Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet LYSANDER
(getauft am 23.09.2019)
Die Vergabe
von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner
Wetterkarte nur für Druckgebilde durchgeführt, die einen Einfluss auf die
Großwetterlage in Europa haben. Am 23.09.2019 verlagerte sich ein Tiefdruckgebiet
mit einem Frontensystem bis zu der Labradorsee in der Nähe der Ostküste Kanadas.
Der Wirbel lag somit direkt in der starken Westwinddrift, welche auf der der
500-hPa-Karte anhand der engen Abstände der Isobaren – Linien gleichen
Bodendrucks – ersichtlich war. Deshalb wurde prognostiziert, dass sich das
Tiefdruckgebiet schnell nach Osten und somit nach Europa verlagern würde und dementsprechend
taufte der Meteorologe vom Dienst bei der Berliner Wetterkarte die Zyklone auf
der Analysekarte vom 23.09. auf den Namen LYSANDER.
Die Zyklone LYSANDER
war am 24.09. um 00 Uhr UTC bzw. 02 Uhr MESZ etwa 1000 km nordöstlich von
Neufundland verortet. Diese Region rund um Neufundland ist typisch für die
Verstärkung von Zyklonen. Der Wirbel hatte einen Kerndruck von unter 980 hPa,
was bereits ein relativ niedriger Druck für eine Tiefdruckzone ist. Schließlich
beträgt der mittlere Druck auf Meeresniveau 1013 hPa. Das Entwicklungsstadium
war bereits weit fortgeschritten, sodass das Frontensystem aus einer Okklusion,
einer Kalt- und einer Warmfront bestand. Bei der Okklusion handelt es sich um
eine Mischfront, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront
entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Warm- und
Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten
Luftmassen. Die Okklusionsfront erstreckte sich vom Tiefdruckzentrum ca. 500 km
nach Westen. Das Tiefdruckzentrum war gleichzeitig der Okklusionspunkt, in
welchem sich die Okklusionsfront in eine Warm- und Kaltfront aufspaltete. Die
Warmfront war nach Südosten ausgerichtet und endete 1500 km südöstlich vom
Druckzentrum. Die Kaltfront lag südwestlich und mündete über dem amerikanischen
Festland in eine Warmfront. Im Tagesverlauf hatte der Wirbel noch keinen
Einfluss auf das Wetter in Europa.
Am folgenden
Tag befand sich das Tief LYSANDER 1000 km südlich von der grönländischen Stadt Tasiilaq mit einem Kerndruck von unter 980 hPa. Dort lag
die Zyklone unter dem Zentrum eines Trogs, eines Gebiets tieferen Drucks in der
mittleren Atmosphäre, weshalb die Westwinde abgeschwächt wurden und sich der
Wirbel LYSANDER nur langsam nach Osten fortbewegte. Am Abend erreichte die
Front die Britischen Inseln und sorgte dort für einige signifikante
Wetterzustände. In Coningsby fielen 18,2 l/m², in
Port Ellen 16,6 l/m² und in Albermarle 16,0 l/m². Zudem frischte der
Nordwestwind auf und erreichte zeitweilig Windstärke 11 mit bis zu 106 km/h auf
dem exponiertem Cairngorm. Dieser ist bekannt
aufgrund seiner hohen Windgeschwindigkeiten. Der Windrekord liegt dort bei 274
km/h.
Aufgrund der
schwachen Westwinddrift verlagerte sich das Tiefdruckgebiet LYSANDER bis zum
26.09. nur ca. 800 km nach Osten. Der Druck hatte sich leicht erhöht um ca. 5
hPa. An diesem Tag gab es mehrere Schwerpunkte der Niederschläge: Wales,
Südnorwegen und Deutschland. In Wales gab es advektiven Regen mit eingelagerten
Schauern. Dies zeigt die große Variabilität in den lokalen Niederschlagssummen.
Am Lake Vyrnwy wurden 35,6 l/m² registriert. In der
50 Kilometer weiter südwestlich verorteten Station Trawscoed
lag die Niederschlagsmenge lediglich bei 4,6 l/m². Zudem kam es in den
Niederlanden und Deutschland zu advektivem Landregen. In Rotterdam wurden 15,7
l/m² gemessen. Den gleichen Wert registrierte ebenfalls die Station in Utrecht.
Der dritte Niederschlagsschwerpunkt war an der Südküste Norwegens verortet.
Hierbei sorgte die Rotationsrichtung des Tiefdruckgebiets dafür, dass von Süden
feuchte Luftmassen aus der Nordsee angeströmt wurden und es an der Küste zu
orographisch bedingter Hebung kam. In Konsmo-Høyland wurden
beispielsweise 56,6 l/m² gemeldet. Im norwegischen Gebirge war es ebenfalls
stürmisch. Im Tal Røldalsfjellet wehte der Wind mit
111 km/h.
Am folgenden
Tag befand sich die Zyklone LYSANDER 500 km nordwestlich von Schottland mit
einem Druck von unter 990 hPa. An diesem Tag lag der Warmsektor und die kurz
darauffolgende Kaltfront über Deutschland, weshalb in den deutschen
Mittelgebirgen und den Alpen verbreitet zweistellige Niederschlagswerte fielen.
In Heilsbronn, auf 420 Metern Höhe, sorgte ein kräftiges Gewitter für 66 l/m².
In Berlin-Dahlem wurden 12,5 l/m² gemessen. Des Weiteren erreichte der
Nordwestwind vereinzelt Sturmstärke bei bis zu 93 km/h auf dem Feldberg im
Schwarzwald.
Im Laufe des
Tages spaltete sich das Tief LYSANDER in 2 Kerne auf, welche auf der
Bodenwetterkarte des 28.09. mit römischen Ziffern identifiziert wurden. Der
östliche Kern lag mit knapp 1010 hPa über Warschau und der westliche Kern über der
Nordsee mit einem Kerndruck von unter 995 hPa. Der Niederschlagsschwerpunkt
verlagerte sich nach Slowenien und Kroatien. An der Seilbahnstation auf dem
slowenischen Berg Vogel auf 1535 Metern wurden beispielsweise 27,5 l/m²
gemessen. In Vojsko waren es immerhin 26,3 l/m². Die
kroatische Station Puntijarka meldete 24,0 l/m² durch
anhaltenden Regen. Zudem sank die Temperatur im Vergleich zum Vortag um bis zu
6 Kelvin in Südostösterreich. Dort sank die Höchsttemperatur lokal auf 15°C ab.
Am 29.09. lagen
die zwei Kerne der Zyklone LYSANDER über dem Skagerrak und dem Bottnischen
Meerbusen mit einem Druck von jeweils etwa 1000 hPa. Der Druck glich sich im
Tagesverlauf der Umgebung an, weshalb sich das Tiefdruckzentrum auflöste und
nur noch der restliche Frontcharakter vorhanden war. Am 30.09.2019 war Tief
LYSANDER nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet.