Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet LOTTI
(getauft am 01.02.2018)
Zu Beginn
des Monats Februar stand Mitteleuropa im Einfluss eines umfangreichen
Tiefdruckgebiets namens KARI über Nordwesteuropa. Dies bedeutete leicht
wechselhaftes Wetter über Deutschland, wobei in der eingeflossenen maritimen
Subpolarluft tagsüber leichte Plusgrade gemessen wurden und nachts je nach
Bewölkungssituation leichter Frost auftrat. Winterliches Wetter mit Schnee und
Dauerfrost war den gesamten Winter in Mitteleuropa noch nicht aufgetreten.
Dagegen hatte der Winter Skandinavien und Nordwestrussland fest im Griff. Hier
wurden zu Beginn des Monats selbst am Tage kaum mehr als -10°C registriert,
lediglich in Moskau wurden -9°C gemessen. Gebietsweise wurden noch nicht einmal
-15°C gemessen wie beispielsweise in Murmansk mit -17°C. Auch der Schnee lag
vielerorts mehrere Dutzend Zentimeter hoch. Bspw. in Moskau lag er bei 37cm.
Im Laufe
des 01. Februar drangen Ausläufer von Tief KARI bis in den Alpenraum vor und
trafen dort auf warme Mittelmeerluft. Die Temperaturunterschiede im
Zusammenspiel mit der Orographie führten über dem Golf von Genua zu einer
Zyklogenese. Der Begriff Zyklogenese bezeichnet die Erzeugung oder Verstärkung einer
Zyklone, also eines Tiefdruckgebiets. Nach
Prognose der Meteorologen der Berliner Wetterkarte sollte sich das entwickelnde
Tief in den folgenden Stunden und Tagen über Italien verstärken und mit
Höhenströmung nordostwärts Richtung Osteuropa und Russland ziehen. Auf der
Rückseite sollte der Wirbel einen Schwall arktischer Luftmassen, bzw.
kontinentaler Polarluft auch nach Deutschland lenken, wodurch der erste
richtige Wintereinbruch bevorstand. Und so wurde das Tief am 01.02. auf den
Namen LOTTI getauft.
Erstmals
analysiert werden konnte Zyklone LOTTI in den Frühstunden des 02. Februar als
flaches Tief mit Kern über dem Golf von Genua, wo der Luftdruck bei knapp unter
1005 hPa lag. Der Kern war eingebettet in die Ausläufer von Tief KARI, welche
eine Art Luftmassengrenze zwischen westlichem Mittelmeer, Alpenraum und
östlichem Mitteleuropa darstellten. Am Tage entwickelte sich dann über
Norditalien ein eigenständiges Tief mit Warm- und Kaltfront. Dies ging mit
Niederschlägen einher, die zwei Regionen besonders trafen: Zum einen das Gebiet
der Nördlichen Dinariden, Istrien und Venetien, zum anderen die Südlichen
Dinariden, Mazedonien und Albanien. Hier wurden zumeist zweistellige
Niederschlagsmengen innerhalb eines 12-stündigen Messintervalls beobachtet.
Nachts breiteten sich die Niederschlagsfelder mit ähnlicher Intensität
großflächig über die Apenninen- und Balkan-Halbinsel aus. Dabei fielen in der
Spitze z.B. im kroatischen Pula 25 l/m² oder im italienischen
Bologna 30 l/m² bis zum darauf folgenden Morgen.
Die
Intensivierung, sowie Ausdehnung der Regenfälle kam nicht zuletzt durch die
weitere Vertiefung des, mit Zentrum in den Frühstunden des 03. Februars über
Korsika befindlichen, Wirbels LOTTI zustande. Um 00 UTC, was 01 Uhr MEZ
entspricht, war der Kerndruck schon auf etwas unter 995 hPa gesunken.
Mittlerweile hatten sich auch frontale Strukturen herausgebildet. So verlief
die Kaltfront vom Zentrum aus in südliche Richtungen über das Tyrrhenische Meer
bis nach Tunesien, die Warmfront dagegen nordostwärts über die Adria bis nördlich
von Belgrad.
