighton 16 l/m²
in 12 Stunden. Zeitgleich befand sich Tief LEIF mit Kern noch über dem
Nordatlantik, etwa 1300 km südlich von Island und 1200 km westlich der
Britischen Inseln, wobei der niedrigste Luftdruck bei wenig unter 1010 hPa lag.
Der Wirbel war bereits teilweise okkludiert, d.h. Warm- und Kaltfront sind in
der Nähe zum Zentrum zusammengelaufen. Vor der irischen Küste spalteten sich
die Ausläufer auf, die Warmfront reichte südwärts über Großbritannien hinweg
bis nach Frankreich, die Kaltfront dagegen südwestwärts über den Ostatlantik
bis über das Seegebiet der Azoren.
Das Tief LEIF
zog an den folgenden 4 Tagen ohne nennenswerte Druckänderung langsam weiter ostwärts
Richtung Britische Inseln, was sich in erste Linie durch viele Wolken, aber
zunächst kaum Niederschläge bemerkbar machte. Nur in einem begrenzten Bereich
um den Okklusionspunkt herum, der sich vom Westen Irlands bis zum 22. August
nach Schottland verlagerte, fiel stärkerer Regen. Zwölfstündige Messungen
registrierten etwa am 21.08. tagsüber 15 l/m² im nordwestirischen Charlestown, in der sich anschließenden Nacht weitere 23
l/m² im nordirischen Bellmullet, am 22.08. in
Nordirland an der Station Logh Fea
39 l/m² und schließlich in der Nacht zum 23.08. in Glasgow 23 l/m². Punktuell
wurden aber durchaus noch höhere Niederschlagsmengen ermittelt, beispielsweise
vor der westschottischen Küste mit 50 l/m² auf Tiree
Island oder gar 72 l/m² auf South Uist. Zum
Vergleich, die durchschnittliche Niederschlagsmenge liegt in Glasgow im August
bei 95 l/m².
Über dem
europäischen Festland waren die Auswirkungen von Tief LEIF dagegen noch kaum zu
spüren. Allenfalls der Norden Frankreichs wurde zeitweilig von kompakteren
Wolkenfeldern überquert, wobei nur geringer Niederschlag fiel. Zum Beispiel
fielen in der Nacht zum 21.08. in Paris Le Bourget 0,2 l/m². Ursache dafür war
ein vorübergehend kräftiges Hochdruckgebiet mit Namen NILÜFER über West- und
Mitteleuropa, welches die Tiefdruckaktivität hier dämpfte.
Erst am
23. August hatte sich der Hochdruckeinfluss soweit abgeschwächt, dass die
Kaltfront vom Atlantik aus über die Britischen Inseln und Teilen Frankreichs
zog. Die damit einhergehenden Regenschauer brachten meist 2 bis 5 l/m² Regen in
12 Stunden, örtlich fiel auch deutlich mehr wie beispielsweise 26 l/m² in York.
Über dem Süden Englands, wie auch der Bretagne und der Normandie blieb es
dagegen zumeist trocken.
Bis zum
Morgen des 24. August hatten die Ausläufer in Form der Okklusion die Britischen
Inseln überquert und waren weiter östlich bis zu den Benelux-Staaten und dem
Rheinland vorgedrungen. Ferner hatten Wolkenfelder mit der Warm- und Kaltfront auch
den Süden Deutschlands erreicht bzw. erstreckten sich quer über Frankreich als
lang gezogenes Wolkenband. Mit dem Übergreifen des Frontensystems hatten sich
in der Nacht zwischen Holland und Niedersachsen Schauer- und Gewitter gebildet,
die z.B. im Raum Hannover bis zu 12 l/m² brachten. Tagsüber löste sich die
Schauerkette mit weiterer Ostverlagerung jedoch weitgehend auf, lediglich in
Helmstedt wurden mit 23 l/m² noch größere Regenmengen verzeichnet. In Magdeburg
fielen nur noch 3 l/m², in Berlin, wie in den meisten anderen Teilen
Deutschlands, blieb es dagegen trocken.
Postfrontal
gelangte durch Tief LEIF kühle Meeresluft nach Nordwesteuropa. So stiegen die
Temperaturen auf den Britischen Inseln auf Werte um 20°C, wie in London mit 22°C
oder in Liverpool mit 19°C. Bis 24°C warm wurde es in den Benelux-Staaten und im
Westen Deutschlands, wobei Köln und Brüssel je 24°C sowie Amsterdam 22°C
meldeten.
Unterdessen
spaltete sich Tief LEIF in zwei Kerne auf, wobei sich ein neues Zentrum im
Bereich der über die Nordsee Richtung Skandinavien vordringenden
Okklusionsfront bildete. So sorgte leichter Luftdruckfall zwischen Dänemark,
Südnorwegen und -schweden für zeitweiligen, wenn auch nur schwachen Regen. Bis
zum Abend wurden 12-stündlich meist nur wenige Liter oder Zehntel Liter pro
Quadratmeter gemessen, zum Beispiel in Stavanger 5 l/m², in Oslo 2 l/m² oder in
Kopenhagen 0,1 l/m². Nachts verstärkten sich jedoch die Regenfälle im Umfeld
von Tief LEIF II über Südskandinavien, und in Oslo fielen beispielsweise
weitere 6 l/m², in Uppsala sogar 15 l/m².
