Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet LISA

(getauft am 31.12.2020)

 

In der Prognosekarte des Deutschen Wetterdienstes vom 31.12.2020 um 00 UTC (also 01 Uhr MEZ) wurde die Entstehung eines kleinen Tiefdruckgebiets über dem Löwengolf im Mittelmeer aufgrund einer Störung der Welle des Tiefs JULIA von der Berliner Wetterkarte prognostiziert. Diese Zyklone wurde auf den Namen LISA getauft und war damit die letzte Zyklone, die im Jahre 2020 benannt worden ist. Mit dem Tief JULIA und der dadurch entstehenden nördlichen Strömung wurden am 31. Dezember kalte polare Luftmassen in einem weit nach Süden austrogenden Tiefdruckkomplex über Europa bis nach Spanien geführt. Durch das Überströmen der Pyrenäen entstand im Windschatten der Berge auf der windabgewandten Seite (Lee-Seite) durch die bestehende Divergenz in der Silvesternacht ein Gebiet niedrigeren Drucks. Durch die anhaltende Divergenz (Auseinanderströmen von Luftmassen) durch die nordwestliche Strömung über die Pyrenäen verstärkte sich das Lee-Tief und begann zu rotieren. Wie für ein Lee-Tief üblich blieb die Zyklone in den kommenden Tagen relativ stationär über dem Löwengolf, trug aber während ihrer Existenz zur Entwicklung einer außergewöhnlichen Wettersituation in Spanien bei.

 

Genau zum Jahreswechsel tauchte die Zyklone LISA das erste Mal in den Wetterkarten auf. Am Morgen des 01.01.21 lag ihr Zentrum genau über dem Löwengolf im Mittelmeer an der spanisch-französischen Grenze. Ihr Kerndruck von knapp 1010 hPa reichte durch dessen südliche Position, im Allgemeinen nimmt der Druck von den Polen in Richtung Äquator zu, um eine Rotation zu erzeugen. Mit ihr verbunden war eine vom Löwengolf ausgehende über Spanien und Portugal bis auf den Atlantik reichende Kaltfront, die polare Luftmassen aus nördlichen Regionen nach Spanien führte. Nach Norden reichte vom Löwengolf im Druckfeld mit einem schwachen Gradienten, also mit nur geringen Druckänderungen ohne nennenswerten Wind, eine Okklusionsfront (Mischfront) über Frankreich bis nach Nordrhein-Westfalen. Die Kaltfront rückte bis zum Abend bis zur afrikanischen Küste vor, während sich die Okklusionsfront langsam auflöste. Im Tagesverlauf brachte diese aber noch einmal Niederschläge in Frankreich und über den französisch-italienischen Alpen. In der Hafenstadt Marseille wurde am ersten Januartag des Jahres 2021 eine Niederschlagssumme von 10 mm gemessen, weiter östlich in Nizza waren es 14 mm. Weiter im Landesinneren Frankreichs fielen keine nennenswerten Niederschläge im Flachland. In den höheren Lagen der italienischen und französischen Alpen traten deutlich größere Niederschlagsmengen auf, die ab einer Höhe von etwa 500 m über dem Meeresspiegel als Schnee ausfielen. In den Gebirgslagen fielen verbreitet 10 bis 20 cm Neuschnee, in Staulagen teilweise bis zu 40 cm. So fielen beispielsweise an der italienischen Bergstation Rifugio Gastaldi-Balme auf rund 2700 m über NN 30 cm Neuschnee und im italienischen Ort Paesana auf 1265 m südwestlich von Turin 24 cm, in Turin blieben bei leichten Plusgraden nur 2 cm liegen. Die höchste Neuschneemenge mit 39 cm verzeichnete das in den italienischen Apennin liegende Bergdorf Bric Berton. Die Winde fielen dabei entsprechend zum Druckfeld mit einem geringen Gradienten lau aus, sie lagen bei unterschiedlichen Windrichtungen im Mittel meist bei unter 10 km/h, nur auf den Berggipfeln bei 20-30 km/h. Im Landesinneren befanden sich die Temperaturen dabei meist bei rund 5°C, die Null-Grad-Grenze verlief in rund 700 Metern Höhe. An der Mittelmeerküste war es durch das wärmende Wasser etwas wärmer, so wurden in Nizza Höchstwerte von 10°C gemessen, in Marseille waren es 9°C und in Lyon weiter im Landesinneren noch 4°C. Kälter war es in den von Bergen umgebenden Regionen, wie beispielsweise Turin mit 1°C. Die nach Spanien reichende Kaltfront ließ die Temperaturen über dem spanischen Festland durch die Kaltluftadvektion auf Werte um den Gefrierpunkt absinken. Die Niederschläge fielen außerhalb der Berge und der spanischen Küste gering aus, auf dem Navacerrada-Pass auf rund 1900 m Höhe nahe bei Madrid wurden 14 cm Neuschnee gemessen. In den Pyrenäen fielen mit verbreitet um die 5 cm deutlich geringere Mengen. Auch an der spanischen Küste zur Biskaya gab es stärkere Niederschläge, durch die wärmende See hier allerdings als Regen. Dort wurden verbreitet 25 bis 30 mm gemessen, an einigen Orten sogar noch mehr, wie in Santander mit 41 mm, oder in Castropol weiter westlich an der Grenze zu Portugal mit 37 mm. Hinter dem küstennahen von Westen nach Osten verlaufenden Kantabrischen Gebirge gingen die Niederschläge in Schnee über. Mit der nördlichen Strömung erreichten die Winde an den Küsten und über den Bergen Sturmstärke, wie z.B. im Küstenort Gijón oder dem an der spanischen Grenze liegenden französischen Ort Socoa. Mit der nordwestlichen Strömung wurden außerdem Mistralwinde erzeugt. Bei diesem lokalen Windeffekt werden Nordwestwinde durch einen Düseneffekt beim Durchströmen zwischen den Bergen der Pyrenäen und dem französischen Zentralmassiv deutlich verstärkt, in etwa vergleichbar mit der Erhöhung der Fließgeschwindigkeit von Wasser an einer Engstelle. Diese vor allem im Winter auftretenden Winde wehen oft in Sturmstärke auf den Löwengolf hinaus und formen die Bäume stark zur windabgewandten Seite. Bei diesem Mistral am Ausgang der Garonne-Carcassonne-Senke wurden an der Wetterstation Cap de Creus Windstärken von 54 km/h gemessen, vergleichbare umliegende Regionen wiesen nur Windgeschwindigkeiten von 10 bis 15 km/h auf.