Tief LOTTI
verlagerte seinen Schwerpunkt im Laufe des Tages rasch nordostwärts nach
Osteuropa. Genauer schwächte sich der Kern über Italien und der Adria ab,
während ein neuer Kern über Rumänien und der Ukraine entstand. Mit dem Tief und
dem weiteren Vordringen der Kaltfront Richtung Adria und Balkanhalbinsel
setzten sich die Niederschläge fort, die lokal auch von Blitz und Donner
begleitet waren. Neben Italien war nahezu die gesamte Balkanhalbinsel von Slowenien
bis Albanien betroffen. Hier fielen zwölfstündlich Mengen von mehr als 10 l/m²,
wie in Belgrad mit 13 l/m², in Spitze auch über 40 l/m². Die Niederschläge
gingen vor allem in den nördlichen Dinariden, welche sich auf Höhen von
durchschnittlich 500-1500 m erheben, vermehrt als Schnee nieder. Damit erhöhte
sich die Schneedecke vor allem über Slowenien, Kroatien und Bosnien um mehrere,
teils einige Dutzend Zentimeter bis zum Abend, im zentralkroatischen Ogulin sogar von 26 cm auf 56 cm.
Auch
nachts machte der Regen keine Pause, vor allem nicht über Griechenland, Mazedonien
und Bulgarien, wo kräftige Schauer beispielsweise im nordgriechischen Ioannina 36 l/m² und im mazedonischen Skopje 29 l/m²
innerhalb von 12 Stunden brachten. Auch im Bereich des sich neu
konstituierenden Kerns über Ukraine, Weiß- und Westrussland kam es zu Niederschlägen,
die westlich des Tiefdruckzentrums als Schnee, östlich davon als Regen fielen.
In Lemberg registrierte man beispielsweise 12 l/m², in Gomel 16 l/m² und in
Moskau 9 l/m² im selben Zeitraum.
Unterdessen
wurde Tief LOTTI am frühen Morgen des 04.02. mit einem Druck von knapp unter
1000 hPa über der Ukraine analysiert. Reste des alten Kerns befanden sich
dagegen über Mittelitalien, wo der Luftdruck mittlerweile bei knapp 1010 hPa
lag. Während der tiefe Luftdruck über Italien verschwand, erreichte die Zyklone
den Höhepunkt in ihrer Entwicklung. Um 12 UTC war der Luftdruck über dem
südwestlichen Zentralrussland bis auf 993 hPa gefallen. Gleichzeitig drang die
Kaltluft weiter ostwärts über Südosteuropa bis zur Türkei und dem Schwarzen
Meer voran. Auf der anderen Seite gelang ein Schwall Warmluft über Südrussland
nordwärts bis in die Wolgaregion. Dies machte sich nicht nur durch weitere
Niederschläge im Übergangsbereich bemerkbar, sondern in erster Linie auch an
den Temperaturen. Während beispielsweise in Sofia nach 16°C am Vortag nur noch
maximal 8°C erreicht wurden, konnten in Saratow +1°C gemessen werden, nachdem
es hier tags zuvor noch mäßigen Dauerfrost mit
-5°C
gegeben hatte.
Schauerartig,
teils gewittrig waren die Niederschläge entlang der Kaltfront, in einem
Streifen von der Ägäis über das Westschwarzmeer bis zur Ukraine und die damit
einhergehenden Regenmengen recht uneinheitlich verteilt. Im bulgarischen Burgas
fielen 18 l/m², in Istanbul 9 l/m², in Bukarest aber nur 0,3 l/m² zwischen 06
und 18 UTC. Den eigentlichen Niederschlagsschwerpunkt bildete jedoch der
Bereich rund um den nordostwärts ziehenden Tiefdruckkern. Dabei wurden in einem
ebenfalls 12-stündigen Messintervall z.B. in Moskau 19 l/m² und in Nischni Nowgorod 12 l/m² gemessen.
Mit dem
weiteren Vordringen der Zyklone nach Nordrussland wurde an der Westflanke
zunehmend arktische Luft ins Baltikum, Weiß- und Westrussland gelenkt, dabei
sanken die Temperaturen hier in den folgenden Nächten auf unter -10°C, teils
unter -15°C. Dagegen drang östlich des Kerns erwärmte Subpolarluft weiter
nordwärts über die Wolgaregionen bis Nordwestrussland vor, sodass es dort auch
nachts frostfrei blieb. Vor allem im Übergangsbereich stellten sich
bemerkenswerte Temperaturdifferenzen auf kleinstem Raum ein. Während in Nischni
Nowgorod in Zentralrussland bei Regen minimal +0,3°C gemessen wurde, kam es im
nur 160 km weiter westlich gelegenem Iwanovo bei
-13°C zu gelegentlichem Schneefall. Aber nicht nur über Nordwestrussland
lagerte arktische Kaltluft, auch über Skandinavien war es mit Minima zwischen
-10 bis -20°C, teils unter -30°C, frostig kalt. Im schwedischen Lappland, in Nikkaluokta, zeigte beispielsweise das Thermometer in der
Nacht zum 05. Februar -36,4°C.
