Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet LENNART
(getauft am 29.08.2013)
Ende August 2013 zog ein Tiefdruckgebiet,
der Hauptströmung in rund 5,5 km Höhe
folgend, in östliche Richtung über den Nordatlantik. Da diese Zyklone einen
prognostizierten Einfluss auf Europa nehmen sollte, wurde es am 29.08. auf den
Namen LENNART getauft.
An seinem Tauftag befand sich das Zentrum
des Tiefs LENNART um 02 Uhr MESZ mit einem Druck von ca. 1010 hPa auf Breite
von London über dem zentralen Nordatlantik. Vom Kern ging eine Warmfront in
südöstliche Richtung aus, welche sich rund 1000 km südwestlich der irischen
Westküste über dem östlichen Nordatlantik mit der Kaltfront des Tiefs KASIMIR
verband. Außerdem reichte, ebenfalls vom Kern der Zyklone aus, eine nach
Südwesten weisende bogenförmige Kaltfront über den westlichen Nordatlantik,
wobei sich auf Länge der Südspitze Grönlands eine Wellenstörung befand, wodurch
hier die Luftmassengrenze Warmfrontcharakter annahm.
Bis zum 30.08. intensivierte sich in der
Höhe ein Trog, d.h. ein Vorstoß kalter Luftmassen nach Süden, über dem
Nordatlantik. Zu diesem Trog gehörte ein Drucksystem aus zwei Tiefdruckgebieten
über dem Osten Grönlands bzw. über dessen Südostküste. Das zu diesem Trog
zugehörige Bodentief LENNART lag um 02 Uhr MESZ dieses Tages über dem Seegebiet
zwischen der Südostküste Grönlands und der Westküste Islands. Der Kerndruck
sank im Gegensatz zum Vortag auf nun ca. 990 hPa. Die Verstärkung des Wirbels
LENNART begründet sich durch die Aufnahme eines unbenannten Tiefs in dessen
Zirkulation. Dieses Tief befand sich noch am Tag zuvor über dem Südosten
Grönlands und wies einen Kerndruck von rund 990 hPa auf. Von einem Punkt etwa
500 km östlich des Zentrums von Tief LENNART verlief eine Warmfront über den
Nordwesten Islands bis über die Grönlandsee, bevor sie westlich der Insel Jan
Mayen den Charakter einer kurzen Okklusionsfront annahm. Eine Okklusion
beschreibt dabei eine Mischfront, welche Warm- sowie Kaltfronteigenschaften besitzt. Außerdem erstreckte sich vom selben Punkt westlich
von Island eine mehrere Tausend Kilometer lange Kaltfront nach Süden, welche im
weiteren Verlauf einen Bogen nach Westen beschrieb und bis weit über den
zentralen Nordatlantik reichte. Der Kaltfrontdurchzug brachte dabei einen
Temperaturabfall mit sich, wodurch in Reykjavik das Tagesmaximum von 12°C am
Vortag auf nun 8°C sank.
Bis zur darauffolgenden Nacht verlagerte
sich der Trog mit seiner Achse in Richtung Osten. Das Bodentief LENNART besaß
an diesem Tag einen weiter verstärkten Kerndruck von ca. 980 hPa und lag mit
seinem Zentrum zwischen Island und Jan Mayen über dem Europäischen Nordmeer.
Westlich des Kerns ging eine Okklusionsfront aus, welche in einem Bogen
nördlich an diesem vorbei führte und danach bis etwa auf Breite der
norwegischen Stadt Bergen über die Nordsee verlief. Dort spaltete sie sich in
zwei Kaltfronten auf. Die erste war eine Höhenkaltfront und reichte in einem
Bogen entlang der Küstenlinien von den Niederlanden und Belgien bis über den
Nordwesten Frankreichs. Eine Höhenfront beschreibt hierbei einen Frontentyp
dessen Eigenschaften nur in der Höhe und nicht am Boden analysiert werden
können. Die zweite Kaltfront erstreckte sich über die Nordsee und den Süden
Englands und ging über dem zentralen Nordatlantik in die Warmfront eines anderen
Tiefdruckgebiets über. Mit dem Frontensystem wurde maritime Arktikluft nach
West- und Mitteleuropa herangeführt. Dadurch sanken im Norden Deutschlands
vielerorts die Temperaturen im Vergleich zum Tag davor. Auf Norderney betrug
die Tageshöchsttemperatur an diesem Tag 18,9°C, was einem Abfall von 4,1 Grad
im Gegensatz zum Vortag entspricht. Auch in Bremerhaven sank die
Höchsttemperatur von 22,6°C auf nun 18,5°C. Auch auf den Britischen Inseln
fielen die Temperaturwerte durch die kälteren Luftmassen um 3 bis 4 Grad. Dabei
fiel in Bergen bis 08 Uhr MESZ dieses Tages 28 l/m² und im schottischen Stornoway 6
l/m². Durch die Lage des Tiefs LENNART und des Hochs HANNAH über dem zentralen
Nordatlantik kam es aufgrund des Drehsinns der Druckgebilde im Seegebiet
zwischen Südgrönland und Skandinavien zu hohen Windgeschwindigkeiten. So wurde
in Thorshavn auf den Färöer um 08 Uhr MESZ eine Windgeschwindigkeit von 50 km/h
gemessen, was einer Windstärke 7 auf der Beaufort-Skala entspricht.