 

Die Kaltfront von Tief LISA löste sich im Laufe der Nacht zum 02.01. an der afrikanischen Küste auf, zurück blieb eine schwache kleine Okklusion, die von Sardinien aus bogenförmig bis zur afrikanischen Küste verlief und sich im Tagesverlauf östlich bis zur italienischen Küste und Sizilien verlagerte. Zudem bildete sich im Tagesverlauf eine neue, deutlich schwächere Kaltfront vom Tiefdruckkern nahe der Straße von Bonifacio zwischen Sardinien und Korsika bis in die Straße von Gibraltar aus und advehierte weitere Kaltluft nach Süden. Östlich davon geriet mit einer Warmfront die Südseite der Alpen in eine südliche Strömung, die im Stau der Berge zu erheblichen Niederschlägen führte. Insbesondere in Südtirol fielen dabei verbreitet Niederschläge zwischen 50 und 60 mm, die Schneefallgrenze schwankte zwischen 400 und 800 m. In der italienischen Stadt Tolmezzo wurde mit 67 mm Regen innerhalb von 24 Stunden die höchste Niederschlagsmenge gemessen, in Pordenone weiter südlich waren es 37 mm. Im italienischen Bergdorf Forni di Sopra nahe der österreichischen Grenze auf rund 900 m Höhe wurden 20 cm Neuschnee erfasst. In den Schweizer Alpen fielen die Niederschläge nicht ganz so stark aus, hier lagen sie verbreitet bei Werten um 20 mm in 24 Stunden, so zum Beispiel in Turin mit 23 mm. Nennenswerte Winde traten dabei nicht auf. Die Okklusionsfront führte auch auf Sardinien, sowie an der Mittelmeerküste Italiens zu Niederschlägen. In Rom wurden 13 mm gemessen, in Neapel 11 mm, in Cagliari auf Sardinien 3 mm. Auch die nach Afrika ziehende Kaltfront brachte an der Küste etwas Regen, in Algier in Algerien fielen um die 2 mm. Insgesamt führte die feuchte Luftmasse im Verbund mit dem niedrigen Druck fast über dem ganzen Mittelmeerraum zu weiteren geringen Niederschlägen. Die Temperaturen blieben über dem spanischen Festland dabei weiterhin im geringen einstelligen Bereich, in Lagen ab 1000 m im Dauerfrost. In Madrid wurden Höchstwerte von 5°C gemessen, Marseille maß 6°C, Monaco 11°C, Rom 13°C und Palermo auf Sizilien 15°C. Mit der nordöstlichen Strömung verstärkte sich der Mistral-Effekt, gegen Abend erreichten die Winde dort an einigen Stellen orkanartige Böen, verbreitet Sturmstärke. In Perpignan in der Garonne-Carcassone-Senke wurde eine Böe mit 85 km/h erfasst, auf der Bergstation des 1567 m hohen Mont Aigoual wurden sogar 137 km/h gemessen. In den Pyrenäen erreichten die Böen ebenfalls teilweise Sturmstärke, außerhalb der Region blieben sie im Allgemeinen darunter. Der minimale Kerndruck von Tief LISA wurde mit 998 hPa gegen Mittag in Calvi auf Korsika gemessen, nachfolgend stieg der Kerndruck wieder an.

