Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet MARCO

(getauft am 18.05.2021)

 

Im Laufe des 17.04.2021 begann sich über dem Westatlantik im Grenzbereich zwischen polarer Kaltluft im Norden und subtropischen Luftmassen im Süden ein neuer Tiefdruckwirbel zu formieren, der anhand der Analysekarte für 00 UTC des 18.04. auf den Namen MARCO getauft wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Zentrum des sich formierenden Wirbels mit einem Druck von unter 1010 hPa auf der gedachten Schnittlinie von Qartoqoq (Südgrönland) mit der marokkanischen Hauptstadt Rabat. Von seinem Kern reichte sowohl eine Warmfront nach Osten, die sich über den Azoren mit dem Frontensystem eines Tiefs vor Nordwestspanien verband, als auch eine Kaltfront über den Atlantik nach Südwesten. Unterhalb der ausgeprägten Höhenströmung des Jetstreams wurde das sich verstärkende Tief in den folgenden 48 Stunden rasch nach Nordosten geführt. Hebungsprozesse im Kernbereich des Wirbels als auch entlang seines sich ausprägenden Frontensystems ließen dabei die bodennahen, feuchten Luftmassen in deutlich kühlere Luftschichten aufsteigen, was die Entwicklung eines markanten Niederschlagsfeldes zur Folge hatte. Dieses streifte auf ihrem Weg nach Europa im Laufe des 19.05. zunächst die Azoren. Schauerartiger Regen führte auf dem Archipel innerhalb von 24 Stunden bis 06 UTC des darauffolgenden Morgens am Flughafen São Jorge 15,0 und in Horta 28,7 mm mit sich.

 

Gegen 00 UTC des 20.05. befand der sich zu einem Sturmtief verstärkende Wirbel MARCO mit einem auf unter 985 hPa gefallenen Kerndruck bereits südwestlich vor Irland. Teile seiner Warmfront waren in der Zwischenzeit von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt worden. Die aus dem Zusammenschluss beider resultierende Okklusionsfront erstreckte sich vom Kern des Tiefs bis zu ihrem Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, südlich seines Zentrums. Von dort reichte die Warmfront weiter in Richtung der Iberischen Halbinsel und die ihr folgende Kaltfront in südwestlicher Richtung auf den Atlantik hinaus. Über den Azoren annähernd stationär verbleibend nahm sie dabei vorübergehend den Charakter einer Warmfront an. Zwei weitere Okklusionsfronten die sich nördlich als auch westlich des Zentrums befanden, beide Überbleibsel eines Tiefs das sich zuvor über Schottland aufgelöst hatte, waren dagegen kaum noch wetteraktiv. Das eigentliche Frontensystem des Tiefs MARCO traf in den Morgenstunden zunächst auf Irland und überschritt im Tagesverlauf Großbritannien sowie den Ärmelkanal in Richtung der Nordsee und Nordfrankreich. Der einsetzende, teils schauerartig verstärkte Regen brachte binnen 24 Stunden am Flughafen von Dublin 12,0 mm, in Claremorris 22,0 mm und am Valentia Observatory 25,0 mm. Die Niederschlagsmengen waren dabei regional recht unterschiedlich ausgeprägt: Wurden im Norden der grünen Insel an der Station Ballypatrick Forest 57,8 mm registriert, fielen im nur knapp 60 Kilometer südlich gelegenen Belfast gerademal 13,8 mm. Jenseits der Irischen See waren Niederschlagsmengen über 20 mm ebenfalls keine Seltenheit. Am ergiebigsten waren sie im Norden Englands als auch in Wales ausgeprägt. Durch den mitunter schauerartig verstärkten Dauerregen waren auf der Isle of Man 26,8 mm, in Shap 35,8 mm, und bei Bala am gleichnamigen See 46,6 mm registriert worden. Im walisischen Capel Curig, dem nassesten Ort der Britischen Inseln, konnten gar bis zu 83,4 mm gemessen werden, wohingegen es im Süden Englands, wie in London mit 0,8 mm oder in Plymouth mit 1,6 mm, vergleichsweise trocken blieb. In Irland als auch entlang der Irischen See wurden die Niederschläge zudem von einem stark böigen Südwestwind begleitet, der in exponierten Lagen in Spitzen auch orkanartig ausfallen konnte. So beispielsweise am Malin Head mit 104,5 km/h, in Capel Curig mit 114,9 km/h oder in Pembrey Sands mit einer Höchstgeschwindigkeit von 116,8 km/h. Auch in den übrigen Regionen konnte der Wind mit Böen zwischen 70 bis 90 Stundenkilometern Stärke 9 bis 10 auf der Beaufortskala erreichen. Im Bereich der über die Nordsee nach Osten voranschreitenden und sich dabei weiter ausprägenden Okklusionsfront erreichten in den späten Nachmittagsstunden erste Niederschläge auch den Norden Deutschlands. Größere Regenmengen fielen dabei zunächst jedoch nur entlang der Deutschen Bucht. Von Böen bis 50 km/h (Stärke 7) begleitet konnten im Zeitraum von 12 Stunden in Leck auf Sylt 5,7 mm, auf Helgoland 7,8 mm und auf der Insel Föhr knapp 11 mm registriert werden. Sonst waren zumeist um oder unter 2 mm gefallen. Auf den Azoren bildeten sich im Bereich der dort vorübergehend stationär verbliebenen Kaltfront weitere Schauer aus. Ehe sie nach Süden abzogen brachten diese binnen 12 Stunden in Horta 2,4 mm und an der Angra do Heroísmo, Bucht der Heldenhaftigkeit, bis zu 13,0 mm mit sich.

