Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet LIANGYU
(getauft am 05.10.2018)
Am
04.10.2018 befand sich südlich von Island ein ausgeprägtes Tiefdruckgebiet mit
dem Namen KERSTIN, dessen Warmfront über die Nordsee bis nach
Nordrhein-Westfalen reichte. Die nachfolgende Kaltfront zog sich währenddessen
noch über den Nordatlantik, begann im Tagesverlauf aber langsam die Britischen
Inseln von Nordwest nach Südost zu überqueren. In der Nacht zum 05.10. hatte
die Luftmassengrenze bereits Schottland und Irland passiert, wobei sich am Tage
entlang der Front wellenförmige Deformationen ausbildeten. An diesen
Deformationen entstanden kleinräumige Wellentiefs, die jedoch relativ kurzlebig
waren. In den Mittagstunden des Folgetages wurde bei der Überquerung der
Bretagne bzw. der nördlichen Biskaya erneut die Bildung eines Wellentief
entlang der Kaltfront vorhergesagt, welches sich rasch zu einem eigenständigen
Tiefdruckgebiet verstärken sollte und daher in der Prognose für den 06.10. auf
den Namen LIANGYU getauft wurde.
Erstmalig
konnte das Tief LIANGYU am 07.10. auf der Berliner Wetterkarte namentlich
verzeichnet werden. Um 01 Uhr MEZ, was 00 Uhr UTC entspricht, dieses Tages
befand es sich mit seinem Zentrum westlich von Bourges
in Zentralfrankreich und wies einen Kerndruck von etwa 1006 hPa auf. Die rasche
Entwicklung des Tiefs war durch die bereits entstandene Okklusionsfront
ersichtlich. Eine Okklusion ist eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront. Da
sich die Kaltfront schneller verlagert als die Warmfront wurde letztere zum
Teil bereits eingeholt und die vorlaufende Warmluft angehoben. Dabei entsteht
am sogenannten Okklusionspunkt, wo Warm- und Kaltfront aufeinandertreffen, ein
neuer Frontentyp, welcher als Okklusion bezeichnet wird. Je nachdem ob hinter
der Okklusion relativ warme oder kalte Luftmassen einfließen, kann sie auch als
Kalt- oder Warmfrontokklusion spezifiziert werden. Eine solche Okklusion
erstreckte sich dabei von La Rochelle an der Biskayaküste
nach Nordosten bis nordwestlich von Paris. Vom dortigen Okklusionspunkt verlief
die Warmfront über Belgien und die Niederlande, bevor sie sich bei Amsterdam
mit der Kaltfront eines unbenannten Tiefs über der Ostsee verband. Die
Kaltfront führte währenddessen bogenförmig über den Osten und Süden
Frankreichs, wies anschließend nach Südwesten, überquerte die Pyrenäen, Spanien
sowie Südportugal und endete östlich der Azoren über dem Atlantik.
Bereits
bis zum Abend am Vortag, dem 06.10., sorgte das Tief LIANGYU während seiner
Entstehung und Überquerung Frankreichs für teils kräftigen Regen, da mit dessen
Kaltfront feucht-kalte Subpolarluft auf warme, kontinental geprägte
subtropische Luftmassen traf, was zur verstärkten Hebung der vorherrschenden
Warmluft führte. Um 19 Uhr MEZ wurde beispielsweise in Rennes eine 1-stündige
Niederschlagsmenge von 14,6 l/m² gemessen. In Caen konnten in den
vorangegangenen 3 Stunden hingegen fast 21 l/m² registriert werden. In Laval
belief sich die 3-stündige Regenmenge bis 16 Uhr MEZ noch auf 15 l/m².
