Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet MARTIN

(getauft am 24.01.2019)

 

Am Morgen des 24.01.2019 entwickelte sich an der Kaltfront des Tiefs LASZLO über dem Nordatlantik ein Tiefdruckgebiet, welches in der Prognose für den folgenden Tag auf den Namen MARTIN getauft wurde. Bis 01 Uhr mitteleuropäischer Zeit (MEZ) des 25.01. hatte sich das Tiefdruckgebiet Richtung Norden südwestlich von Island verlagert, wobei die Warmfront des Tiefs MARTIN nach Osten bis über Nordirland und die Kaltfront nach Süden über den Atlantik reichte. Der Luftdruck im Tiefzentrum war rasch auf unter 1005 hPa gesunken. Im Tagesverlauf schlug der Tiefdruckwirbel eine östliche Zugbahn in Richtung der Britischen Inseln ein. Zum Abend erreichte die Warmfront des Tiefs MARTIN mit Regen den Westen Schottlands und Nordirland. Zudem begann das Tiefdruckgebiet zu okkludieren, im Bereich des Tiefdruckkerns bildete sich also eine Okklusionsfront aus. In der Meteorologie bezeichnet eine Okklusion oder Okklusionsfront eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront, die entsteht, wenn die nachfolgende, schneller ziehende Kaltfront die vorhergehende Warmfront einholt. Der Punkt, an dem Kalt- und Warmfront zusammenlaufen, heißt Okklusionspunkt.

In den Frühstunden des 26.01. befand sich das Zentrum des Tiefs MARTIN westlich der schottischen Küste, wobei der Luftdruck weiter auf unter 995 hPa gefallen war. Die Okklusion des Tiefs reichte vom Kern wenige Kilometer ostwärts, wo sie sich in die über Schottland hinweg weiter zur Nordsee ausbreitende Warmfront und die bis nördlich der Azoren verlaufende Kaltfront aufspaltete. Auch in der zweiten Nachthälfte regnete es besonders über dem Westen Schottlands weiterhin kräftig, sodass hier bis 07 Uhr MEZ des 26.01. seit dem Vorabend innerhalb von zwölf Stunden am Loch Glascarnoch 14,0 mm Niederschlag und in der Ortschaft Aultbea 18,0 mm gemessen wurden. Etwa zur gleichen Zeit erreichte die Kaltfront des Tiefs MARTIN den Westen Irlands, infolgedessen die Windgeschwindigkeiten hier deutlich zunahmen und auch schauerartig verstärkter Regen einsetzte. Besonders westlich und südlich des Tiefdruckkerns bildeten sich Sturmfelder aus. Die Warmfront sorgte unterdessen in den Beneluxstaaten und dem Westen Deutschlands für einsetzenden Regen, welcher sich im Laufe des Vormittags auch weiter in den Süden und Osten der Bundesrepublik ausbreitete. Gegen Mittag überquerte das Zentrum der sich weiter verstärkenden Zyklone MARTIN Schottland und sorgte zudem für erste Sturmböen entlang der irischen Küste, wo beispielsweise in Belmullet Böen bis 82,9 km/h gemessen wurden. Am Nachmittag und Abend überquerte die Kaltfront des Tiefdruckwirbels MARTIN mit starken Regenschauern und Sturm-, teilweise auch Orkanböen Irland, Großbritannien und die Bretagne. Am irischen Mace Head wurden Böen bis 126,1 km/h gemessen, am internationalen Flughafen der Stadt Cork bis 104,5 km/h und in den 1245 m hohen schottischen Cairngorm Mountains bis 118,6 km/h. Am späten Abend traten auch entlang der Atlantikküste Frankreichs orkanartige Sturm- und Orkanböen auf, wie an der Wetterstation Le Talut mit 115,3 km/h und auf der Insel Ouessant mit 104 km/h.

