Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
MARINE
(getauft
am 22.06.2016)
Am 21.06.2016 zogen Ausläufer des
Tiefdrucksystems LEA über West- und Mitteleuropa und somit über den
Einflussbereich des Hochs WOLFGANG mit Zentrum über Tschechien. Dabei spaltete
sich ein Teil der Luftmassengrenze vom Frontensystem des Wirbels LEA ab und
verblieb in seiner Lage bis zum Folgetag nahezu stationär. Die Front verlief teils
verwellt vom Zentralatlantik über die Biskaya und den Norden Frankreichs bis
nach Norddeutschland. Vor der Front bildeten sich über der Biskaya immer wieder
kleinere Tiefdruckzentren und Zonen hoher Konvergenz aus. An diesen sogenannten
Konvergenzlinien strömen Luftmassen am Boden zusammen und steigen daraufhin
auf. Sie entstehen häufig im Bereich vorauseilender Kaltluft in der Höhe, wenn
die Atmosphäre labil geschichtet ist. Das bedeutet, dass die Temperatur der
Luftmassen in diesem Fall wärmer als die der Umgebung ist und ein Aufsteigen
der Luft nicht verhindert werden kann. Die Konvergenzlinie zeigt somit oftmals
die Achse der wärmsten Luft an, wobei sich an ihr allerdings auch kräftige
Schauer und Gewitter bilden.
Am 22.06. konnte dabei im Bereich der
Luftmassengrenze und einer solchen Konvergenzlinie für den Folgetag ein
kleinräumiges Tiefdruckgebiet prognostiziert werden, welches Einfluss auf
Mitteleuropa nehmen sollte und daraufhin auf den Namen MARINE getauft wurde.
Das Tief MARINE bildete sich in den
Mittagsstunden des 23.06. über Nordfrankreich entlang einer Konvergenzlinie,
die von den Pyrenäen über Frankreich, die Benelux-Staaten und
Nordwestdeutschland bis nach Dänemark verlief. Bereits in der Nacht zuvor
konnten an dieser Konvergenzlinie Gewitter beobachtet werden. Auch im darauf
folgenden Tagesverlauf traten bei Höchsttemperaturen von bis zu 34°C in
Frankreich weitere Gewitter auf, die durch begleitende Schauer mitunter zu
hohen Niederschlagsmengen führten. In Dinard konnten
somit innerhalb von 6 Stunden bis 14 Uhr MESZ 8 l/m² registriert werden.
In Saint-Quentin wurden sogar innerhalb von nur einer Stunde 25 l/m² und dazu
orkanartige Böen von bis zu 109,3 km/h gemessen. Bereits zuvor fielen am frühen
Morgen ebenfalls innerhalb von nur einer Stunde 23 l/m² in Boulogne,
in Le Touquet waren es 15 l/m². Weiter nördlich kamen
zudem 6-stündig 32 l/m² am Flughafen im belgischen Oostende, 11 l/m² in Semmerzake und 13 l/m² im niederländischen Berkhout zusammen. In Deutschland konnten lediglich 14 l/m²
in Schleswig und 19 l/m² in Brodersby-Schönhagen in
12 Stunden bis 20 Uhr MESZ aufgrund von Schauern und Gewittern verzeichnet
werden.
Das Tief MARINE zog bis zum Nachttermin des
Folgetages um 02 Uhr MESZ nur wenig nach Osten. Der Druck im Kern, welcher sich
nahe Dijon befand betrug ca. 1018 hPa. Auf der Berliner Wetterkarte wurde zu
diesem Zeitpunkt ein Frontensystem zur Zyklone MARINE analysiert. Dabei verlief
von dessen Zentrum ausgehend eine Kaltfront nach Südwesten über die Pyrenäen
und Spanien bis nach Ostportugal. Außerdem erstreckte sich vom Kern eine
Warmfront nach Nordosten über die Benelux-Staaten, den Nordwesten Deutschlands,
Südschweden und die Ostsee bis nach Litauen. Im Verlauf summierten sich in
Folge von Schauern und Gewittern die Niederschläge entlang der Warmfront auf
hohe zweistellige Mengen. So wurden bis zu diesem Zeitpunkt am Flughafen in
Maastricht innerhalb von nur 6 Stunden 36 l/m² und im belgischen Charleroi 23
l/m² Regen registriert. In Bremervörde sowie im südschwedischen Ullared verzeichnete man ebenfalls 6-stündig jeweils 28
l/m², in Karlsborg waren es noch 25 l/m². Eine noch
größere Niederschlagsmenge wurde an der Station Münster/Osnabrück mit 43 l/m²
gemessen.