Die
langsame südostwärts gerichtete Verlagerung des Tiefs LIANGYU führte zu länger
anhaltenden und oftmals sich weiter intensivierenden Regen, welcher nun nicht
nur verstärkt im Nordwesten Frankreichs, sondern auch im Süden und Südosten des
Landes sowie in der Pyrenäenregion und im Norden Spaniens auftrat. Bis 07 Uhr
MEZ konnten dabei 12-stündig 29 l/m² in Santander, je 41 l/m² in Marseille und
Deauville, 45 l/m² in Aubenas sowie nochmals 42 l/m²
in Rennes und 39 l/m² in Caen registriert werden.
Der
Zustrom kühler Subpolarluft sorgte gleichzeitig auch für sinkende Temperaturen.
Während sich der direkte Einfluss des Tiefs LIANGYU auf Frankreich sowie Nord-
und Zentralspanien konzentrierte, konnten durch ein unbenanntes Tief über der
Ostsee auch weiter nordöstlich in Deutschland und Polen niedrigere Höchstwerte
als noch am Vortag beobachtet werden. Der Unterschied betrug dabei
länderübergreifend meist zwischen 5 und 10 Grad. Im französischen Montauban
fiel das Tagesmaximum sogar von 28,4°C auf nun 14,2°C herab. Lediglich im
sogenannten Warmluftsektor des Wirbels LIANGYU, d.h. dem Bereich zwischen Warm-
und Kaltfront, wurden noch ähnlich hohe Temperaturen wie tags zuvor
registriert. Dieser umfasste den Süden Deutschlands und den Norden der Schweiz.
Wurden in großen Teilen Deutschlands an diesem Tag verbreitet maximal 12 bis 15°C
verzeichnet, lagen die Höchstwerte in Bamberg, Würzburg sowie Stuttgart bei
jeweils 23,0°C und in Öhringen nahe Heilbronn bei 23,8°C.
Das
Tief LIANGYU zog bis zum Abend über die Côte d’Azur, wodurch sich auch der
Fokus des Niederschlags in Richtung Mittelmeerraum verlagerte. Bis 19 Uhr MEZ
wurden innerhalb von 12 Stunden 28 l/m² in Le Luc sowie 38 l/m² in Cannes
registriert. Aus Hyères bei Toulon wurde derweil eine
6-stündige Regenmenge von 30 l/m² gemeldet. Noch intensiver fiel der Regen auf
Korsika aus, wo in Ajaccio in nur einer Stunde bis 17 Uhr MEZ 43 l/m² gemessen
wurden.
Um
01 Uhr MEZ am 08.10. befand sich die Zyklone LIANGYU mit ihrem Zentrum und
einem abgeschwächten Druck von nur noch knapp unter 1015 hPa südlich von
Frankreich und westlich von Korsika über dem Mittelmeer. Vom Kern verlief zu
diesem Zeitpunkt nur noch eine Luftmassengrenze zunächst als lediglich in der
Höhe analysierbare Okklusion bogenförmig nach Süden, wo sie westlich von
Sardinien den Charakter einer Kaltfront annahm und anschließend nach Südwesten
weisend nördlich der algerischen Küste bis zur Straße von Gibraltar führte.
Aufgrund
der geringen Verlagerungsgeschwindigkeit des Tiefs LIANGYU konnten sich die
Regenmengen lokal weiter aufsummieren, wobei der Niederschlag nun auch
vereinzelt schauerartig verstärkt auftrat. Bis zum Nachttermin wurden dabei innerhalb
von 6 Stunden nochmals 25 l/m² in Cannes gemessen, während in den
anschließenden 6 Stunden bis 07 Uhr MEZ in Le Luc sogar 50 l/m² zusammenkamen.
Bis
zu den Morgenstunden schwächte sich das Tief LIANGYU jedoch so weit ab, dass es
sich auflöste und nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte namentlich
verzeichnet werden konnte. Das Gebiet des westlichen Mittelmeeres blieb auch an
den folgenden Tagen am Rande des weitreichenden Hochs VIKTOR im Bereich
schwacher Luftdruckgegensätze. Erst Mitte Oktober konnte sich dort wieder
tiefer Luftdruckdruck in Form der ex-Tropenstürme LESLIE und MICHAEL
durchsetzen.