Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet MADELEINE

(getauft am 15.04.2012)

 

Am 15.04. befand sich ein, von Westen her Richtung Europa ziehendes neues Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von rund 1015 hPa über dem mittleren Nordatlantik. Da abzusehen war, dass dieses Tief für das Wettergeschehen in Europa bedeutend sein würde, wurde es noch am gleichen Tag auf den Namen MADELEINE getauft. Das Tief verfügte über eine ca. 700 km lange Warmfront, die Richtung Nordosten verlief, sowie über eine Richtung Süd-Südwest verlaufende Kaltfront, die sich bis über den Analysebereich der Berliner Wetterkarte hinaus erstreckte.

Bis zum Folgetag, dem 16.04., hatte sich das Tief MADELEINE mit seinem Zentrum um mehr als 2100 km weiter nach Nordosten verlagert und lag mit dem Kern über dem Nordatlantik, ca. 1300 km westlich von Irlands Westküste. Das Tief hatte sich bis zu diesem Tag schon leicht verstärkt, was am Rückgang des Kerndrucks um 2 hPa auf etwa 1013 hPa zu erkennen war. Die gut 700 km lange Warmfront der Zyklone erstreckte sich annähernd geradlinig nach Osten, wohingegen ihre Kaltfront in einem ca. 1200 km langen südwestlichen Bogen bis weit über den Nordatlantik reichte. Innerhalb von 24 Stunden war der Kerndruck des Wirbels MADELEINE weiter bis auf  ca. 975 hPa gesunken, was eine erhebliche Verstärkung des Druckgebildes darstellte. Die Zyklone hatte sich mit ihrem Kern einige Hundert Kilometer weiter nach Nordosten verlagert und befand sich nun mit dem Zentrum etwa 500 km westlich der Britischen Inseln, südlich von Island. Zwischen dem Tiefdruckgebiet MADELEINE und einem gut 1100 km entfernten, in südwestlicher Richtung liegenden Hochdruckgebiet mit einem Kerndruck von etwas mehr als 1035 hPa entstand auf dieser Entfernung folglich ein Druckunterschied von etwa 60 hPa. Solche großen Druckunterschiede führen zu starken Winden, da die Luft aus dem Gebiet mit dem hohen Druck in das Gebiet mit dem geringeren Druck strömt. Bemerkbar waren diese Winde allerdings fast ausschließlich über dem Atlantik oder im Süden Irlands. So meldete die Station der irischen Insel Valentia in den Morgenstunden Westwinde mit Geschwindigkeiten von maximal 11 m/s, was auf der Beaufortskala der Windstärke 6 entspricht. Bereits an diesem Tag begann das Tiefdruckgebiet MADELEINE zu okkludieren. Beim sogenannten Okklusionsprozess holt die Kaltfront die Warmfront des Tiefs ein, wodurch sich eine Mischfront herausbildet, die Okklusionsfront genannt wird. Diese verlief vom Zentrum der Zyklone aus in einem süd-südwestlichen Bogen bis zur Südküste Irlands. Dort befand sich der sogenannte Okklusionspunkt, an dem sich die Okklusionsfront wieder in eine Warm- und eine Kaltfront aufteilte. Die Kaltfront des Tiefs MADELEINE verlief vom Okklusionspunkt aus über die Biskaya in Richtung Südwesten, entlang an der Nordwestspitze Spaniens bis hinaus auf den Nordatlantik, einige Hundert Kilometer südwestlich der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Die Kaltfront verlief in einem ebenfalls bogenförmig nach Südwesten, weit über den Nordatlantik hinaus bis in die Nähe des Zentrums des starken Hochdruckgebietes, etwa 1100 km südwestlich des Kerns von Tief MADELEINE gelegen. Entlang der Kaltfront, die an diesem Tag weite Teile Frankreichs und Spaniens überzog, gab es gebietsweise Niederschläge. So meldete etwa die Station in Paris zwischen 12 und 19 Uhr MEZ fast durchgängig leichten Regen, wodurch insgesamt 6 l/m² Niederschlag gemessen wurden. Die Wetterstation im spanischen La Coruna meldete ebenfalls 6 l/m² Regen im Zeitraum von 07 Uhr bis 01 Uhr MEZ des Folgetages.

Am 18.04. zeigte sich das Tief MADELEINE mehr und mehr spiralförmig. Es lag mit seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck von knapp über 975 hPa herrschte, nun über Zentralirland. Die Okklusionsfront des Wirbels verlief in einem hohen Bogen zuerst Richtung Norden, zur Nordküste Schottlands und dann weiter Richtung Süd-Südwest bis zu den Pyrenäen. Dort wechselte die Okklusionsfront in den Charakter einer Kaltfront, die in einem zuerst südwestlichen, dann nordwestlichen Bogen bis weit hinaus über den Nordatlantik reichte. In Kaltfrontnähe, also vor allem über Spanien und Portugal, wurden zum Teil beträchtliche Niederschlagsmengen ermittelt. So wurden in La Coruna zwischen 07 Uhr und 24 Uhr MEZ Regenmengen von 31 l/m² aus leichtem und mäßigem, teils sogar starkem Regen erfasst. Die Station in der portugiesischen Stadt Porto meldete immerhin noch 5 l/m² zwischen 07 und 19 Uhr MEZ.