 

In der Nacht zum 03.01. löste sich auch die zweite Kaltfront an der afrikanischen Küste auf, das Frontensystem südlich der Alpen reichte nun von Genua bis in die Adria, wo sich die Okklusion in einen kurzen „Warmfront-Rest“ nach Osten und eine Kaltfront, die südlich über die Adria verlief, aufteilte. Der Warmfrontrest überquerte in der Nacht mit der zyklonalen Strömung die Alpen nach Norden. Durch die südliche Überströmung der Berge bildete sich im Lee in Süddeutschland ein schwaches Lee-Tief, was sich aber schon im Tagesverlauf wieder auflöste. Nördlich der Alpen fielen dabei kaum Niederschläge, die höchsten Niederschlagssummen traten am Alpenhauptkamm an der schweizerisch-österreichischen Grenze auf. In den Alpen sowie nördlich der Berge fielen die Niedersachläge bei Temperaturen von um oder knapp unter dem Gefrierpunkt überwiegend als Schnee oder Schneeregen, in den Südalpen und weiter südlich fiel Regen. So wurden in Bergamo bei einer Höchsttemperatur von 7°C 3 mm Niederschlag gemessen, in Turin weiter südlich war es noch 1 mm. Im Schweizer Ort Mosogno auf 780 m Höhe fielen 11 cm Neuschnee, in der italienischen Gemeinde Macugnaga waren es 13 cm. In Süddeutschland blieb es bei Niederschlagsmengen von unter 1 mm, dabei war es den ganzen Tag bedeckt. Auch in den italienischen Apennin fielen Niederschläge, aufgrund der höheren Temperaturen durchgängig als Regen. In Pontremoli in der Toskana gab es mit 22 mm die höchste Niederschlagssumme, auch in Rom fielen 21 mm. Die Höchsttemperaturen bewegten sich etwa bei 10°C an der Mittelmeerküste und nahmen in nördliche Richtung ab, in Bergamo lagen sie bei 7°C, in Konstanz am Bodensee bei 1°C. Über Sizilien und in der Adria waren die Temperaturen mit um die 15°C etwas höher. Die Ausläufer der Kaltfront von Tief LISA führten auch zu Niederschlägen in der albanischen und griechischen Mittelmeerregion. So wurden auf Korfu 20 mm gemessen, auf der griechischen Insel Kefalonia waren es sogar 58 mm. Der starke Mistralwind schwächte sich ab, ansonsten traten keine warnrelevanten Winderscheinungen auf. Die feuchten Luftmassen vom Mittelmeer sorgten dafür, dass fast über dem gesamten Alpenraum eine geschlossene Wolkendecke lag, Sonnenstunden wurden nur vereinzelt beobachtet.

