Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
LIVIA
(getauft am 11.10.2014)
Mitte Oktober 2014 bestimmte ein
Langwellentrog mit seiner Achse über Großbritannien bis zu den Azoren verlaufend
die Großwetterlage für Mitteleuropa. Dieser Trog war angefüllt mit maritimer Polarluft
im Druckniveau von 850 hPa, also einer Höhe von etwa 1500 m, und sorgte auf
seiner Ostseite über Mitteleuropa für eine südwestliche Grundströmung im
500-hPa-Niveau, also ungefähr 5,5 km über dem Boden. Vorderseitig, das heißt östlich
des Troges, verstärkte sich an diesem Tag ein Tiefdruckkern am Boden auf etwa
1010 hPa. Dieser lag am 11.10. um 00 Uhr UTC, das heißt um 01 Uhr MEZ, ungefähr
200 km westlich der portugiesischen Atlantikküste und bewegte sich, der
Höhenströmung folgend, in Richtung Nordspanien. Begünstigt durch die
vorderseitige Lage, wurde eine weitere Verstärkung des Kerns vorhergesagt und
das Tiefdruckgebiet daher in der Prognose für den folgenden Tag auf den Namen
LIVIA getauft.
Bis zum Nachttermin des 12.10. sank der
Kerndruck auf etwa 1005 hPa und das Tief LIVIA zog anschließend im Laufe des
Tages über die Biskaya bis nach Nordfrankreich. Auf Grund der zyklonal
gerichteten Strömung in Tiefdruckgebieten, also gegen den Uhrzeigersinn, bildeten
sich eine Warm- und eine Kaltfront aus. Die Warmfront verlief vom Kern nach Nordwesten
und in Richtung Süden konnten in einem Bogen zwei aufeinander folgende
Kaltfronten analysiert werden. Da die Warmfront nur langsam Richtung Norden
vorankam, wurde sie schnell von der kalten Luft eingeholt und es entstand im
Laufe des Tages eine Okklusion mit angehobener Warmluft. Aufgrund der Hebung
der Luft an den Frontensystemen bildeten sich hoch reichende Quellwolken, die viel
Niederschlag mit sich führten. Zusätzlich begünstigt durch Staueffekte an den
Alpen, wurden dabei im schweizerischen Locarno innerhalb von 24 Stunden bis 06
Uhr UTC des 13.10. 117 l/m² Regen registriert. Im Norden Italiens kam es am
anschließenden Vormittag zu extremen Gewitterschauern, so wurden innerhalb von
drei Stunden mehr als 250 l/m² an der Station Lavagnia
Lago nordwestlich von Genua gemessen. Hinter der nach Norden ziehenden
Warmfront wurden vor allem in Bayern und Baden-Württemberg Höchstwerte der
Temperatur von über 20°C gemeldet. In Berlin-Dahlem wurden 16,9°C erreicht, zu
erwarten wären in dieser Jahreszeit Maxima der Temperatur um 14°C.
Im Verlauf des 13.10. zog das Tief LIVIA
mit fallendem Kerndruck auf etwa 1005 hPa über Nordfrankreich und den
Ärmelkanal. Die fortschreitende Okklusion führte im Norden des Kerns Richtung Osten
über Belgien bis zum Okklusionspunkt über Westdeutschland. Von dort verlief die
Kaltfront Richtung Süden und die Warmfront nach Osten und es bildete sich bis
zum Nachttermin des Folgetages ein neuer Tiefdruckkern LIVIA II aus. Bis dahin
überquerten die Niederschlagsgebiete entlang des Frontensystems der Zyklone
LIVIA in leicht abgeschwächter Form den deutschen Raum. So fielen etwa in 24
Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages 15,6 l/m² an der Station in Regensburg
und 11,6 l/m² auf Helgoland.
Bis zum 14.10. verlagerte sich der Kern des
Wirbels LIVIA I mit einem Druck von etwa 1000 hPa entlang der Nordseeküste bis
über Dänemark und das Tief LIVIA II über Litauen Richtung Osten. Zwischen
diesen beiden Tiefdruckzentren verlief eine gealterte Okklusion und vom
Okklusionspunkt nahe des Zentrums der Zyklone LIVIA II erstreckte sich die
Kaltfront wieder in einem Bogen nach Süden bis über das Mittelmeer und die
Warmfront nach Südosten bis östlich von Minsk. In den kühleren Luftmassen
hinter der Kaltfront sanken die Tageshöchsttemperaturen um fast 4 Grad. An der
Station in Lindenberg beispielsweise von 21,0°C des Vortages auf nun 17,6°C. Die
Niederschlagsmengen an den Frontensystemen fielen geringer aus. Im westpolnischen
Pila wurden im Tagesverlauf noch 10,6 l/m² in 12
Stunden bis 18 Uhr UTC gemessen.
Im Laufe des 15.10. wurde das Tief LIVIA I langsam
in die Zirkulation des nachfolgenden Wirbels MARGIT aufgenommen, während die
Zyklone LIVIA II unter leichter Abschwächung weiter Richtung Osten über
Russland zog. Die dazugehörigen Frontensysteme schwächten sich dabei besonders
am Boden immer weiter ab. Auch die damit verbundenen Niederschläge wurden immer
schwächer und weitläufiger. Lediglich im Kernbereich des Tiefs LIVIA II kam es
lokal noch zu Schauern, welche beispielsweise an der Station in Ventspils in Lettland zu 5 l/m² Regen in 12 Stunden bis 06
Uhr UTC des Folgetages führten.
An den beiden darauffolgenden Tagen verstärkte
sich der Kern von Tief LIVIA noch einmal auf unter 1000 hPa, zog jedoch dabei
weiter Richtung Osten über Moskau und war daher für das Wetter in Zentraleuropa
nicht mehr bestimmend. In Russland fiel der meiste Niederschlag in Form von Schnee.
So wurden beispielsweise an der Station Poschechonje
2,4 l/m² Schnee in 24 Stunden bis zum Abendtermin um 18 Uhr UTC des 17.10.
gemessen.
Das Tiefdruckgebiet LIVIA zog anschließend
weiter über Zentralrussland und das Uralgebirge und verließ bis zum 20.10. den
Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte. Zusammenfassend legte Tief LIVIA
damit an 9 Tagen über 5000 km quer über Europa zurück. Dabei teilte sich der
Wirbel in die Kerne LIVIA I und II und sorgte speziell im Alpenraum für Schauer
und Gewitter mit hohen Niederschlagsmengen.
Geschrieben
am 09.11.2014 von Jannick Fischer
Berliner
Wetterkarte: 13.10.2014
Pate:
Livia Zanella