Bis 02 Uhr MESZ des 01.09. teilte sich der
Wirbel LENNART und besaß nun zwei Kerne. Das Tief LENNART I befand sich mit
einem Kerndruck von etwa 1000 hPa östlich von Island über dem Europäischen
Nordmeer. Vom Kern der Zyklone ging eine Okklusionsfront aus, welche in einem
Bogen zunächst bis zur Ostküste Grönlands reichte, um daraufhin über dem Norrland in Mittelschweden in die Höhenokklusionsfront des
Tiefs LENNART II überzugehen. Dieses lag mit seinem Zentrum und einem Druck von
1005 hPa nördlich von Stockholm über der Ostküste Schwedens. Die Zyklone besaß
neben der Höhenokklusion noch eine weitere Okklusionsfront, welche vom Kern aus
nach Südosten wies und über die Ostsee und Lettland bis nach Weißrussland
führte. Des Weiteren verlief ebenfalls vom Kern des Tiefs LENNART II aus eine
mehrere Tausend Kilometer lange Kaltfront bogenförmig über die Ostsee, Polen,
Süddeutschland und Frankreich, wobei sie sich über dem Ostatlantik auf Breite
von Genf mit der Warmfront des Tiefs MARIO verband. Von Nordwesten wurde dadurch
subpolare Meeresluft nach Mitteleuropa herangeführt, wodurch nur noch im
äußersten Südwesten Deutschlands die Höchsttemperatur etwas über 20°C lag. Auch
die Niederschläge beim Durchzug der Kaltfront des Tiefs LENNART II fielen
überwiegend gering aus, da der zugehörige Höhentrog mit seiner Achse mittags
bereits über Polen lag. So fielen bis 08 Uhr MESZ dieses Tages 12-stündige
Niederschlagsmengen von 12 l/m² in Kempten und 16 l/m² in Hohenpeißenberg. Im
mecklenburgischen Feldberg wurde sogar eine Menge von 21 l/m² innerhalb von 24
Stunden gemessen. Auch außerhalb Deutschlands kam es durch den
Kaltfrontdurchzug des Tiefs LENNART II zu leichten Niederschlägen. Dabei fielen
24-stündig bis 08 Uhr MESZ in Prag 6 l/m² und in Bresalu
7 l/m². Der Einfluss der Okklusion des Wirbels LENNART I rief ebenfalls
nennenswerte Niederschlagsmengen hervor, wodurch in 24 Stunden 5 l/m² auf Jan
Mayen, 8 l/m² in Bergen und 15 l/m² in Trondheim registriert wurden.
Bis zum darauffolgenden Tag wurde das Tief
LENNART I in die Zirkulation des Tiefs MARIO aufgenommen, wodurch die Zyklone
LENNART um 02 Uhr MESZ nur noch einen Kern besaß, welcher einen Druck von rund
1000 hPa aufwies und sich über der mittleren Ostküste Schwedens befand. Von
diesem Kern verliefen einerseits eine kurze Warmfront nach Nordwesten und
andererseits eine Okklusionsfront nach Osten, welche östlich von St. Petersburg
den Charakter einer Kaltfront annahm und in einem Bogen über den Balkan bis zu
den westlichen Alpen reichte. Bis 08 Uhr MESZ fielen beim Durchzug der
Kaltfront innerhalb von 24 Stunden Niederschlagsmengen von 12 l/m² in
Ljubljana, 13 l/m² in Poprad, 21 l/m² in Warschau und 22 l/m² in Leba.
Am 03.09. lag das Tief LENNART um 02 Uhr
MESZ mit seinem Zentrum über dem Norden Litauens. Der Kerndruck betrug an
diesem Tag 995 hPa. Westlich des Kerns ging eine Okklusionsfront aus, die in
einem Bogen nördlich an diesem vorbeiführte und sich am sogenannten
Okklusionspunkt über dem Südwesten Weißrusslands in eine Warm- und eine
Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront verlief in südwestlicher Richtung bis über
Westungarn, wohingegen die Kaltfront nach Westen wies und über Ostpolen in die
Warmfront des Tiefs MARIO überging. In den Warmsektor des Tiefs LENNART, d.h.
dem Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, strömten maritime subtropische
Luftmassen ein und erhöhten somit an diesem Tag die Temperaturen in großen
Teilen Polens und Tschechiens. So stieg die Tageshöchsttemperatur im polnischen
Torun von 15°C am Vortag auf 21°C an. Gleichzeitig
wurden durch den Einfluss des Wirbels LENNART gebietsweise größere
Niederschlagsmengen hervorgerufen. So wurden 24-stündig 15 l/m² in Bialystok, 19 l/m² in Riga, 20 l/m² in Wilna und sogar 44
l/m² in Königsberg registriert. Das Niederschlagsgebiet reichte auch bis
Deutschland, wodurch in Goldberg 25
l/m² und in Zinnwald 23 l/m² Regen gemessen wurden.
