Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet LUCY

(getauft am 22.10.2020)

 

Eine großräumige Wellenstörung über dem äußersten Nordosten Amerikas sollte im weiteren Verlauf über den Atlantik hinweg Kurs auf Europa nehmen. Daher entschieden sich die Meteorologen der Berliner Wetterkarte bereits am 22.10.2020 dafür dieses noch in den Kinderschuhen steckende Tief in der Analyse auf den Namen LUCY zu taufen.

Am Tag der Taufe um 02 Uhr MESZ befand sich der Kern der noch sehr jungen Zyklone LUCY unweit von Québec. Östlich des Kerns, wo ein Druck von rund 1018 hPa herrschte, lag die Warmfront in West-Ost-Richtung bis zum Atlantik vor Neufundland. Circa 400 km westlich Neufundlands ging die Warmfront in die Kaltfront des Wirbels KATJA über, welcher sich mitten auf dem Nordatlantik befand. Südwestlich des Kerns von Tief LUCY verlief die Kaltfront unter anderem über die US-Bundesstaaten New York und Pennsylvania. In den vorangegangenen 24 Stunden regnete es an der Warmfront auf Neufundland beispielsweise in Burgeo 6,6 l/m² oder 1,4 l/m² in Wreckhouse. In der gleichen Zeitspanne fiel an der Kaltfront weniger Regen als an der Warmfront. Zum Beispiel waren es in Portland nur 0,3 l/m² und 7 l/m² in Caribou, ganz im Norden von Maine. Dabei stieg die Temperatur auf 14,0°C in St. Lawrence oder 13,3°C in Burgeo nach Durchgang der Warmfront, während sie im Einflussbereich der Kaltfront bei 11,9°C in Ottawa lag.

Langsam drehten sich die Fronten ein und das Tiefdruckgebiet LUCY hatte einen Tag später schon das charakteristische Aussehen eines Tiefdruckwirbels. Über dem nordwestlichen Atlantik lag der Kern mit einem Druck von etwa 1008 hPa. Südöstlich des Kerns verlief die hakenförmige Warmfront bis zum Azorenhoch. Die Kaltfront reichte bis zum Nordwestatlantik vor der Küste Nova Scotias und Neufundlands. Im Anschluss ging diese Front in eine Warmfront über. Im genannten Zeitraum fielen dabei beispielsweise 1,4 l/m² in Wreckhouse oder 1,5 l/m² in Bonavista, jeweils auf Neufundland, bei Höchsttemperaturen von 13,9°C in St. Lawrence und 14,8°C in Badger.

 

Die Zyklone LUCY gelang zunehmend ins Umfeld des Tiefs KATJA bei Island. Am 24.10.2020 um 02 Uhr MESZ lag der Kern circa 800 km südlich von Island über dem Atlantik. Im Vergleich zum Vortag hatte sich der Kerndruck um sagenhafte 50 hPa auf rund 958 hPa abgesenkt. Das dazugehörige Windfeld sorgte in Irland und Schottland für orkanartige Böen der Stärke 11. Die Okklusion, auch Mischfront genannt, der nun zum Orkantief herangereiften Zyklone LUCY verlief bogenförmig um den Kern und anschließend bis in den Westen Irlands. Der Okklusionspunkt lag vor der irischen Südwestküste. Von dort erstreckten sich die Warmfront westlich der Biskaya und die Kaltfront in einem großen Bogen über den Nordatlantik, wo sich eine Warmfront anschloss. An der Kaltfront schob sich kalte Luft abrupt unter die wärmere Luftmasse im Warmsektor. Ausläufer der Kaltfront brachten auf den Azoren bis zu 0,5 l/m² Regen in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ. Entlang der Mischfront in Irland und im Westen Schottlands waren es in der gleichen Zeit zum Beispiel 15 l/m² in Belmullet. An der Warmfront gab es ähnliche Regenmengen mit beispielsweise 13,6 l/m² in Casas Do Porto in Galicien. Bei dem Sturm und Regen stieg die Temperatur auf 11,0°C in Mullingar, 11,3°C in Cork und 12,2°C in Dublin, wurde aber teilweise als noch kälter empfunden.

