Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet LILI
(getauft am 29.08.2016)
Am 29. August 2016 wurde ein Tiefdruckgebiet über
dem Nordatlantik auf den Namen LILI getauft. Es bildete sich aus einem
Wellentief südsüdöstlich von Grönland und östlich der kanadischen Insel
Neufundland. Zum Zeitpunkt der Taufe lag der Kerndruck bei unter 995 hPa. Vom
Zentrum des Wirbels LILI ging zum einen eine Warmfront aus, die in östlicher
bis südöstlicher Richtung bis vor die Westküste Irlands führte und weiter in
südlicher Richtung bis etwa auf eine geographische Breite, die der von Paris
entspricht, zu verfolgen war. Zum anderen verlief deutlich weiter westlich der
Warmfront, und somit mit dieser einen breiten Warmluftsektor aufspannend, eine
Kaltfront. Diese führte, vom Kern der Zyklone LILI ausgehend, für eine kurze
Strecke in südöstlicher, bald in südlicher bis südwestlicher Richtung und besaß
ungefähr auf halbem Wege zwischen den Inselgruppen der Azoren und von Bermuda
eine westliche Orientierung. Etwa 1000 km östlich von Bermuda ging die
Kaltfront in eine Warmfront über, die in Richtung der US-amerikanischen
Ostküste ungefähr im Bereich der Bundesstaaten Virginia und North Carolina
führte. Bis zum Morgen des Folgetages brachte das Tiefdruckgebiet LILI auf den
Britischen Inseln gebietsweise Regen, der an der Wetterstation Stornoway auf
den zu Schottland gehörenden Äußeren Hebriden eine 24-stündige
Niederschlagsmenge von 2 l/m² brachte. Im Gegensatz zu eher leichtem und dafür
länger anhaltendem Regen auf den Britischen Inseln an der Warmfront des Tiefs
LILI gab es mit Annäherung und Durchzug der Kaltfront auf den Azoren eher
schauerartigen, also kürzeren und kräftigeren Niederschlag. Dieser summierte
sich an der dortigen Wetterstation Lajes auf ebenfalls 2 l/m² auf.
Mittlerweile hatte sich das Tiefdruckgebiet LILI
mit seinem Zentrum nach Nordosten bis Osten verlagert und lag nun mit einem
Kerndruck von weniger als 985 hPa etwa 600 km südwestlich der isländischen
Hauptstadt Reykjavik. Vom Kern der Zyklone LILI ging eine Mischfront mit Warm-
und Kaltfronteigenschaften, eine sogenannte Okklusion, in nordöstlicher bis
östlicher Richtung aus. Diese führte bis zum Okklusionspunkt, der sich etwa 200
km südlich der Südküste Islands befand. Am Okklusionspunkt traf eine die
Faröer-Inseln und die Shetland-Inseln streifende und über die nordwestliche
Nordsee bis zur nordenglischen Nordseeküste führende Warmfront auf eine
Kaltfront. Diese Kaltfront zeigte eine bogenförmige Struktur und führte zunächst
nach Südosten, um weiter nach Süden und Südwesten zu verlaufen und etwa 300 km
südlich des Okklusionspunktes in eine Warmfront überzugehen. Diese gehörte zu
einer verwellten Luftmassengrenze, die sich über den
Nordatlantik bis über dessen westliche Bereiche erstreckte. Vom Zentrum des
Tiefs LILI ging außerdem eine Okklusionsfront aus, die zunächst in
südwestlicher Richtung verlief und ungefähr nach 700 km einen gegen den
Uhrzeigersinn gerichteten Bogen beschrieb, der nach drei Vierteln einer
Umdrehung am Zentrum eines kleinen, unbenannten Randtiefs des Wirbels LILI
endete. Der mit Abstand höchste 24-stündige Niederschlagswert bis zum Morgen
des 31. August, der auf die Fronten des Tiefdruckgebietes LILI zurückzuführen
ist, wurde in der norwegischen Küstenstadt Bergen gemessen. Dort kamen 19 l/m²
zusammen. Dies wurde durch die bergige Umgebung begünstigt, die einen
Staueffekt des Regens zur Folge hatte. In Stornoway fielen im gleichen Zeitraum
6 l/m² und auf Valentia, einer Insel vor der Südwestküste Irlands, gab es 4
l/m² Niederschlag.