 

Am 21.05. befand sich das Sturmtief MARCO mit nur geringfügig verändertem Kerndruck um 00 UTC über der Irischen See. Seine Warmfront war nunmehr vollständig von der ihr folgenden Kaltfront eingeholt worden. Die daraus resultierende Okklusionsfront reichte nördlich des Kerns beginnend in einem Bogen über Belfast und Edinburgh über die Nordsee bis nach Köln. Ab Köln Kaltfrontcharakter annehmend zog sie sich anschließend weiter über Bordeaux und südlich der Azoren vorbei über den Atlantik nach Westen. Während sich über den Azoren wieder hoher Luftdruck und ein ruhigerer Wettercharakter durchzusetzen vermochte, verlagerte sich das Tief MARCO im Tagesverlauf über England hinweg zur Nordsee, wodurch nach den Britischen Inseln nun auch ein Großteil Mitteleuropas in dessen Einflussbereich gelangte. Sein Frontensystem Schritt dabei in Richtung der Alpen voran. Beim Auftreffen der feuchten Luftmassen auf das sie blockierende Gebirge und dem damit einhergehenden erzwungenen Aufgleiten jener in kühlere Luftschichten erfuhren die Niederschläge dort noch zusätzliche Intensivierung. Stationsmeldungen mit Niederschlagsmengen unter 20 mm waren in der Schweiz in der Minderheit. Oft lagen sie auch deutlich darüber: Aus Lugano wurden binnen 24 Stunden 27,1 mm, aus der Gemeinde Oron 29,3 mm und von der Messstation in Aadorf 35,5 mm gemeldet. Regenmengen dieser Größenordnung wurden in Deutschland dagegen vor allem lokal entlang der Küsten und im Stau der Alpen gemessen: Durch teils gewittrige Schauer waren in Rostock und in Kiel-Holtenau 21,9 beziehungsweise 22,4 mm, durch anhaltenden Regen in der Innenstadt von München 21,9 mm und schauerartig verstärkt am Bodensee in Konstanz 25,1 mm gefallen. Über Irland hielten die Niederschläge ebenfalls weiter an, doch hatten sie dort bereits merklich an Intensität verloren. In Dublin wurden noch 4,0 und in Belfast 0,4 mm gemessen. Dem gegenüber konnten in Großbritannien vielerorts weitere Regenmengen über 10 mm und örtlich auch deutlich darüber registriert werden: Edinburgh meldete 10,4 mm, Capel Curig 27,8 mm und Trawscoed 45,2 mm. Über die Nordsee weiteten sich die Niederschläge im weiteren Tagesverlauf bis in den Süden Skandinaviens aus und brachten am norwegischen Byglandsfjord 14,0 mm, im schwedischen Ljungby 17,3 mm und im ebenfalls norwegischen Nelaug 18,0 mm mit sich. An der Südflanke des Wirbels hielt über dem Ärmelkanal der stürmische Wettercharakter weiter an. Mit Böen über 90 km/h hatte sein Sturmfeld bis zum Nachmittag die Küsten Belgiens und der Niederlande erreicht. Am Leuchtturm vom Barfleur im Norden der Normandie, wo bereits tags zuvor Böen der Stärke 10 gemessen wurden, erreichte der Wind mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 133,4 km/h in den Vormittags- und Mittagsstunden gar Orkanstärke. Abseits exponierter Lagen registrierten die Anemometer in Deutschland Windspitzen zwischen 50 und 70 Stundenkilometern und damit entsprechend Böen der Stärke 7 bis 8: Steifer bis stürmischer Wind. Nur vereinzelt wurden wie am Leuchtturm Kiel als auch im Münsterland bei Ahaus mit Spitzengeschwindigkeiten von 93,4 km/h Böen der Stärke 10 und mit bis zu 104,5 km/h auf dem Weinbiet auch Stärke 11 beobachtet.