Bei einem etwa gleichbleibenden Kerndruck von knapp 959 hPa zog der Orkan LUCY weiter nach Norden und lag einen Tag später immer noch südlich von Island. Die einst dem Tiefdruckkomplex KATJA I und II angehörigen Okklusion wurde nach Auflösung von Tief KATJA mit in das Frontensystem des Wirbels LUCY aufgenommen, so dass die Mischfront vom Kern abgehend über den Südosten Islands bis zum südlichen Europäischen Nordmeer verlief. Zudem erstreckte sich eine Okklusionsfront im Einflussbereich von Tief LUCY vor Schottland und über Irland. Vom Okklusionspunkt über dem südlichen Europäischen Nordmeer verlief die Warmfront quer über den Süden Skandinaviens, wo sie sich bei Stockholm einer Kaltfront einer kleinen Welle anschloss. Derweil ging die sehr kurze Kaltfront von Tief LUCY schon vor der südwestlichen norwegischen Küste in eine Warmfront über. Die Regenfälle intensivierten sich an der Okklusion und im Bereich der Warmfront im Vergleich zum Vortag. So wurden zum Beispiel im 12-stündigen Zeitraum bis 08 Uhr MESZ in Eskifjörður 59,7 l/m², 53,3 l/m² an der Station Kvamskogen-Jonshogdi bei Bergen und 38,7 l/m² in Sauda gemessen. An der Mischfront südöstlich des Kerns gab es mit maximal 11 l/m² in Claremorris weniger Regen. Dabei wurden Höchsttemperaturen von 9,7°C in Bergen, 6,8°C im isländischen Akurnes oder 12,5°C auf Sherkin Island an der Südspitze Irlands registriert. Die höchsten Windgeschwindigkeiten im Einflussbereich des Orkantiefs LUCY traten auf Island auf. Im Westen der Insel wurden gebietsweise Orkanböen erreicht und auf den Britischen Inseln und an der niederländischen Nordseeküste gab es vereinzelt schwere Sturmböen.

 

Am nächsten Tag begann sich das Tief LUCY aufzufüllen und in 2 Kerne zu teilen. Die Okklusion, die am Vortag noch südöstlich der Zyklone lag, verband sich nun mit dem einem der beiden Teilkerne, welcher LUCY I benannt wurde, und mit einem Kerndruck von rund 978 hPa über dem Norden Schottlands lag. Zwischen Island und Skandinavien befand sich der Kern der Zyklone LUCY II mit einem minimalen Luftdruck von knapp 980 hPa. Dabei verlief die Mischfront von LUCY I über Schottland und dem Norden Irlands in einem Bogen. Anschließend fielen bis zu 15 l/m² im schottischen Aultbea, 19 l/m² in Shap oder 17 l/m² Regen in Castlederg innerhalb von 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ. Die Okklusion des Tiefs LUCY II verlief bogenförmig vom Nördlichen Eismeer quer über dem Norden Skandinaviens bis zum äußersten Norden des Bottnischen Meerbusens, wo sich der Okklusionspunkt befand. Davon abgehend erstreckte sich die Warmfront südostwärts bis in den Osten Estlands. An dieser Front schob sich langsam Warmluft über vorlaufende kältere Luft, wo sich deswegen schichtförmige Wolkenfelder bildeten und etwas Niederschlag fiel. Die viel längere Kaltfront erstreckte sich vom Okklusionspunkt in südwestliche Richtung bis in die Provence. Dort ging sie in eine Warmfront über. Im nördlichen Skandinavien wurden in der erwähnten Zeitspanne maximal 22 l/m² Niederschlag in Tornio gemessen. Ähnliche Mengen kamen entlang der Kaltfront zusammen, wie in Sala mit 18 l/m² oder 20 l/m² in Hastveda. Am südlichen Teil der Kaltfront wurde in Hanglagen der Alpen der meiste Niederschlag vermeldet, wie z.B. in Boudry, im französischen Teil der Schweiz, mit 36 l/m². Die Temperatur stieg auf 9,9°C in Vaasa, 11,8°C in Bremen und 14,0°C in Pershore. Der Wind hatte sich leicht abgeschwächt. Auf den Britischen Inseln und in Finnland wurden jedoch immer noch Sturmböen oder schwere Sturmböen erreicht.