Bis 01 Uhr MEZ des 27.01. hatte sich das Tief MARTIN über Großbritannien hinweg mit seinem Zentrum über die Nordsee verlagert, wobei der Luftdruck nochmals deutlich auf etwa 977 hPa gefallen war. Die Warmfront des Tiefs hatte Deutschland beinahe vollständig überquert und verlief vom Tiefdruckkern südostwärts über den Ostseeraum bis über Ungarn. Die Kaltfront mit Okklusionscharakter reichte über Frankreich und den Norden Spaniens bis zum Atlantik. Auf der Rückseite des Tiefs hatte sich zudem im Übergangsbereich zur südwärts strömenden maritimen Polarluft eine zweite Kaltfront ausgebildet, welche in südwestlicher Richtung über den Süden Englands hinwegreichte. In dieser kalten Luftmasse entwickelten sich kräftige Regen-, vereinzelt auch Schneeschauer über Großbritannien. In den Morgenstunden erreichte die Polarluft auch die Biskaya, in deren Küstenumfeld es über dem vergleichsweise warmen Meerwasser zu einigen Gewittern kam. Im Bereich der Gewitter traten neben starken Regenfällen auch schwere Sturm- und Orkanböen auf, wie z.B. in Biscarrosse südwestlich von Bordeaux, wo Windgeschwindigkeiten bis 104,5 km/h gemessen wurden oder in Ciboure an der Grenze zu Spanien mit 140,5 km/h. Die höchsten Niederschlagssummen des Vortages im Einflussbereich des Tiefs MARTIN waren jedoch in Großbritannien und an den deutschen Mittelgebirgen aufgetreten. So waren bis 07 Uhr MEZ in Braunlage binnen 24 Stunden 19,9 mm Niederschlag gefallen, in Bad Lippspringe 13,6 mm. Im schottischen Altnaharra wurden 34,6 mm gemessen und im englischen Keswick 27,8 mm. Im Tagesverlauf des 27.01. gingen die Niederschläge über dem südlichen Skandinavien, in den deutschen Mittelgebirgen und in den Alpen immer mehr in Schnee über. In den tieferen Lagen Dänemarks und über Deutschland bis nach Frankreich regnete es dagegen kräftig und meist den ganzen Tag über. An der Kaltfront, welche nachmittags über Nordfrankreich, die Beneluxstaaten und Westdeutschland hinweg zog, entwickelten sich zudem stärkere Schauer und vereinzelte Gewitter. So wurden bis zum Abend in Idar-Oberstein und in Aachen nochmals 10,0 mm Niederschlag gemessen, auf dem Brocken fielen sogar 19,0 mm in Form von Schnee.

Das Tiefdruckgebiet MARTIN zog unterdessen nach Osten weiter und erreichte zu Tagesanbruch des 28.01. die dänische Küste, schwächte sich jedoch nun auch etwas ab. Der Luftdruck im Kern des Tiefs betrug zu dieser Zeit nur noch knapp 985 hPa. Die Okklusion verlief dabei vom Kern bis zur Südspitze Schwedens, die Warmfront von dort über die Ostsee bis über das Baltikum und die Kaltfront Richtung Süden über die Osthälfte Deutschlands bis an die Alpen. Die maritime Polarluft erreichte in der Nacht von Westen her auch Deutschland und die Beneluxstaaten, wodurch sich weitere Schauer bildeten und die Schneefallgrenze hier auf etwa 300 m sank. In weiten Teilen des Saarlands und Rheinland-Pfalz wurden daher am Morgen einige Zentimeter Neuschnee gemessen. Die höchsten Niederschlagssummen innerhalb von 24 Stunden bis 07 UTC wurden jedoch aus Belgien gemeldet, hier hatte es besonders in der Nacht noch kräftig geregnet. Dabei waren in der Ortschaft Retie 18,7 mm Niederschlag gefallen, am Flughafen von Brüssel 15,0 mm. Unterdessen verlagerte sich das Zentrum des Tiefs MARTIN über Dänemark hinweg über den südlichen Ostseeraum, wobei die Kaltfront des Wirbels Polen, Tschechien und Ungarn überquerte und die Warmfront den Süden Finnlands erreichte. Auf der Rückseite des Tiefs sorgten vor allem Ausläufer der Okklusion für noch stärkeren Niederschlag über Deutschland, wobei es besonders südlich der Mittelgebirge häufig schneite. Am Abend wurde so in Lüdenscheid eine Schneedecke von 8 cm gemessen, in Michelstadt-Vielbrunn von 9 cm. Auch über Skandinavien und in Osteuropa trat in den folgenden Stunden der Niederschlag mit dem Voranströmen der Kaltluft immer häufiger als Schnee oder gefrierender Regen auf.  Starke Wind- oder Sturmböen wie in den Tagen zuvor traten jedoch im Einflussbereich von Tief MARTIN nicht mehr auf.