Entlang seiner Okklusionsfront hatte Kaltluft begonnen in den Kern des Tiefs MARCO einzufließen und somit den Wirbel langsam aufzufüllen. Mit einem auf 990 hPa leicht angestiegenen Kerndruck befand sich dessen Zentrum am 22.05. um 00 UTC über der zentralen Nordsee. Seine Okklusionsfront zog sich nördlich des Kerns beginnend in einem Bogen über Bergen und Stockholm bis zu ihrem Okklusionspunkt nahe Kaliningrad. Von dort reichte die Warmfront über Weißrussland in Richtung der äußeren Ostkarpaten und die ihr folgende Kaltfront über Warschau und Wien entlang der Alpen bis nach Marseille. Bei Marseille verband sie sich anschließend mit dem Frontensystem eines neuen flachen Bodentiefs, welches sich am Rande des Tiefs MARCO über Spanien hat entwickeln können. Eine weitere Okklusionsfront zog sich südlich des Kerns über London und den Ärmelkanal in westlicher Richtung auf den Atlantik hinaus. Somit war der Tiefdruckwirbel in den vergangenen 24 Stunden für einen Großteil Europas wetterbestimmend geworden und brachte auch im Laufe des 22.05. trotz allmählich einsetzender Abschwächung weiten Regionen teils ergiebige Niederschläge. Im Alpenraum fielen vielerorts über 15 mm in 24 Stunden. So beispielsweise bei Gersau mit 16,3 mm, auf dem Kufstein 17,5 mm oder aber in Vicosoprano mit 29,5 mm. Die Gipfel der Alpen vermochten die Niederschläge jedoch nicht zu überschreiten. Südlich des Gebirges bleib es abgesehen von wenigen Ausnahmen in Italien weitgehend trocken. Am Nordrand der Alpen waren in Freudenstadt 10,1 mm, in Garmisch-Partenkirchen 13,9 mm und auf der Zugspitze 23,7 mm gefallen, dort in Form von Schnee sowie anfänglich begleitet von gefrierendem Nebel. An einigen Stationen im Westen und im Norden des Landes wurden ebenfalls Niederschlagsmengen über 10 mm gemessen: Der andauernde und teils schauerartige Regen führte auf Sylt 11,4 mm, in Schleswig 11,7 mm und in Lüdenscheid 17,1 mm mit sich. Die mit einer westlichen Strömung einfließende Polarluft führte zudem zu einer deutlichen Abkühlung. Konnten tags zuvor in Teilen Deutschlands, vor allem aber im Osten, noch bis zu 21°C gemessen werden, stieg das Quecksilber in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nunmehr auf kaum 14°C. Der Wind hatte zwar etwas nachgelassen, konnte aber dennoch an den Küsten als auch an exponierten Lagen der Mittelgebirge Stärke 8 bis 9 erreichen. Von den Messgeräten auf dem Brocken wurden auch orkanartige Böen mit bis zu 108,1 km/h registriert. Während sich der Tiefdruckwirbel zunehmend nach Dänemark verlagerte, entwickelte sich im Tagesverlauf entlang seiner über Polen nach Osten voranschreitenden Front ein neuer, eigenständiger Tiefdruckwirbel, der für Osteuropa und das Baltikum wetterwirksam wurde. Auch in seinem Einflussbereich konnten vielerorts Regenmengen zwischen 10 und 20 mm beobachtet werden. So beispielsweise im weißrussischen Grodno (Hrodna) oder im lettischen Priekuļi. Dort waren 24-stündig 17,0 beziehungsweise 21,0 mm gefallen. Etwas weniger intensiv gestalteten sich die Niederschläge dagegen im skandinavischen Raum, dem sich das Zentrum des sich zunehmend abschwächenden Wirbels MARCO kontinuierlich näherte. Von lokalen Ausnahmen abgesehen waren zumeist um oder unter 6 mm in 24 Stunden gefallen. In Oslo waren es noch 8,2 mm, in Göteborg 9,9 mm und an der norwegischen Station Sårheim 15,2 mm. Im schwedischen Älvdalen konnten noch bis zu 21,7 mm gemessen werden. In Großbritannien stellte sich nach Abzug des Wirbels vorübergehend ein etwas ruhiger Wettercharakter ein. Zwar hielten auf seiner Rückseite die Niederschläge weiter an, der leichte Regen oder Sprühregen führte allerdings kaum noch größere Mengen mit sich. Die Wetterberuhigung war jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits im Laufe des 23.05. nähern sich aus Westen die regenreichen Ausläufer des Atlantikwirbels NATHAN, wodurch der wechselhafte sowie windige Wettercharakter auf den Britischen Inseln seine Fortsetzung fand.

