Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet LYDIA

(getauft am 01.08.2018)

 

Am 01. August 2018 befand sich Deutschland auf der Vorderseite eines umfangreichen Höhentrogs mit Drehzentrum knapp südlich von Island. Die daraus resultierende südwestliche Strömung überdeckte die westlichen und nördlichen Teile Deutschlands, während sich der Rest unter einem schmalen Höhenkeil befand, der ein Höhenhoch über Nordwest-Afrika mit einem weiteren über Fennoskandinavien verband. Am Boden konnte ein Tief über Island sowie über dem südwestlichen Norwegen analysiert werden. Die Okklusions- und Kaltfront erstreckte sich dabei von Island über Norwegen, Deutschland bis Frankreich. Eine Okklusion bzw. Okklusionsfront stellt die Vereinigung von Kalt- und Warmfront dar. Um 01 Uhr MEZ befand sich das Tief KOLETTA über dem norwegischen Bergland. In den Vormittagsstunden des 01. Augusts bildete sich etwas südlicher ein neues Wellentief aus. Ein Wellentief, auch Frontalwelle genannt, bezeichnet ein kleinräumiges und relativ flaches Luftdruckminimum an einer wellenförmig deformierten Bodenfront ohne eigenständige Zirkulation. Dieses Tief wurde in der Prognose auf den Namen LYDIA getauft und erschien erstmals am 02. August um 01 Uhr MEZ auf der Berliner Wetterkarte nahe Bornholm.

Entlang der Kaltfront des neu entstandenen Tiefs LYDIA gab es von Rügen bis zum Saarland und der Schweiz einzelne Schauer und örtlich kräftige Gewitter. Meist fielen bis 19 Uhr MEZ in diesem Streifen 1 bis 6 mm Regen in 12 Stunden und besonders im Saarland, Thüringen und der Schweiz bei Gewittern auch höhere Mengen. Saarbrücken vermeldete 10,9 mm, Merzig 20,9 mm und das Schweizer Aadorf sogar 52,4 mm in 12 Stunden. Die Temperaturhöchstwerte lagen in der Subtropikluft östlich der Kaltfront bei 30 bis 38°C, westlich bei 21 bis 29°C. Am heißesten wurde es in Regensburg mit 37,9°C. Durch die blockierende Wirkung des über Osteuropa gelegenen Hochs INGOLF konnte sich die Kaltfront kaum nach Osten verlagern. In der Nacht vom 01. zum 02. August verstärkte sich die Niederschlagsaktivität aufgrund konvergenter Luftströme – es trafen Südost- auf Nordwestwinde. Von Bernburg über dem westlichen Havelland bis zum Ruppiner Land entwickelte sich gegen Mitternacht an der Kaltfront eine heftige Gewitterlinie. Diese blieb die ganze Nacht stationär über demselben Bereich liegen. Stellenweise trat bis zu 4 cm großer Hagel auf, daneben gab es eine extreme Blitzaktivität. Insgesamt wurden am 02. August 70.000 Blitze in Deutschland registriert. Bis 07 Uhr MEZ konnten extreme 12-stündige Regenmengen vermeldet werden. Genthin registrierte 105,1 mm, Kleinmühlingen im Salzlandkreis 81,0 mm, Neuruppin 66,0 mm und Bernburg 47,1 mm. In Berlin konnte man die ganze Nacht über Wetterleuchten beobachten, also Blitze ohne hörbaren Donner. Regen fiel aber abgesehen von wenigen Tropfen keiner. Auch in Bayern, Baden-Württemberg sowie vom Saarland bis Südniedersachsen und Thüringen fielen 5 bis 20 mm Niederschlag, hier überwog jedoch schauerartiger Regen. Die Tiefstwerte lagen vor der Kaltfront bei 23 bis 20°C, sodass verbreitet eine Tropennacht erreicht wurde. Tropennächte sind Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20°C sinkt. In Berlin-Tegel war es sogar die vierte Tropennacht in Folge. Sonst kühlte es auf 19 bis 15°C, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein bis örtlich 10°C ab.