 

Der Kern des Wirbels LUCY I lag einen Tag später mit einem weiter angestiegenen Luftdruck von rund 988 hPa über der Nordsee zwischen Schottland und Norwegen. Die dazugehörende Höhenokklusion verlief s-förmig vom Norden Frankreichs, der Nordsee und Schottland bis zu den Shetland-Inseln. Dort schloss sich eine bodennahe Okklusion an, die unter dem Einfluss des Tiefs LUCY II stand. Der Kern dieses Tiefdruckgebietes befand sich auf halber Strecke zwischen Island und Norwegen über dem Europäischen Nordmeer, wo ein Druck von knapp 985 hPa gemessen wurde. Von dort erstreckte sich die Okklusion nach Nordosten, wo sich circa 250 km südlich von Spitzbergen ein weiterer Kern mit dem Namen LUCY III ausbildete und ein Luftdruck von ungefähr 989 hPa herrschte. Dessen Okklusion verlief bis zur Halbinsel Kola. Vom dortigen Okklusionspunkt erstreckte sich die Warmfront südwärts bis in die Nähe von Moskau. Die sehr kurze Kaltfront ging bereits am Weißen Meer in eine Warmfront über. Die Niederschlagsintensität hatte dabei meist deutlich nachgelassen. Es wurden nur noch maximal 3 l/m² innerhalb von 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ festgestellt, wie in Teriberka bei Murmansk und Baltasound auf den Shetland-Inseln. Vereinzelte, aber zum Teil recht kräftige Schauer an Dänemarks Nordseeküste sorgten in derselben Zeit für 9 l/m² in Thyborøn. Ganz im Norden, in der Nähe der Okklusion von Tief LUCY III, lag die Höchsttemperatur bei 0,4°C in Banak oder 0,5°C in Karasjok. Ansonsten wurden zum Beispiel 10,6°C in Petrosawodsk, 10,1°C in Stavanger und 9,3°C in Aberdeen gemessen. Trotz des stetig steigenden Kerndrucks und der damit verbundenen Abschwächung des Tiefdruckkomplexes LUCY I-III gab es immer noch Sturmböen im Nordwesten Russlands, wegen dem Druckunterschied zum angrenzenden Hoch östlich von Moskau.

 

Am 28.10.2020 um 02 Uhr MESZ war noch das Tiefdruckgebiet LUCY II mit dem Kern zwischen Island und Skandinavien sowie der Wirbel LUCY III mit dem Zentrum bei Spitzbergen bei einem jeweiligen Luftdruck von circa 988 hPa übrig. Das ehemalige Teiltief LUCY I gelang in den Einflussbereich von ex-EPSILON und wurde daher in dessen Zirkulation mit aufgenommen. Verbunden waren LUCY II und III mit einer hakenförmigen Okklusion. An dieser Front hatte die Kaltluft die wärmere Luft eingeholt und komplett vom Boden gehoben. Zusätzlich verlief eine Mischfront von Spitzbergen über der Barentssee bis zum Ural. Über der Barentssee ging die Okklusion in eine Warmfrontokklusion über, hinter der also wärmere Luft herangeführt wurde. In der genannten Zeitspanne gab es keine nennenswerten Niederschläge mehr zu vermelden. Auf Spitzbergen, im Bereich des Tiefdruckkerns von LUCY III, waren es höchstens 0,6 l/m² in Barentsburg. Dabei lag die Höchsttemperatur an dieser Station bei -1,4°C, bei 6,8°C im norwegischen Bodø und 3°C auf Nowaja Semlja.

Mit dem weiteren Anstieg des Luftdruckes lösten sich alle verbliebenen Fronten und auch die zwei noch übrigen Kerne des Tiefdruckkomplexes LUCY bis zum nächsten Tag auf.