Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet MARCEL
(getauft am 05.02.2017)
Besonders im
nordhemisphärischen Winter treffen kalte Luftmassen aus der Arktis über dem
Atlantik mit warmen Luftmassen aus den Tropen an der sogenannten Frontalzone
zusammen. In höheren Luftschichten führt das zu einem weltumspannenden
Starkwindband, dem Jetstream, der infolge der Erdrotation meist von West nach
Ost weht. Dieser Wind ist jedoch unterschiedlich stark und führt zu
Unregelmäßigkeiten in der Strömung, die sich am Boden zu Tiefdruckgebieten
entwickeln können. Diese haben die Aufgabe, das Temperaturungleichgewicht der
Erde auszugleichen, damit die Temperatur global gesehen unverändert bleibt. Am
04.02. verlief in 500 hPa, in einer Höhe von etwa 5,5 km, ein Starkwindband von
den Neuengland-Staaten über den Atlantik bis zur Iberischen Halbinsel. Eine
dieser Unregelmäßigkeiten führte am Boden östlich der Azoren zu einer
Verwellung der Frontalzone und somit zu Druckfall. Warme Luftmassen stoßen an
der Warmfront des Tiefs nach Norden vor, während kalte Luftmassen an der
Kaltfront nach Süden vordringen. Weil sich Tiefdruckgebiete auf der
Nordhalbkugel infolge der Erdrotation gegen den Uhrzeigersinn drehen, befindet
sich gewöhnlich die Warmfront in Bewegungsrichtung vor, d.h. östlich der Kaltfront.
Bis zum 05.02. um
01 Uhr MEZ entwickelte sich aus dieser Welle ein eigenständiges Tief, dass an
diesem Tag auf den Namen MARCEL getauft wurde. Es befand sich zu dieser Zeit
mit einem Kerndruck von etwa 991 hPa über der Biskaya. Da die Kaltfront schneller
als die Warmfront zieht, holt sie diese im Entwicklungsprozess eines Tiefs ein
und bildet dann eine Mischfront, bei der die warme Luft nur noch in höheren
Luftschichten vorhanden ist. Diese Front wird als Okklusion bezeichnet. Vom
Zentrum verlief diese kurze Mischfront um den Wirbel MARCEL herum und spaltete
sich am Okklusionspunkt noch über der Biskaya in eine über die Pyrenäen bis
nach Sardinien reichende Warmfront und eine bis knapp nördlich von Madeira
erstreckende Kaltfront auf. Im Bereich der Warmfront gleitet die leichtere
wärmere Luft auf die am Boden liegende kältere Luft auf. Im Mischbereich ist
die Luft von Feuchtigkeit übersättigt, was letztlich zu länger andauernden
Regenfällen führt. Bis zum Morgen um 07 Uhr MEZ fielen über Südwestfrankreich
bis zu 43 mm Niederschlag als Regen in 12 Stunden. In den Pyrenäen stauten sich
die Wolken stark, was an der Bergstation Canfranc zu 60 mm Niederschlag führte.
Im Norden und Nordwesten Spaniens sorgte vor allem die Kaltfront für hohe
Niederschlagssummen. Dort schob sich die schwerere, dichtere Kaltluft wie ein
Keil unter die Warmluft und hob diese an. Die Folge waren Schauer und Gewitter,
die im gleichen Zeitraum 8 bis 20 mm Niederschlag brachten. Hinter der
Kaltfront sank die Schneefallgrenze deutlich ab, sodass höher gelegene Berge
teilweise starken Schneefall meldeten, während der meiste Niederschlag in
flüssiger Form fiel. Das nordwestlich von Madrid auf etwa 1000 m gelegene
Segovia meldete um 07 Uhr bei mäßigem Schneefall eine Temperatur von knapp über
dem Gefrierpunkt, während es an der Mittelmeerküste verbreitet Temperaturen von
14 bis 17°C, in Pego zwischen Valencia und Alicante sogar 19°C gab. Tagsüber
wurde wenig weiter südlich mit knapp 24°C bei Murcia die höchste Tagestemperatur
auf dem spanischen Festland gemessen. Das kräftige Tief MARCEL führte zu teilweise
orkanartigen Winden. In Segovia erreichte der Wind eine Stärke von Beaufort 11
zwischen 01 und 07 Uhr MEZ, Valencia und Alicante meldeten zwischen 07 und 13
Uhr MEZ schwere Sturmböen der Stärke 10 und in Tarragona in Katalonien wurden
zwischen 13 und 19 Uhr MEZ Böen der Stärke 11 gemessen, in Barcelona blieb es
zu diesem Zeitpunkt bei Sturmböen der Stärke 9. Schon am Morgen bildete sich
über dem Golfe du Lion ein Randtief, was im Laufe des Tages zunehmend die Rolle
des steuernden Tiefs erhielt, während sich der vorherige Kern bis in die Mitte
Frankreichs verlagerte und stark abschwächte.