Am 02. August schwächten sich die schauerartigen Regenfälle langsam ab. Bis 13 Uhr MEZ fielen 6-stündig in einem schmalen Streifen von Thüringen bis zum westlichen Havelland nochmals 5 bis 30 mm. Schwarzburg in Thüringen vermeldete 29,8 mm und Zerbst in Sachsen-Anhalt 21,6 mm. Im Tagesverlauf entstanden im Vorfeld der Front von Bayern bis Sachsen einzelne Hitzegewitter. Diese fielen regional sogar unwetterartig aus. Zwischen Nürnberg und Regensburg sank die Temperatur am Nachmittag während eines Gewitters von 30°C in kurzer Zeit auf 18°C. Die höchsten Regenmengen vermeldeten die bayerischen Orte Riedenburg und Parsberg. Bis 19 Uhr MEZ fielen hier in 12 Stunden 45,8 mm bzw. 44,9 mm. Ansonsten blieb die Front meist wetterinaktiv und brachte kaum Wolken oder Niederschlag. Die Höchstwerte stiegen bei 10 bis 14 Sonnenstunden auf 30 bis rund 36°C mit der höchsten Temperatur von 35,8°C im hessischen Bad Nauheim. Einzig in dem schmalen Streifen im Osten Deutschlands, wo am Vormittag der Regen fiel, sowie an den Küsten blieben die Höchstwerte mit 25 bis 29°C unter der 30°C-Marke.

Am 03. August um 01 Uhr MEZ lag das Tief LYDIA mit einem Druck von ca. 1012 hPa über dem nördlichen Teil der Ostsee. Nördlich des Kerns erstreckte sich eine Okklusion bis Grönland, südlich davon die Kaltfront über die Ostsee bis über Bayern.   Entlang der Kaltfront bildeten sich erneut im östlichen Bayern sowie im südöstlichen Sachsen Schauer und Gewitter. Meist blieben die 12-stündigen Niederschlagsmengen bis 19 Uhr MEZ bei höchstens 10 mm, einzig im sächsischen Aue konnte mit 35,6 mm eine deutlich höhere Menge gemessen werden. Hier sank die Temperatur um 12:30 Uhr MEZ innerhalb von 10 min von 30 auf 21°C. Ansonsten blieb die Wetterfront eher inaktiv und brachte keinen weiteren Regen. Nur in der Nähe des Kerns von Tief LYDIA konnte es im Tagesverlauf über Nordschweden und Norwegen zu Niederschlägen kommen. Bis zum Morgen des nächsten Tages wurden 24-stündige Regenmengen von 10 bis 22 mm gemessen.

Am 04. August um 01 Uhr wurde Tief LYDIA über Finnland mit einem vertieften Druck von 1008 hPa analysiert. Die Okklusionsfront reichte vom Nordkap über Sankt Petersburg und ging nahe Minsk in eine Kaltfront über, die bis zum Riesengebirge reichte. Meist blieb die Front nicht wetteraktiv, einzig knapp südlich des Kerns bildeten sich in Estland Schauer und Gewitter, welche bis 19 Uhr MEZ 12-stündig maximal 25 mm Regen brachten: Turi verzeichnete 25,1 mm und Pärnu 20,5 mm. Die Höchstwerte lagen an der Front bei 25 bis 30°C, in Weißrussland auf der Vorderseite der schwachen Kaltfront bei rund 32°C.

Vom 05. bis 07. August zog das Tief LYDIA unter Verstärkung von Finnland über den Norden Russlands in Richtung Ural. Der Druck fiel dabei am 07. August auf unter 1000 hPa. Den höchsten Niederschlagswert in 24-Stunden vermeldete das östlich von Sankt Petersburg gelegene Olonez mit 38 mm am 05. August. Auf der selben Zugbahn wie Tief LYDIA zog das Tief MIRJA in einem Abstand von knapp 800 km hinterher. Mit Durchzug der beiden Tiefs kam es zu einem markanten Temperatursturz im Norden Finnlands und Russlands. Während am 02. August in diesen Regionen ungewöhnlich heiße 25 bis 32°C gemessen wurden, lag die Höchsttemperatur am 6. August nur noch bei 10 bis 20°C. Rückseitig der beiden Tiefdruckkerne von LYDIA und MIRJA drehte die Bodenströmung direkt auf Nord, sodass arktische Luftmassen einfließen konnten. Am 07. August um 01 Uhr MEZ wurde das Tief LYDIA letztmalig auf der Berliner Wetterkarte knapp östlich des Ural verzeichnet. Im weiteren Verlauf löste sich die Zyklone auf.