Das Tief MARINE verlagerte sich
anschließend weiter nach Osten über Deutschland hinweg. Die Luft erwärmte sich dabei
im Bereich des Tiefs in Deutschland auf Höchstwerte zwischen 33 und 35°C. Im
Zusammenspiel mit dem nachfolgenden Wirbel NEELE sorgte das Tief MARINE erneut
für kräftige Schauer und Gewitter, wodurch 3-stündige Regensummen von 14 l/m²
in Bremervörde, 15 l/m² in Belm, 20 l/m² in Bremen
und extreme 34 l/m² in Göttingen sowie 41 l/m² in Andernach verzeichnet wurden.
Dazu traten vereinzelt in Schauernähe schwere Sturmböen von über 90 km/h auf,
im Ostseebad Boltenhagen konnten sogar Orkanböen von bis zu 155 km/h
registriert werden.
Am 25.06. um 02 Uhr MESZ befand sich das
Tief MARINE knapp nordwestlich von Prag mit einem Kerndruck von etwa 1013 hPa.
Ein Frontensystem konnte zu diesem Zeitpunkt der Zyklone nicht zugeordnet
werden. Die dem Tief MARINE direkt zuzuordnenden Niederschlagssummen
beschränkten sich auf den Osten und Nordosten Deutschlands sowie auf
Tschechien. Erneut fielen diese durch das Auftreten von Schauern und Gewittern
örtlich sehr unterschiedlich aus. So wurden beispielsweise 3-stündig in
Goldberg 24 l/m², in Grünow 25 l/m², am Feldberg in
Mecklenburg 26 l/m² und in Carlsfeld 29 l/m² verzeichnet. An der tschechischen
Station Kramolin-Kosetice fielen bis 17 Uhr MESZ in
nur einer Stunde 15 l/m² Regen, in Liberec kamen in derselben
Zeit sogar 27 l/m² zusammen.
Das Tief MARINE zog in der Folge nach
Nordwesten und befand sich um 02 Uhr MESZ des 26.06. über dem Raum Kopenhagen. Dabei
übernahm der Wirbel MARINE einen Teil des bereits zuvor verwellten
Frontensystems des Tiefs NEELE mit Zentrum über Karelien. Vom Kern des Tiefs
MARINE führte zu diesem Zeitpunkt eine Warmfront nach Nordosten bis Tallinn, wo
sie sich mit der Kaltfront der Zyklone NEELE verband. Außerdem reichte eine
Kaltfront vom Zentrum des Tiefs MARINE nach Südosten über das deutsch-polnische
Grenzgebiet, Tschechien und Österreich. Die Kaltfront trennte dabei
subtropische Luftmassen auf deren Ostseite von maritimer Subpolarluft westlich
der Front. So wurden in Brandenburg, Teilen Mecklenburg-Vorpommerns und
Ostbayern Höchsttemperaturen von 29 bis 34°C, in Tschechien und Österreich
wurden auch Werte über 34°C registriert. In der Mitte Deutschlands und im Süden
konnten noch 23 bis 28°C und im Westen nur 17 bis 18°C registriert werden.
Abermals sorgten beim Durchgang der Kaltfront die sich bildenden Schauer und
Gewitter für erhebliche Regensummen. In der Nacht konnten dadurch innerhalb von
3 Stunden Niederschlagsmengen von 25 l/m² in Hoyerswerda, 32 l/m² in Lichtenhain-Mittelndorf, 39 l/m² in Leipzig-Schkeuditz, 41
l/m² im österreichischen Rohrbach und 56 l/m² am Großen Arber gemessen werden.
Ähnliche Werte fielen mitunter sogar in noch kürzeren Zeiträumen. So
verzeichneten die tschechischen Stationen Churanov
und Plzen-Mikulka in nur einer Stunde 16 bzw. 28 l/m²
Niederschlag. Bis 08 Uhr MESZ am Folgetag wurden außerdem 12-stündig 65 l/m²
von der österreichischen Station St. Johann/Pongau
gemeldet. Bereits in der zweiten Nachthälfte zog das Niederschlagsgebiet mit
der Kaltfront nach Osten ab. Bis zum Abend traten dabei vermehrt Schauer und
Gewitter über Ostpolen auf, die auch hier hohe zweistellige und vor allem lokal
sehr unterschiedlich verteilte Regenmengen von beispielsweise 22 l/m² in
Warschau, 36 l/m² in Olsztyn, 46 l/m² in Ostroleka
und 50 l/m² in Ketrzyn in 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ
mit sich brachten.