Am Folgetag um 01
Uhr MEZ lag das neue Tief MARCEL mit einem Druck von ca. 998 hPa nahe der
italienischen Hauptstadt Rom. Die bis über die Adria reichende Okklusionsfront
teilte sich dort in eine bis zum Bosporus reichende Warm- und eine über
Sizilien bis ins westliche Libyen reichende Kaltfront auf. Eine Höhenokklusion
verband das vorherige Tief über dem Osten Frankreichs mit dem neuen Zentrum.
12-stündig fiel bis zum Morgen an der Station Guidonia nahe Rom 35 mm
Niederschlag, auch weite Teile der Schweiz meldeten über 10 mm. Die Niederschläge
erreichten auch den Südwesten Deutschlands, in Ihringen am Rhein fielen 10 mm
als Regen, oberhalb von 500 m fiel meist Schnee, bis zu 14 cm Neuschnee gab es im
Südschwarzwald. Bis zum Abend verlagerten sich die Niederschläge südostwärts.
Im Süden und Südosten Österreichs kamen zu den in der Nacht und am Morgen gefallenen
verbreiteten 10 bis 20 mm Niederschlag nochmals meist bis zu 15 mm hinzu.
Während sich im Norden und Westen des über Österreich liegenden
Niederschlagsgebiets bei Maximaltemperaturen von 0 bis 2°C auch ein gewisser
Schneeanteil unter den Regen mischte, fiel beispielsweise im Burgenland bei bis
zu 5°C länger andauernder Regen. Weiter südöstlich stauten sich die Wolken am
Dinarischen Gebirge, was auch an der östlichen Adriaküste zu
Niederschlagssummen in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ von verbreitet über 30 mm
führte. Der Niederschlag war teils von starken Gewittern durchsetzt, so wurden
innerhalb von nur einer Stunde am Mittag 5000 Blitze gezählt. Die maximale
Temperatur trat an diesem Tag in Albanien auf, wo in Tirana 21°C bzw. auf Sazan
Island 22°C gemessen wurden. Auf der Rückseite des Tiefs MARCEL stellte sich in
Frankreich starker Mistral ein, ein kalter Fallwind aus Norden, der von den
Alpen weht und durch das Rhonetal zusätzlich beschleunigt wird. Marseille
meldete an diesem Tag volle Orkanstärke mit 126 km/h, auf dem Mont Aigoual
wurden sogar 163 km/h gemessen.
Am 07.02. um 01 Uhr
MEZ befand sich das Zentrum des Tiefdruckwirbels MARCEL knapp südlich von Rom
und wies einen Kerndruck von ca. 1003 hPa auf. Die Okklusion befand sich zu
diesem Zeitpunkt von der Toskana bis zur Adria, die Warmfront verwellte über
dem Balkan und reichte über das Schwarze Meer hinweg bis nördlich des Kaukasus.