Der Kern des Tiefs LILI lag nun mit einem Luftdruck
von unter 995 hPa über dem Südosten Islands. Von dort ging eine Okklusionsfront
in nordöstlicher bis östlicher Richtung aus, die bis zum etwa 500 km entfernten
Okklusionspunkt führte. Von dort verlief eine Warmfront, kurz den Polarkreis
überquerend, über das mittlere Norwegen und Schweden bis zur Ostsee vor der
Westküste Estlands. Außerdem verlief vom Okklusionspunkt eine Kaltfront
zwischen den Faröer-Inseln und den Shetland-Inseln, den äußersten Norden
Schottlands streifend und von Nord nach Süd über Irland sowie den westlichen
Teil der Biskaya bis zum Seegebiet zwischen den Azoren und der portugiesischen
Westküste. Ungefähr 800 km ostnordöstlich der Azoren ging sie in die Warmfront
eines unbenannten Tiefs nordwestlich der Inselgruppe über. Vom Zentrum der
Zyklone LILI ging außerdem eine Okklusionsfront in südwestlicher bis westlicher
Richtung aus, die etwa
700 km östlich der Südspitze Grönlands endete. Die Niederschlagsmengen bis zum
Morgen des Folgetages zeigten wiederum den höchsten Wert im norwegischen
Bergen, wo weitere 12 l/m² fielen. Im schottischen Stornoway kamen 3 l/m²
zusammen, in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen waren es 0,2 l/m².
Während also vor allem in exponierten Küstenlagen
Nordwesteuropas größere Niederschlagsmengen fielen, konnte das Tiefdruckgebiet
LILI mit seinen Fronten laut der Bodenanalysekarte in einem deutlich größeren
Gebiet beobachtet werden, wobei sich das Tief LILI sowie die zugehörigen
Fronten in den niederschlagsarmen oder niederschlagsfreien Regionen anhand
seiner Wolkenstrukturen oder Unterschieden in verschiedenen meteorologischen
Parametern wie Temperatur, Wind und Luftfeuchtigkeit bemerkbar machten. Am 1.
September befand sich das Zentrum des Tiefdruckgebietes LILI mit einem
Kerndruck von unter 990 hPa vor der nordnorwegischen Küste. Von dort ging eine
Okklusionsfront aus, die bis zum Okklusionspunkt in Nordnorwegen reichte. Dort
traf eine über Lappland, Finnland und den Finnischen Meerbusen bis nach Estland
reichende Warmfront auf eine Kaltfront. Diese verlief über Nordschweden und
Südnorwegen sowie den Skagerrak und die östliche und südliche Nordsee, und erstreckte
sich anschließend weiter über Belgien und Nordwestfrankreich bis über die
Gegend der Loiremündung. Daran schloß sich eine Warmfront an, die über die
Biskaya bis an die Nordküste der spanischen Autonomen Gemeinschaft Galicien
reichte. Eine weitere, vom Zentrum des Wirbels LILI ausgehende Okklusionsfront
war hauptsächlich in höheren Luftschichten nachweisbar und führte in
südwestlicher bis südlicher Richtung über das Europäische Nordmeer. Ungefähr am
Polarkreis ging sie in eine Bodenkaltfront über, die bis etwa 200 km
nordnordöstlich der Shetland-Inseln analysiert wurde. Die nordwestrussische
Hafenstadt Murmansk verzeichnete bis zum Morgen des 2. September eine
Niederschlagsmenge von 4 l/m², die im Wesentlichen auf den Durchgang der
Fronten von Tief LILI zurückzuführen sind.
Das Zentrum des Tiefs LILI befand sich nun mit
einem Kerndruck von unter 990 hPa östlich der Inselgruppe Spitzbergen. Von dort
ging eine Okklusionsfront aus, die über die russische Kola-Halbinsel bis zum
Weißen Meer reichte. Dort ging sie in eine Kaltfront über, die über Karelien,
das Baltikum und Polen bis nach Mitteldeutschland reichte. Etwas weiter
östlich, ebenfalls über dem Weißen Meer, begann eine Warmfront, die sich etwa
in südlicher Richtung bis südlich der russischen Hauptstadt Moskau zog.
Westlich der zuerst genannten Okklusionsfront war eine weitere Okklusionsfront
zu finden, die hauptsächlich in höheren Luftschichten aktiv war und in der
Gegend des Nordkaps in eine Bodenkaltfront überging, welche küstennah über dem
Nordwesten Norwegens bis zum Polarkreis reichte und von dort auf das offene
Meer bis etwa vor Trondheim analysiert wurde. Während bis zum Morgen des
Folgetages in Moskau 0,3 l/m² fielen, kamen in Murmansk, deutlich näher am
Zentrum des Tiefdruckgebietes LILI gelegen, 8 l/m² zusammen.
Am 3. September war das Tiefdruckgebiet LILI zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Es besaß einen Kerndruck von unter 985 hPa und befand sich nördlich von
Spitzbergen. Nachfolgend bewegte es sich nach Norden und somit bis außerhalb
des von der Berliner Wetterkarte abgedeckten Kartenausschnittes.
Geschrieben am 06.10.2016 von Heiko Wiese
Berliner Wetterkarte: 31.08.2016
Pate: Lili Täger