Diese
Kaltluft erreichte von Norden her im Laufe des 05. Februar allmählich auch
Mitteleuropa. So stiegen die Temperaturen tagsüber über Polen, Teilen
Tschechiens und Deutschlands kaum oder nur wenig über 0°C, z.B. in Erfurt auf
nur -2°C, in Warschau bis auf -3°C. Weiter östlich über dem Baltikum, Weiß- und
Westrussland gab es mäßigen bis strengen Dauerfrost mit Höchsttemperaturen von
etwa -8°C in Minsk oder -11°C in Moskau. Dazu hatten die Schneefälle der
vergangenen Tage, induziert durch Tief LOTTI, die Schneedecke gerade über
Westrussland auf teils über einen halben Meter anwachsen lassen. Moskau meldete
am Morgen des 05. Februar 06 UTC eine Schneehöhe von 55 cm.
Der
Tiefdruckkern selbst verlagerte sich im Tagesverlauf unter leichter
Abschwächung Richtung Baltikum. Dabei drang die Kaltfront über Russland weiter
ostwärts Richtung Uralgebirge vor, während die Warmfront sich langsam nordwärts
Richtung Nordwestrussland schob. Die damit verbundenen Niederschläge fielen
jetzt fast überall als Schnee und waren vor allem entlang der Wolga mitunter
auch kräftiger. Zwischen 03 und 15 Uhr UTC wurden hier meist zwischen 5 und 10
l/m², teils aber auch mehr registriert. Etwa fielen in Kazan 7 l/m², in Wologda
6 l/m² und in Samara sogar 19 l/m². Allerdings hatte dies keinen nennenswerten
Einfluss auf die hiesige Schneedecke, einzig im Bereich der Wolgastauseen,
zwischen Uljanowsk und Saratow wurden Zuwächse von 5-10 cm bis zum darauf
folgenden Morgen beobachtet.
In
Mitteleuropa sorgte Tief LOTTI derweilen für die kälteste Nacht des bisherigen
Winters. Im Zustrom polarer und subpolarer Festlandskaltluft sackte das
Thermometer vor allem über Ostdeutschland und im südlichen Polen unter die
-10°C-Marke, beispielsweise in Gera bis auf -12°C, in Dresden auf -10°C und in
Kattowitz bis auf -14°C. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass hier im
Gegensatz zu Osteuropa noch kaum eine geschlossene Schneedecke vorhanden war,
die die nächtliche Auskühlung befördert hätte.
In den
Frühstunden des 06. Februar befand sich Tief LOTTI mit Zentrum über dem Oblast
Leningrad mit einem Kerndruck von noch knapp unter 1015 hPa. Die Zyklone war
mittlerweile teilokkludiert, was eine Mischfront beschreibt, welche
Eigenschaften einer Warm- als auch einer Kaltfront aufweist. Die Warmfront
erstreckte sich vom Okklusionspunkt, mehrere hundert Kilometer westlich von St.
Petersburg, zonal über Nordwestrussland bis ins nördliche Westsibirien, die
Kaltfront dagegen in einem lang gezogenen Bogen entlang der Wolga südwärts bis
über den Kaukasus hinweg in die Türkei. In den folgenden Stunden okkludierte
und schwächte sich das Tief weiter ab, sodass auch die frontalen Niederschläge
über Russland nachließen und sich nur noch auf den Bereich nahe dem
Tiefdruckzentrum beschränkten. So kam es über Finnland, Karelien, dem Baltikum
und Weißrussland zu leichten Schneefällen mit Intensitäten von wenigen Litern,
zumeist nur wenigen Zehntel Litern pro Quadratmeter innerhalb von 12 Stunden.
Dabei wurden in St. Petersburg und Helsinki etwa 0,3 l/m² beobachtet, in Wilna
waren es 3 l/m², in Riga und Minsk jeweils 1 l/m². In Hinblick auf die
Temperaturen änderte sich im Vergleich zum Vortag wenig. Über Mitteleuropa
wurde häufig leichter Dauerfrost beobachtet wie bspw. In Leipzig mit -1°C, über
Skandinavien und Russland herrschte weiterhin verbreitet strenger Frost wie in
Moskau mit -11°C.
Während
die gebietsweise leichten Schneefälle über Nordosteuropa auch in der Nacht zum
und am 07.02. weiter anhielten, zog Tief LOTTI von der mittleren Ostsee
nordwärts Richtung Finnland. Dort löste es sich bis zum Tagesende auf.