Um 01 Uhr MEZ des 29.01. befand sich das Zentrum des Wirbels MARTIN etwa auf Höhe der schwedischen Hauptstadt Stockholm, hatte aber bis zu diesem Zeitpunkt nochmals deutlich an Intensität verloren, denn der Luftdruck war auf minimal 990 hPa angestiegen. Die Okklusion und die nur noch kurze Warmfront verliefen vom Nordosten Deutschlands bis über Südfinnland, die Kaltfront reichte über Osteuropa hinweg bis zum Balkan. Entlang der Kaltfront traten jedoch nur noch schwache Niederschläge auf, zu kräftigeren Regen- und Schneefällen kam es nur noch über dem Baltikum und im Bereich der nördlichen Ostsee. Insgesamt war am 28.01. und in der Nacht zum 29.01. im Umfeld des Finnischen Meerbusens und über der Mitte Deutschlands der meiste Niederschlag gefallen. In Helsinki wurden 18,3 mm gemessen, in Bad Marienberg 14,2 mm und in Freudenstadt im Schwarzwald 20,7 mm. In Freudenstadt war dabei zudem die Schneedecke um 27 cm auf 49 cm angewachsen. Das Tief MARTIN schwächte sich in der Folgezeit noch weiter ab. Die Kaltfront löste sich komplett auf, sodass signifikante Wettererscheinungen nur noch im direkten Umfeld des Tiefdruckzentrums auftraten, wo es zumeist schneite.

In der Nacht vom 29. auf den 30.01. und am 30.01. zog das Tief MARTIN über Finnland hinweg bis über den Nordwesten Russlands. Dabei war es nun nahezu vollständig okkludiert, die Schneefälle im Bereich der Okklusionsfront erreichten nachfolgend auch die russische Halbinsel Kola. Hier wurden Niederschlagssummen von meist 2 bis 4 mm gemessen, weiter südlich über Finnland auch vereinzelt bis über 10 mm.

Zum Morgen des 31.01. hatte sich das Zentrum des Tiefs MARTIN bis zum Weißen Meer verlagert, wobei es sich jedoch so stark abgeschwächt hatte, dass sein Luftdruck nur noch knapp 1007 hPa betrug. Die noch leichten Schneefälle über dem Norden Russlands an der Okklusion zogen langsam nordostwärts, sorgten jedoch nicht mehr für größere Niederschlagssummen. Die höchste hier registrierte, 24-stündige Menge betrug 9,0 mm in der Ortschaft Sura. In den beiden darauffolgenden Tagen zog das Tief MARTIN sehr langsam über das Weiße Meer hinweg, wobei die Reste der Okklusionsfront immer weiter zerfielen und kaum noch tägliche Niederschlagssummen von über 5 mm auftraten. In den Mittags- und Nachmittagsstunden des 02.02. löste sich das Tief MARTIN über dem Norden Russlands dann vollständig auf.

Das Tiefdruckgebiet MARTIN hatte insgesamt über neun Tage lang das europäische Wettergeschehen mit beeinflusst. Dabei war es zunächst mit Sturm und viel Regen über Großbritannien, Irland und Frankreich hinweggezogen und hatte im späteren Verlauf auch für Schneefälle in Deutschland, Skandinavien und Osteuropa gesorgt.