 

Beständig an Intensität abnehmend war der Tiefdruckwirbel MARCO in der Nacht zum 23.05. nach Dänemark gezogen und befand sich gegen 00 UTC mit einem auf etwa 995 hPa gestiegenen Druck über dessen Norden. Von seinem Kern zog sich eine erste Okklusionsfront in einem Bogen über Südschweden, Danzig sowie Berlin bis nach Amsterdam und eine zweite westlich des Kerns beginnend über die Nordsee in Richtung Island. Neue, unbenannte Tiefdruckwirbel, die sich am Rande des einstig steuernden Sturmtiefs MARCO hatten entwickeln können, waren in der Zwischenzeit für Osteuropa und den Alpenraum wetterbestimmend geworden, sodass sich der Einflussbereich des sich abschwächenden Tiefs MARCO im Wesentlichen auf Südskandinavien und den Norden Deutschlands beschränkte. Im Bereich seiner noch gut ausgeprägten Okklusion fielen in Teilen Norwegens und Schwedens oftmals zwischen 5 und 15 mm, örtlich auch bis zu 25 mm. So beispielsweise in Bergen mit 16,5 mm, im etwas nördlich gelegenen Takle mit 23,0 mm oder aber im schwedischen Gårdsjö mit bis zu 25,0 mm. Ähnlich wie schon zuvor an den Alpen führten Aufgleit- und Stauprozesse beim Auftreffen der feuchten Luftmassen auf die dortigen Gebirgsketten zu einer zusätzlichen Intensivierung. In Deutschland ließen die Niederschläge dagegen allmählich nach. Bei für die Jahreszeit zu kühlen Höchstwerten zwischen 14°C in Norden, 16°C im Süden und maximal 19°C im Osten führten letzte, vereinzelte Schauer in Berlin-Tempelhof 2,7 mm, in Emden 6,8 mm und in Cottbus 13,9 mm mit sich. In einigen Regionen blieb es bereits auch gänzlich trocken. Der auf südliche bis südöstliche Richtungen drehende Wind flaute im Tagesverlauf ebenfalls allgemein ab, erreichte vormittags in Böen noch verbreitet Stärke 7, am Nachmittag und Abend waren abseits der Küsten in Spitzen kaum mehr Stärke 4 bis 5. Lediglich an einigen wenigen besonders exponierten Lagen, wie auf dem Brocken, dem Leuchtturm der norwegischen Kommune Lindesnes oder jenem der schwedischen Insel Hallands Väderö, konnten die Anemometer bis in die frühen Nachmittagsstunden Böen von 68,4 beziehungsweise 72,0 km/h und somit Windstärke 8 messen.

Mit einem auf 1005 hPa angestiegenen Kerndruck lag das Zentrum des in vorangeschrittener Auflösung befindlichen Tiefs MARCO um 00 UTC vor Südschweden nahe Malmö. Eine nur geringfügig wetterwirksame Okklusionsfront verband seinen Kern in nordwestlicher Richtung mit jenem Tief über Island. Nennenswerte, dem Tief MARCO zuzuordnende Niederschläge fielen jedoch keine mehr. Der einstige Sturmwirbel schwächte sich bereits in den Morgen- und Vormittagsstunden soweit ab, dass er tags darauf nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte als eigenständiges Tiefdruckgebiet analysiert und somit auch nicht mehr auf jener namentlich verzeichnet werden konnte. Seine Reste gingen im Laufe des Tages in die Zirkulation des auf einer ähnlichen Zugbahn über Großbritannien in den Nordseeraum nachfolgenden Wirbels NATHAN über, der anschließend den Wettercharakter für weite Regionen West- und Mitteleuropas mit dichten Wolken und teils ergiebigen Niederschlägen prägte.