Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
LEMMY
(getauft am
09.11.2017)
Das
Tiefdruckgebiet LEMMY wurde am 09.11.2017 anhand einer Analysekarte desselben
Tages für 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, getauft. Zu diesem Zeitpunkt befand es sich südöstlich
von Jan Mayen, auf dem Breitengrad der Südspitze der Lofoten, nachdem es die
Tage zuvor von Neufundland kommend den nördlichen Atlantik überquert hatte.
Dort wies der Kern der Zyklone LEMMY schließlich einen Druck von knapp unter
975 hPa auf. Von ihm ausgehend verlief zunächst eine okkludierte Front
südwärts. Diese Form der Front entsteht durch die Vermischung von Warm- und
Kaltfront im sogenannten Okklusionspunkt aufgrund unterschiedlicher
Verlagerungsgeschwindigkeiten, da sich die der Warmfront folgende Kaltfront
schneller verlagert und so die Warmfront einholt und vom Boden abhebt. Dadurch vereint
die Okklusionsfront die Eigenschaften einer Warm- und Kaltfront in sich. Die Mischfront
erstreckte sich nun bis zum Okklusionspunkt bei den Shetland-Inseln nordöstlich
von Schottland und spaltete sich dort in die Warmfront, welche weiter in
südlicher Richtung verlief, Mittelengland, Wales und West Cornwall überquerte
und über der Keltischen See endete. Die Kaltfront beschrieb einen deutlich
engeren Bogen, verlief über Schottland und touchierte die nördlichsten Küstenausläufer
Irlands und endete über dem Nordatlantik, südlich von Reykjavik. Auf dem
schottischen Cairngorm führte diese Frontensituation zu orkanartigen Böen der
Stärke 12 auf der Beaufortskala, mit Spitzengeschwindigkeiten von 135,3 km/h
bei winterlichen Temperaturen von maximal -0,3°C. Am Loch Glascarnoch wurde der
Niederschlagsspitzenwert des Tages für das Vereinigte Königreich erreicht. Dort
fielen innerhalb von 24 Stunden bis um 06 Uhr UTC des folgenden Tages 20,2 l/m²,
zumeist in Form von Regenschauern oder über Stunden andauerndem leichten Regen.
Während sich der Kerndruck im Tagesverlauf verstärkte, verlagerte sich der
Wirbel LEMMY leicht retrograd, also entgegen der üblichen Westströmung. Dadurch
befand sich Tief LEMMY am 10.11.2017 um 00 Uhr UTC vor der Ostküste Jan Mayens und
wies einen Druck von unter 965 hPa sowie eine vollständig okkludierte Front
auf. Diese verlief bogenförmig vom Kern zunächst in nordöstlicher Richtung,
dann über Nordnorwegen und Schweden, weiter über Finnland, die Ostsee, Stettin,
Köln und Paris bis zur Biskaya. Mit unter 965 hPa sorgte der Wirbel LEMMY für
zum Teil starken Sturm, während Böen nahezu Orkanstärke erreichten. So zum
Beispiel im norwegischen Hornsund auf Spitzbergen mit 115 km/h, auf Jan Mayen
mit 108 km/h, dem britischen Great Dun Fel mit 124 km/h oder auf dem Cairngorm
abermals mit jenseits der 130 km/h. Selbst auf dem deutschen Fichtelberg wurden
noch Geschwindigkeiten von 90,7 km/h erreicht. Die Niederschlagsereignisse fielen
im Bereich der Okklusionsfront nur schwach aus. In Paris-Orly fielen 1,2 l/m²
innerhalb von 24 Stunden, auf dem Flughafen Köln/Bonn wurden 0,3 l/m²
registriert. Im Stauungsgebiet der westnorwegischen Gebirgskette und der damit
erzwungenen Hebung der Luftmassen sah dies allerdings deutlich anders aus. Hier
wurden Spitzenwerte von 23,8 l/m² in Sandane, 17,4 l/m² in Liarvatn, 27,0 l/m²
in Stryn und gar 38,6 l/m² in Fiskabygd erfasst.
Während sich
im Laufe des Tages über Nordnorwegen ein weiterer Kern namens LEMMY II ausbildete,
verlagerte sich der ursprüngliche Kern des Tiefs LEMMY südwärts und befand sich
am 11.11.2017 nordwestlich von Trondheim mit einem Kerndruck von ca. 975 hPa.