Die Kaltfront wurde knapp westlich der Balkanhalbinsel noch über der Adria und
von dort aus nach Süden westlich von Griechenland bis über das zentrale Libyen
analysiert. Von Österreich über den westlichen Balkan bis Griechenland gab es
in der Nacht gebietsweise zweistellige Niederschlagssummen bis 07 Uhr MEZ in 12
Stunden. Athen meldete dabei 10 mm, Zagreb 20 mm und Bihać in Bosnien 24 mm.
In Rumänien stieß die im Warmsektor nach Norden vorankommende Warmluft auf eine
bodennahe Kaltluftschicht, die aus Kontinentaleuropa herangeführt wurde. Am
Boden machte sich das anhand der minimalen Temperaturen der Nacht bemerkbar, im
Südwesten blieb die Temperatur bei bis zu 5°C, im Nordosten und auch im
benachbarten Moldawien trat leichter bis mäßiger Frost bis -6°C auf. Dazwischen
lag die Warmfront des Tiefs MARCEL, die nach Norden für Schneefälle sorgte,
während es in der milden Luft meist nur regnete. In Moldawien und im nördlichen
Rumänien fielen bis zu 8 mm Niederschlag im selben Zeitraum als Schnee. Die
Kaltfront verlagerte sich im Tagesverlauf rasch ostwärts. Die in höheren
Luftschichten vorhandene Kaltluft labilisierte die Atmosphäre aufgrund des
hohen Temperaturkontrasts mit dem warmen Mittelmeer zunehmend, sodass in der
Ägäis und in der westlichen Türkei Gewitter mit zum Teil hohen
Niederschlagssummen bis zum Abend aufzogen. Auf Kos fiel in diesem Zeitraum 40
mm Niederschlag, im türkischen Bodrum nur wenige Kilometer entfernt blieb es
dagegen noch trocken.
Das Bodentief
MARCEL schwächte sich zum 08.02. um 01 Uhr MEZ deutlich ab, der minimale Druck
erhöhte sich auf etwa 1008 hPa und auch in höheren Luftschichten war das
ehemals stark aufgeprägte Höhentief inzwischen kaum noch erkennbar. Eine vom
Kern nach Süden reichende Okklusion erstreckte sich im weiteren Verlauf entlang
der libyschen Küsten nach Westen. Im Umfeld der Zyklone MARCEL sorgte in der
Nacht weiterhin höhenkalte Luft für viel Niederschlag an der östlichen
Ägäis-Küste. Bodrum meldete sogar 57 mm bis 07 Uhr MEZ in 12 Stunden, Kos
meldete noch einmal 46 mm und um Izmir wurden 34 bis 48 mm Regen gemessen, der
durch Schauer und zum Teil kräftige Gewitter ausgelöst wurde. In diesem sich
kaum verlagernden an der türkischen Küste liegenden sogenannten mesoskaligen
konvektiven System konnten auch stürmische Böen der Stärke 8 gemessen werden.
Oftmals treten noch deutlich stärkere Böen auf, allerdings muss dazu eine
höhere Verlagerungsgeschwindigkeit vorhanden sein. Auf dem griechischen
Festland blieben die Niederschlagsmengen durch die Front des Tiefs MARCEL
deutlich geringer, Athen beispielsweise meldete bis zu 6 mm Niederschlag. Tagsüber
ließ die Niederschlagsaktivität deutlich nach, aus dem Gewitterkomplex der
Nacht fielen am Morgen noch 8 mm Niederschlag auf Rhodos.
Am 09.02. um 01 Uhr
MEZ befand sich das inzwischen frontenlose Tief MARCEL mit ca. 1013 hPa
zwischen Zypern und dem Nildelta. Tagsüber gab es in Lefkopa bei Nikosia auf
Zypern in 12 Stunden bis zum Abend noch 6 mm Niederschlag, in Anamur an der
türkischen Küste 10 mm. Im Tagesverlauf löste sich das Tief MARCEL endgültig
auf, sodass es am Folgetag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert
werden konnte.
Geschrieben
am 25.02.2017 von Dustin Böttcher
Berliner
Wetterkarte: 05.02.2017
Pate:
Marcel Ziefle