Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet LEONORE

(getauft am 05.07.2010)

 


Am 05.07. schob sich eine kräftig ausgebildete Frontalzone von dem im Nordosten Nordamerikas gelegenen Gebiet Labrador auf den Nordatlantik in Richtung Europa. Diese trennte in etwa 5 km Höhe sehr warme Luft subtropischen Ursprungs von kalter Polarluft. Dadurch entstand ein großer Temperaturunterschied von etwa 18 Kelvin, auf einer Breite von etwa 550 km, über dem Nordosten Kanadas. Solche großen Temperaturunterschiede gehen immer mit starken Winden einher, was auch hier der Fall war. Tiefdruckgebiete, die sich in diesem Bereich bilden, versuchen diesen Unterschied auszugleichen und bilden sich in so einem Fall sehr schnell und auch sehr kräftig aus. Tiefdruckgebiet LEONORE war ein sehr gutes Beispiel hierfür.

In der Bodenwetterkarte vom 05.07. um 1 Uhr MEZ waren zwar nur Andeutungen eines neuen Tiefs über Neuschottland zu sehen, trotzdem wurde es noch am gleichen Tag getauft, da eine schnelle und kräftige Entwicklung von den Wettermodellen vorhergesagt wurde. Das war dann auch nur 24 Stunden später in der Bodenwetterkarte zu sehen. LEONORE wurde von einem etwa 600 km nördlich liegenden Tief gesteuert und konnte so nicht nur ihren Kerndruck rasch auf knapp 1000 hPa senken, sondern auch eine Warm- und eine Kaltfront ausbilden, die sowohl am Boden als auch in der höheren Troposphäre gut zu erkennen war.

Aufgrund der bisherigen Zugbahn, auf der keine festen Wetterstationen lagen, gab es noch keine Wettermeldungen. Die dicht gedrängten Linien in etwa 5 km Höhe lassen aber darauf schließen, dass dort Winde deutlich über 100 Knoten aufgetreten sein müssen. Da auf dem Ozean der Reibungswiderstand der Landmasse fehlt, dürfte sich dieser Wind auch mit mindestens Sturm-, wenn nicht sogar Orkanböen bis zum Wasser durchgesetzt haben.

Erst als sich das Zentrum von LEONORE im Laufe des 06.07. südlich von Island befand, konnte sie an festen Wetterstationen messbar erfasst werden. Während an der Westküste von Island, z.B. in Reykjavik, bei leichtem Regen wenig Niederschlag gefallen ist, machte sich an der Südostküste der Staueffekt des größten Gletscher Islands mit seiner über 1000 m hohen Eisschicht bemerkbar, auf den die feuchten Luftmassen von LEONORE trafen. Dort fielen an der Station Akurnes in nur 15 Stunden 61 Liter Regen pro Quadratmeter, in weiteren 9 Stunden kamen nochmals 19 Liter hinzu, sodass sich eine beachtliche             24-stündige Summe von etwa 80 Liter pro Quadratmeter ergab. Der Wind frischte zu dieser Zeit sehr stark auf und erreichte als Höchstwert 37 Knoten im Mittel, was ca. 70 km/h oder Windstärke 8 entspricht. Da von der Station keine Böen gemeldet werden, lässt sich nur abschätzen, dass dort wohl mindestens Sturmstärke 9 oder 10 aufgetreten sein müssen.

Zur gleichen Zeit erreichten die Fronten von LEONORE Irland und die Britischen Inseln und brachten z.B. in Glasgow 9 Liter pro Quadratmeter und in Stornoway 8 Liter pro Quadratmeter Niederschlag. Die Höchsttemperaturen lagen dort um die 20°C, nachts gingen die Werte je nach Lage auf 16 bis 11°C zurück.

Währenddessen begann Tief LEONORE schon zu okkludieren, d.h. die Warmfront wurde von der schnelleren Kaltfront eingeholt. Der Luftdruckfall hatte sich innerhalb weiterer 24 Stunden um beachtliche 30 hPa beschleunigt, sodass der Kerndruck nur noch bei ca. 975 hPa lag. Dieser sank aber danach nicht mehr, sondern stieg schon wieder leicht an. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich die beiden ehemals voneinander getrennten Luftmassen vermischten und die Energie von LEONORE somit nachließ. So konnte man auf dem Satellitenbild  vom 07.07. gut erkennen, dass dort noch ein zusammenhängender beeindruckender Wolkenwirbel zu sehen war, am nächsten Tag jedoch nur noch wenig Struktur übrig blieb und viele Lücken hinzu kamen.

Die inzwischen lang gezogene Okklusionsfront von Island über Jan Mayen und den Britischen Inseln erreichte am 08.07. Skandinavien, brachte aber keine nennenswerten Niederschläge. Sie erreichte auch noch die deutsche Nordseeküste, jedoch löste sich der größte Teil der Front dort auf.

Das Zentrum von LEONORE blieb bis zum 10.07. fast stationär vor der Südostküste Islands und verlagerte sich erst ab diesem Tag unter weiterer Abschwächung an der grönländischen Ostküste entlang nach Norden in Richtung Spitzbergen. Vor dessen Küste tauchte LEONORE am 11.07. mit einem Kerndruck von nur noch 1004 hPa auch letztmalig auf der Berliner Wetterkarte auf.

 


 


Geschrieben am 24.08.2010 von Matthias Treinzen

Wetterkarte: 07.07.2010

Pate: Leonore Lange