Mit nach Nordosten weisender Zugrichtung
verlagerte sich der Wirbel MARINE in der Folge bis über die Ostsee und wurde am
27.06. knapp östlich von Stockholm analysiert. Um 02 Uhr MESZ betrug dabei
dessen Kerndruck rund 1010 hPa. Das Tief MARINE begann sich nun zu okkludieren,
d.h. eine Okklusionsfront auszubilden. Diese stellt eine Mischfront aus Warm-
und Kaltfront dar, welche durch den Zusammenschluss der beiden Frontenarten am
sogenannten Okklusionspunkt entsteht. Eine solche Okklusion führte bogenförmig
nach Südwesten über den Raum Stockholm. Vom Okklusionspunkt etwas östlich des
Tiefzentrums verlief die Warmfront nach Südosten bis zur estnisch-russischen
Grenze, während sich die Kaltfront nach Süden über Litauen, Polen und die
Karpaten bis nach Kroatien erstreckte. Im Bereich der Kaltfront und damit an der
Grenze von subtropischen Luftmassen zu maritimer Subpolarluft entstanden erneut
immer wieder Schauer und Gewitter. Dabei konzentrierten sich die Niederschläge
vor allem auf drei Regionen, welche sich über dem Gebiet Österreich –
Ostschweiz - Norditalien, über Serbien und Ungarn sowie über dem Baltikum
befanden. Die höchsten Niederschläge fielen dabei 6-stündig im ungarischen Szolnok mit 38 l/m², an der Station Bergamo/Orio
Al Serio mit 41 l/m² und im serbischen Loznica mit 55 l/m² sowie 12-stündig bis 08 Uhr MESZ im
lettischen Skriveri mit 26 l/m², in Aigen im Ennstal mit 39 l/m² und
im estnischen Voru mit 45 l/m². Bis zum Abend
verlagerten sich die Niederschläge mit dem Frontensystem weiter nach Südosten
bzw. über dem Baltikum auch nach Norden. Nochmals fielen dabei in 12 Stunden im
finnischen Poorvo Harabacka
19 l/m², im kroatischen Sisak 25 l/m², im russischen Velikie Luki sowie im serbischen Krusevac jeweils 26 l/m² und an der ebenfalls serbischen
Station Novi Sad Rimski Sancevi 29 l/m².
Bis zum Folgetag, dem 28.06., zog das
Zentrum des Tiefs MARINE nach Nordwesten bis über das Europäische Nordmeer, wo
es fast mittig über dem Seegebiet zwischen Island, Norwegen und Jan Mayen
analysiert werden konnte. Der Kerndruck vertiefte sich nochmals zusehends auf ca.
995 hPa. Das Frontensystem zog hingegen nur wenig weiter nach Osten, wobei es
weiter okkludierte. Die Okklusion reichte somit vom Zentrum des Tiefs MARINE
über Nordnorwegen nach Südosten und überquerte dabei Schweden, Finnland und das
Baltikum, bevor sie ihren Okklusionspunkt über Westrussland fand. Von dort
führten die Warmfront nach Südosten und die Kaltfront nach Südwesten über
Weißrussland und die westliche Ukraine bis nach Serbien. Vor allem entlang der
Okklusion und der Kaltfront kam es wie schon an den Vortagen zu schauerartigen
und teils gewittrigen Niederschlägen, welche Summen im zweistelligen Bereich
hervorriefen. Bis 14 Uhr MESZ wurden an der rumänischen Station Omu Vf. 38 l/m² in 6 Stunden gemeldet, wobei davon allein
32 l/m² Niederschlag in nur 3 Stunden gefallen sind. Auch knapp weiter
südwestlich in Ramnicu Valcea
wurden 6-stündig 43 l/m² gemessen, 32 l/m² davon in nur einer Stunde. Auch in
der Ukraine traten nun vermehrt Schauer auf, bei welchen 12-stündig 24 l/m² in Chmelnyzkyj und 38 l/m² in Rivne
registriert wurden.
Im weiteren Verlauf zog die Zyklone MARINE
nach Nordosten über das Seegebiet zwischen Nordkap und Spitzbergen. Der Druck
erhöhte sich wieder auf etwa 1010 hPa. Vom Zentrum verlief je eine Okklusion
nach Westen und Süden, wobei letztere über Finnland rückläufig wurde und den
Anschluss an das ursprüngliche Frontensystem darstellt. Dieses begann sich
abzuschwächen und löste sich im Tagesverlauf auf. Zuvor sorgte es nochmals für
12-stündige Regensummen von 16 l/m² im ukrainischen Sumy,
19 l/m² im russischen Toropets und 20 l/m² im
rumänischen Omu. Die zum Tief MARINE zugehörige
Okklusion brachte außerdem noch in Schweden 15 l/m² an der Station Kvikkjokk Arrenjarka und 19 l/m²
in Vidsel.
Am 30.06. befand sich das Tief MARINE über
der Barentssee östlich von Spitzbergen. Der Kerndruck schwächte sich weiter ab
und das Frontensystem bestand nur noch aus einer kurzen nach Süden reichenden
Okklusion. Bis zu den Mittagsstunden wurden die Druckunterschiede zwischen der
Zyklone und der Umgebung so gering, dass sie sich auflöste und in der Folge
nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte namentlich verzeichnet werden konnte.
Geschrieben
am 23.08.2016 von Sebastian Wölk
Berliner
Wetterkarte: 25.06.2016
Pate:
Nilz Ittershagen