Am frühen
Morgen des 25. August wurde die Zyklone LEIF schließlich mit zwei Zentren im
Bodendruckfeld analysiert. Während das ursprüngliche Tief LEIF I mittlerweile
bis über das Seegebiet nordwestlich der Britischen Inseln gezogen war, befand
sich der sich neu ausgebildete Kern des Tiefs LEIF II über dem Skagerrak. Beide
Kerne, mit einem Luftdruck von etwas unter 1010 hPa, waren durch eine lang
gezogene Okklusion miteinander verbunden, die weiter südostwärts bis nach Polen
reichte. Von hier aus erstreckten sich die Ausläufer entlang der Alpen bis nach
Südfrankreich, wo sich an der Luftmassengrenze, etwa über Aquitanien, ein neues
Tief gebildet hatte. Mit diesem Tief kam es in den folgenden Stunden zu einer
Belebung der Niederschlagsaktivität nicht nur über Frankreich, sondern auch
über dem südlichen Mitteleuropa. Tief LEIF hingegen sorgte vor allem über den
Britischen Inseln sowie in Südskandinavien und im Baltikum, wohin sich der
zweite Tiefdruckkern verlagerte, für weiteren Regen und Regenschauer. Dabei
wurden bis zum Abend innerhalb eines 12-stündigen Messintervalls recht unterschiedliche
Regenmengen beobachtet. Zum Beispiel regnete es in Belfast 10 l/m², in Glasgow
nur 2 l/m². St. Petersburg meldete ebenfalls 2 l/m², aber in Tallinn fielen 9
l/m². An der südschwedischen Wetterstation Ullared
wurden sogar 16 l/m² gemessen, während es in Kopenhagen trocken blieb.
Auf
Mitteleuropa hingegen hatte Tief LEIF kaum noch Auswirkungen. Zeitweise
kompaktere Wolkenfelder im Zusammenhang mit der Okklusionsfront zogen rasch
ostwärts Richtung Russland ab. Die postfrontal nach Deutschland und Polen
einfließende Meereskaltluft hatte sich mittlerweile erwärmt, sodass im Vergleich
zum Vortag keine größeren Temperaturänderungen beobachtet wurden. Die
Höchstwerte lagen z.B. in Amsterdam bei 22°C, in Hamburg bei ebenfalls 22°C, in
Berlin zwischen 22 bis 23°C und in Warschau bei 24°C.
Am frühen
Morgen des 26.08. befand sich Tief LEIF II mit Zentrum bereits über dem
Leningrader Gebiet, hier wurde um 00 Uhr UTC ein Luftdruck von 1004 hPa
gemessen. Die Zyklone hatte sich mitsamt seiner Ausläufer
einem umfangreichen Tiefdruckkomplex über Nordosteuropa angeschlossen. Diese
neuen Impulse sorgten im Tagesverlauf für eine Belebung der
Niederschlagsaktivitäten zwischen Finnland, Karelien und dem Moskauer Raum.
Durch den russischen Wetterdienst wurden dabei zwischen 03 und 15 Uhr UTC in Uglitsch 8 l/m², in Petrosawodsk 7 l/m² und in Tscherepowez
16 l/m² gemessen. Nachts breitete sich das mit dem Randtief verknüpfte
Niederschlagsgebiet bei anhaltender Intensität langsam nordostwärts aus. Dabei
fielen in Wologda, nördlich von Moskau, weitere 7 l/m², in Archangelsk waren es
bis zu 14 l/m².
Unterdessen
hatte sich das ursprüngliche Tief LEIF I über der Nordsee bis zum Ende des
Tages allmählich aufgelöst. In seinem Umfeld war es nur noch vereinzelt zu
leichten Schauern gekommen, die in Inverbervie 4 l/m²
und in Glasgow nur noch 1 l/m² brachten.
Folglich existierte
in den Frühstunden des 27. August von Tief LEIF nur noch ein Kern über Nordwestrussland,
der mit einem Luftdruck von knapp unter 1000 hPa über dem Raum Archangelsk
analysiert wurde. Die Zyklone verschob sich in den folgenden Stunden und Tagen
langsam weiter ostwärts über Nordrussland hinweg in Richtung Nordural. Dabei
konnten sich die Regenfälle vor allem am 27.08. vorübergehend verstärken. So
wurden beispielsweise im Raum Archangelsk tagsüber bis zu 34 l/m² in 12 Stunden
an der Station Mudjug gemessen und in der sich
anschließenden Nacht weitere 30 l/m² in Pinega,
östlich von Archangelsk. Auch am 28. August regnete es über Nordwestrussland
noch verbreitet, allerdings blieben die 12-stündigen Niederschlagsmengen
allgemein unter 10 l/m², etwa in Wologda bei 4 l/m².
Erst zum
29.08. schwächten sich die Niederschläge allmählich ab. Gleichzeitig ging Tief
LEIF mit seinen Ausläufern in ein neu entstehendes Tief im Bereich des Nordurals
über. Dieses verlagerte sich langsam weiter ostwärts gen Westsibirien und verließ
so bis Ende August den Ausschnitt der Berliner Wetterkarte.
Geschrieben am 07.11.2017 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 24.08.2017
Pate: Leif Benecken