Die Lage des Kerns des Tiefdruckgebietes LISA veränderte sich am 04. und 05. Januar kaum und lag konstant über Genua. Der Kerndruck schwankte dabei zwischen 1005 und 1010 hPa, zwischenzeitlich bildete die Zyklone mehrere dicht beieinander liegende Minima des Luftdrucks aus. Aufgrund der hohen Feuchtigkeit kam es über Norditalien am 04. Januar immer wieder zu Niederschlägen, klare Frontenstrukturen waren dabei jedoch nur schwer erkennbar. Die größten Niederschlagsmengen fielen dabei in den Gebieten zwischen Turin und Genua, Varisella etwas nördlich von Turin maß mit 35 mm die höchste Niederschlagssumme, in Pinerolo etwas südlich waren es 15 mm, an der Mittelmeerküste bei Genua 17 mm. An der italienischen Mittelmeerküste lagen die Niederschlagsmengen wie z.B. in Rom bei rund 5 mm. Am Alpenhauptkamm an der schweizerisch-italienischen Grenze fielen erneut 5 bis 15 cm Neuschnee, örtlich bis zu 25 cm wie z.B. am Moro-Macugnaga Pass auf 2820 m über NN.

In der Nacht zum 05. Januar bildete sich eine schwach ausgeprägte Kaltfront, die bogenförmig von Genua nach Süden über Sardinien und dann weiter nach Westen übers Mittelmeer nach Spanien verlief. Die Front brachte in der Nacht lokal teils starke Schauer, auf Mallorca wurde in Porreres eine Regensumme von 33 mm ermittelt, in Palma de Mallorca waren es nur 2 mm, andere Regionen der Insel hingegen bekamen gar kein Niederschlag ab.  Auch an der Westküste Sardiniens gab es Niederschlagssummen um die 20 mm, beispielsweise in Capa Caccia mit 23 mm. Erneut traten signifikante Niederschläge in den Apennin auf, diesmal etwas südlicher in den Regionen um Florenz und Grosseto in der Toskana, so beispielsweise 3 mm in Florenz und 15 mm in Orbetello. In Rom fielen 6 mm. Die Front blieb im Tagesverlauf nahezu stationär, so dauerten die Niederschläge vor allem in Norditalien an, auch in Rom fielen bis zum Abend weitere 23 mm. In den Apennin kamen noch mal verbreitet 10 bis 15 mm Regen runter, ebenso in Piemont. Die Temperaturen lagen im westlichen Mittelmeerraum dabei überwiegend zwischen 7 und 13°C, in Palermo auf Sizilien stiegen sie auf bis zu 15°C an. Auch im Innern Spaniens wurden Höchstwerte von knapp über 0°C gemessen, dabei ließen die teils strengen Nachtfröste von -5°C bis -8°C den Boden gefrieren, was dazu führen sollte, dass die Schneefälle, die in den kommenden Tagen in Madrid und Umgebung fallen sollten, liegen blieben.

Am 06. Januar wurde das Tief weiter nach Osten gedrängt und löste sich im Tagesverlauf auf. Die Okklusionsfront, von Norditalien über die Adria bis aufs Mittelmeer zwischen Afrika und Sardinien reichend, führte abermals in den Bergen der Apennin in der Toskana zu Niederschlägen, aber auch in Kroatien und Slowenien. In Pisa in der Toskana wurden im Tagesverlauf 18 mm gemessen, in Florenz 9 mm. In Slowenien fiel der Niederschlag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt überwiegend als Schnee, in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana fielen 14 mm Niederschlag, bei Temperaturen von 1°C blieben dabei 2 cm als Schnee liegen. Nach Süden stieg die Schneefallgrenze an, in der kroatischen Hauptstadt Zagreb fielen 3 mm Regen. Auf dem rund 1600 m hohen, nahe der Mittelmeerküste gelegenen kroatischen Berg Veliki Zavižan fielen 32 cm Neuschnee, knapp nördlich davon im nur knapp über dem Meeresspiegel liegenden Ort Senj gab es bei 7°C 26 mm Regen. Die Ausläufer der Front führten Schneefälle bis nach Österreich und Ungarn. Aufgrund der nur schwachen Druckgradienten traten keine stärkeren Winde auf.

Insgesamt wird das Tief LISA unter anderem als Wegbereiter für die stärksten Schneefälle seit Jahren in Spanien in Erinnerung bleiben. Durch die Blockade auf dem Atlantik konnten durch die Lage der Zyklone über Norditalien mit der zyklonalen Strömung kalte Luftmassen aus östlicher Richtung nach Spanien geführt werden. Bis auf lokale Windeffekte wie dem Mistralwind waren die Winde im Zusammenhang der Zyklone durch die geringen Druckunterschiede nur schwach ausgeprägt. Insbesondere in den italienischen Apennin und entlang des westlichen Teils des Alpenhauptkamms kam es durch die Fronten von Tief LISA zu erheblichen Niederschlagsmengen.