Von hier aus verlief auf der Westseite des ersten Kerns, LEMMY I, in nordöstlicher
Richtung eine Okklusionsfront, die beide Kerne verband. Von Tief LEMMY II aus
beschrieb die Okklusion einen Bogen über die Barentssee, vorbei an Archangelsk
und St. Petersburg bis nach Riga. Dieser Front vorgelagert waren zwei
Warmfronten, welche sich zum einen von der Barentssee, vorbei an Nowaja Semlja und
Tobolsk den Analysebereich der Berliner Wetterkarte verlassend, erstreckten und
zum anderen ebenfalls von der Barentssee ausgehend in südlicher Richtung über
Kolguyew führte und bei Uchta endete. Während sich über den Tag die Kerndrücke
anglichen und dabei deutlich abschwächten, reduzierte sich auch die
Isobarendrängung über dem europäischen Norden. So verzeichnete die Station von
Jan Mayen einen Rückgang der mittleren Windgeschwindigkeiten von 46,8 km/h und mit
79,3 km/h als Spitzenböe um 18 Uhr auf 7,2km/h im Mittel mit Spitzen von bis zu
18,0 km/h um 07 Uhr UTC des folgenden Tages. Gleiches zeigte sich in Hornsund
auf Spitzbergen, wo die mittleren Geschwindigkeiten von 36,0 km/h auf 10,8 km/h
sanken. Die Okklusionsfront zwischen St. Petersburg und Moskau bescherte den
zwei Städten deutlich unterschiedliche Temperaturen. Während in Moskau bei
Winden, welche aus süd- bis südsüdöstlicher Richtung wehten, die
Tagestiefsttemperaturen von 1,9°C um 06 Uhr UTC auf 3,9°C am folgenden Tag
stiegen, fielen die Temperaturen in St. Petersburg im gleichen Zeitraum bei
Winden aus den gleichen Richtungen von 4,3 auf 3,2°C. Am 12.11.2017 befanden
sich die zwei Kerne des Tiefdruckwirbels LEMMY weiterhin vor der Küste
Norwegens. Während sich der erste Kern weiterhin nördlich von Trondheim
aufhielt, befand sich der zweite Kern weiterhin mittig zwischen Spitzbergen und
dem norwegischen Festland. Wie sich schon tags zuvor abzeichnete, hatte sich
der Druck der zwei Kerne angeglichen und betrug nunmehr 990 hPa. Ausgehend vom
zweiten Kern LEMMY II verlief eine Okklusionsfront zunächst nach Norden, später
in östlicher Richtung bis nach Workuta, wo sie in die Kaltfront eines Tiefs,
dass sich südöstlich der nördlichsten Uralausläufer befand, überging. Dies
brachte Workuta einen leichten Anstieg der Temperaturen, was sich sowohl bei
den Tageshöchsttemperaturen als auch den Tiefstwerten wiederspiegelte. Letztere
stiegen von -9,8°C auf -8,6°C, während die Höchstwerte von -8,2°C auf -5,2°C
angestiegen waren.
Der
13.11.2017 war schließlich der letzte Tag, an dem das Tiefdruckgebiet LEMMY auf
der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte. Die zwei Kerne der Vortage hatten
sich wieder auf einen Kern reduziert, dessen Druck sich weiterhin abgeschwächt
hatte und nun noch rund 1000 hPa betrug. Dieser befand sich weiterhin zwischen
Norwegen und Spitzbergen. Das ihm zugehörige Frontensystem bestand aus einer
Okklusionsfront, die westlich von Spitzbergen in Richtung des Polargebietes
verlief und in dieser Richtung den Analysebereich der Berliner Wetterkarte
verließ. Auf Spitzbergen, an der Station Hornsund, wurden während der
Überquerung der Okklusionsfront Niederschläge in Form von leichten Schneefällen
registriert, die eine Neuschneedecke von rund 2 cm Stärke ergaben. Dies entspricht
einem Wasseräquivalent von 0,6 l/m², also die Menge an Wasser, die eine
gleichgroße Fläche Schnee nach dem einschmelzen ergeben würde. Sich weiter
abschwächend verlor das Tief LEMMY zunächst seine Fronten bevor es sich
auflöste und so am 14.11.2017 nicht mehr auf den Karten der Berliner
Wetterkarte analysiert werden konnte.
Geschrieben am 11.01.2018 von Patrick
Ilmer
Wetterkarte: 10.11. alternativ 09.
oder 11.
Pate: Dietmar Lemmermann