Am darauffolgenden Tag, dem 19.04., befand sich das Tief MADELEINE mit seinem Kern über der englischen Hauptstadt London. Der Kerndruck lag unverändert bei etwas über 975 hPa. An diesem Tag zeigte sich im Frontensystem des Tiefs eine Besonderheit, da außerhalb der ersten Okklusionsfront noch eine zweite zu finden war. Die erste Okklusionsfront verlief vom Kern aus in einem engen Bogen um den Kern herum, zuerst Richtung Norden, dann über die Nordsee, von dort aus Richtung Süden über die Mitte Frankreichs und dann weiter in westlicher Richtung bis zum Golf von Biskaya. Die zweite Okklusionsfront verlief hingegen von der Südspitze Irlands in einem nordöstlichen Bogen über Schottlands Nordküste hinweg bis etwa zur norwegischen Stadt Bergen. Nahe den Okklusionsfronten fiel vielerorts Niederschlag. In der französischen Stadt Bordeaux wurden zwischen 01 Uhr und 13 Uhr MEZ beispielsweise 7 l/m² aus Regenschauern und Regen registriert.

Bis zum 20.04. verlagerte sich die Zyklone weiter in Richtung Nordosten und lag mit ihrem Zentrum nun etwa 100 km nordöstlich von London, direkt über der englischen Ostküste. Der Kerndruck hatte sich wieder etwas erhöht und lag nun bei knapp unter 990 hPa. Vom Kern aus verlief die Okklusionsfront als wellenartige Linie erst nordwärts über die schottische Stadt Edinburgh, dann südostwärts über die Nordsee und anschließend über den Westen Deutschlands bis nach München. In Okklusionsnähe, also auch im deutschen Raum, wurden verbreitet kleinere Niederschlagsmengen registriert. Die Wetterstation in Goldberg erfasste beispielsweise innerhalb von 24 Stunden, von 07 Uhr bis 07 Uhr MEZ des Folgetages, 9 l/m² Regen. An der Station in Kiel gab es im Zeitraum von 07 bis 19 Uhr MEZ Regenschauer, die rund 8 l/m² ergaben und in den Stunden zwischen 13 und 16 Uhr MEZ sogar ein Gewitter.

Zum darauffolgenden Tag, dem 21.04., verlagerte sich das Tief MADELEINE nur geringfügig weiter in Richtung Norden und lag damit immer noch über der englischen Ostküste. Der Kerndruck des Tiefs lag nun bei etwa 998 hPa. Die Okklusionsfront erstreckte sich von einem Punkt über dem Nordatlantik, der sich etwa mittig zwischen Island und Schottland befand, bis über die Nordsee, etwa 200 km nördlich des Zentrums der Zyklone, und weiter über Dänemark und die Ostsee bis nach Warschau in Polen. In Okklusionsnähe wurden zum Beispiel von der Station der dänischen Stadt Thyboron zwischen 01 und 07 Uhr MEZ etwa 3 l/m² Regen registriert.
Am 22.04. befand sich das Tief MADELEINE mit seinem Zentrum mittig über der Nordsee, wobei der Kerndruck unverändert bei etwa 998 hPa lag. Die Okklusionsfront verlief in einem südöstlichen Bogen über die Ostsee bis zur polnischen Hauptstadt Warschau. Von dort ausgehend schloss sich eine Kaltfront an, die in südwestlicher Richtung bis zur österreichischen Hauptstadt Wien führte. Vor allem im Einflussbereich der Kaltfront kam es wieder zu Niederschlägen. Die Wetterstation im österreichischen Innsbruck meldete beispielsweise im Zeitraum von 01 bis 19 Uhr MEZ leichte Regenschauer und Regenfälle, die zu einer Niederschlagssumme von 9 l/m² führten. In Klagenfurt am Wörthersee regnete es zum Teil auch stark, wodurch hier im gleichen Zeitraum sogar etwas mehr als 19 l/m² gefallen waren. Zum 23.04. hin hatte sich Tief MADELEINE quasi stationär über der Nordsee und der Kerndruck lag unverändert bei ca. 998 hPa. Die Okklusionsfront des Wirbels verlief als nahezu gerade Linie Richtung Ost-Nordost bis etwa 50 km südlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm. An diesem Tag war der lebhafte und regenträchtige Wirbel MADELEINE zum letzten Mal auf der Berliner Wetterkarten zu analysieren, da er sich bereits zum Folgetag hin, dem 24.04., vollständig aufgelöst hatte.

 


Geschrieben am 09.05.2012 von Gregor Meusel

Berliner Wetterkarte: 17.04.2012

Pate: Dr. Madeleine Sachs