Der Wirbel LENNART verlagerte sich bis zur
folgenden Nacht in Richtung Südosten und befand sich mit seinem Zentrum um 02
Uhr MESZ über Südrussland. Der Kerndruck schwächte sich im Gegensatz zum Vortag
stark ab und betrug nur noch rund 1006 hPa. Südöstlich der Zyklone LENNART ging
eine halbkreisförmige Okklusionsfront aus, welche nördlich am Zentrum
vorbeiführte und über der Nordostküste des Schwarzen Meeres Kaltfrontcharakter
annahm. Diese Kaltfront erstreckte sich bogenförmig bis über Slowenien, wo sie
in die Warmfront eines anderen Frontensystems überging. Am Rande des
Tiefdruckwirbels LENNART gelangte kühle subpolare Luft über Osteuropa bis zur
Balkanhalbinsel und dem Schwarzen Meer. Trotz einer Sonnenscheindauer von 10
Stunden stieg die Temperatur an diesem Tag in Warschau nur auf maximal 19,3°C.
In der vergangenen Nacht kühlte sich dagegen die Luft bei klarem Himmel vor
allem in den zentralen Teilen Polens stark ab. So ging die Temperatur in Lodz
auf 5°C und in Torun auf 4°C zurück.
In den darauffolgenden Tagen blieb der
Tiefdruckwirbel LENNART quasistationär über dem Gebiet zwischen Moskau und dem
Schwarzen Meer. Die Temperatur im Einflussbereich des Tiefs LENNART sank durch
die herangeführte subpolare Luft. So wurde in Moskau am 05.09. eine
Tageshöchsttemperatur von lediglich 9°C gemessen, obwohl am Vortag noch 13°C
registriert wurden.
Am 07.09. lag das Tief LENNART um 02 Uhr
MESZ mit seinem Kern und einem Druck von etwas unter 1010 hPa südlich von Moskau.
Von einem Punkt südöstlich von Kiew ausgehend verlief eine Okklusionsfront in
einem Bogen über Moskau bis sie sich nordwestlich von Kasan in Warm- und
Kaltfront teilte. Die Warmfront verlief nach Osten über Jekaterinburg bis nach
Westsibirien und die Kaltfront wies in südöstliche Richtung bis nach
Kasachstan. In einem schmalen Streifen, der vom Moskauer Raum bis zur Wolga
reichte, wurden 24-stündig bis 08 Uhr MESZ dieses Tages mehr als 20 l/m²
gemessen. Maximal wurden sogar bis zu 62 l/m² erreicht. In Moskau fielen dabei
21 l/m² und in Kiew 17 l/m², wobei eine Höchsttemperatur von lediglich 12 bzw.
11°C gemeldet wurden.
Bis zum nächsten Tag verlagerte sich der
Wirbel LENNART nur wenig nach Südosten. Von seinem Kern bei Kasan, welcher
einen Druck von 1010 hPa aufwies, ging
eine vollständig okkludierte Front aus, die einen Bogen beschreibend an der
Nordküste des Asowschen Meeres und westlich von Kiew vorbeiführte, bevor sie
sich einige Hundert Kilometer nordöstlich von Moskau mit der Okklusionsfront eines
unbenannten Tiefdruckgebietes über Westsibirien verband. In Kiew fielen dabei
abermals bis 08 Uhr MESZ 3 l/m² Niederschlag in 24 Stunden.
In den darauffolgenden drei Tagen schwächte
sich die Wetterwirksamkeit des Tiefs LENNART zunehmend ab, wobei es sich
langsam Richtung Osten verlagerte.
Am 12.09. erschien der Wirbel LENNART das
letzte Mal auf der Berliner Wetterkarte. Der Kerndruck schwächte sich ab und
betrug um 02 Uhr MESZ
nur noch rund 1015 hPa. Dem Tief LENNART konnte mittlerweile kein Frontensystem
mehr zugeordnet werden. Im Laufe des Tages verstärkte sich der Einfluss von
Hoch IRIS zunehmend, wodurch die Zyklone LENNART weiter nach Osten in Richtung
Kasachstan abgedrängt wurde und somit aus dem Analysebereich der Berliner
Wetterkarte verschwand.
Geschrieben am 16.10.2013 von Sebastian Wölk
Berliner Wetterkarte: 01.09.2013
Pate: Lennart Späth