Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet MELINA
(getauft am 07.06.2020)
Die Vergabe
von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner
Wetterkarte nur für solche Druckgebilde durchgeführt, welche einen Einfluss auf
die Großwetterlage in Europa haben. Am 07.06.2020 erstreckte sich ein
ausgedehntes Frontensystem von Tief LINDA, welches sich über Skandinavien
befand, über den südeuropäischen Raum. Zudem war in der Höhe auf der 500
hPa-Karte ein ausgeprägter Trog ersichtlich, welcher die Entwicklung von
Tiefdruckzonen verstärkt. Die Kombination dieser Faktoren in Verbindung mit
einer kleinräumlichen Störung innerhalb des Frontsystems bewirkte die Bildung
einer weiteren Tiefdruckzone, was bereits frühzeitig von der Berliner
Wetterkarte analysiert und dementsprechend auf der täglichen Prognosekarte
vermerkt wurde. Auf der Prognosekarte vom 07.06 für den 08.06. erfolgte
daraufhin die Taufe des Tiefs MELINA. Bei dem Wirbel MELINA handelte sich
aufgrund der Lage um ein Mittelmeertief, welches in weiterer Folge zu einer
5B-Wetterlage führen kann. Diese ist oftmals durch Starkniederschläge in den
Alpen und manchmal auch in Deutschland geprägt.
Die Zyklone MELINA lag am 08.06.
zwischen Korsika und Monaco mit einem Kerndruck von unter 1010 hPa. Zudem
erstreckte sich die Warmfront nach Nordosten, wo sie nach 500km in eine
Kaltfront mündete. Die Kaltfront verlief über Sardinien bis nach Valencia,
bevor sie über dem spanischen Festland in eine Warmfront eines weiteren Tiefs
endete. Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei
unterschiedlich temperierten Luftmassen. Nachdem es bereits an den vorherigen
Tagen zu Starkniederschlägen, Muren und Überschwemmungen in den Alpen gekommen
war, wurde befürchtet, dass sich dies in weiterer Folge wiederholen sollte.
Allerdings waren die Niederschlagssummen am 08.06. deutlich niedriger als
zunächst prognostiziert. Die höchste Niederschlagssumme war in der italienischen
Stadt Lonigo verortet, wo durch ein Gewitter zwischen
15 und 17 Uhr MESZ 50,6 l/m² gemessen wurden. Etwas geringer waren die
Niederschlagsmengen in der direkt umliegenden Region. Am Pass Falzarego, in der Nähe des berühmten italienischen Berges Marmolada, betrug der akkumulierte Niederschlagswert
zwischen 14 und 20 Uhr MESZ ca. 33 l/m². Ein weiterer Blickpunkt war in der
Nähe von Turin, wo zwei Starkniederschlagsereignisse, um 17 Uhr und um 5 Uhr,
insgesamt knapp 50 l/m² verursachten. Die Windgeschwindigkeiten blieben meistens
niedrig, lediglich an einigen Bergstationen wie Les Diablerets in 3000 Meter Höhe erreichte der Wind zeitweise
78 km/h. Die Maximaltemperaturen im Alpenraum waren geringer als der
langjährige Durchschnitt für diese Jahreszeit angibt. In der Nähe des Berges
Ortler in Trafoi stieg die Tagesmaximaltemperatur nur
auf 3,2°C an. In 3000 Meter herrschte zum Teil Dauerfrost, sodass im
Hochgebirge vielerorts etwas Schnee fiel. In der Nacht zum 09.06. sank die
Temperatur am Gornergrat bei Zermatt auf bis zu -5,2°C in 3100 Meter Höhe. Die
Schneefallgrenze lag in der Nacht dort bei 2200 Metern. Auf dem Jungfraujoch sank die Temperatur sogar auf -7,5°C.
Bis zum
nächsten Tag hatte sich der Wirbel MELINA nur um 100km nach Nordosten
fortbewegt. Allerdings war das Entwicklungsstadium von Tief MELINA inzwischen
soweit fortgeschritten, dass bereits eine Okklusion eingesetzt hatte. Dabei handelt
es sich um einen Vorgang, bei dem sich eine Mischfront bildet, welche durch den
Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider
Typen in sich vereint. Aufgrund der zyklonalen
Rotationsrichtung des Tiefs MELINA wurde zunehmend eine feuchte Luftmasse vom
Adriatischen Meer Richtung offenes Meer angeströmt. Im Bereich Luzern in der
Zentralschweiz regnete es über einen Großteil des Tages, wobei die
Niederschlagsintensität in den Abendstunden markant zunahm. Die advektiven Niederschläge
wurden hierbei lokal konvektiv verstärkt, sodass die Niederschlagssumme von 21
bis 8 Uhr MESZ auf ca. 60 l/m² in Rossberg anstieg. Etwas weniger Niederschlag
war es an den umliegenden Messstationen, wobei in Sattel SZ ebenfalls 56 l/m²
und in Gersau 57,7 l/m² registriert wurden. Am österreichischen Nationalpark
Andau, rund um den Neusiedler See, lag der Niederschlagswert bei 37,0 l/m². Der
Wind war in der Regel weiterhin schwach ausgeprägt. Nur auf der Insel Korsika
frischte der Wind gegen 22 Uhr MESZ auf und erreichte an mehreren Stationen 70
bis 80 km/h. Die stärkste Böe war am Cap Corse am nördlichsten Punktes Korsikas
mit 87 km/h verortet. Zudem stiegen die Tag- und Nachttemperaturen nur leicht
an, sodass ab 3000 Metern, zum Teil auch tiefer Dauerfrost herrschte. Der kühle
Beginn in die Sommersaison war essentiell für eine vergleichsweise langanhaltende
Schneebedeckung der Gletscher, wodurch die Gletscherschmelze aufgrund des
schlechten Winters nach hinten verschoben werden konnte.
Am 10.06. lag
das Tief MELINA weiterhin stationär über dem Zentrum Italiens mit einem
Kerndruck von unter 1015 hPa. Im Norden befand sich das ausgedehnte
Hochdrucksystem THOMAS, welches eine Verlagerung von Zyklone MELINA nach Norden
verhinderte und dies dadurch stetig abschwächte. Das blockierende Hoch THOMAS
führte außerdem dazu, dass es zu Stauniederschlägen in Österreich und den
Bayerischen Alpen kam, was lokal Starkniederschläge auslöste. Innerhalb von 24
Stunden registrierte die bayerische Wetterstation in Ettal-Linderhof
101,1 l/m². Hierbei betrug die stündliche Niederschlagsintensität über mehrere
Stunden deutlich über 10 l/m², was zu lokalen Überschwemmungen führte. Auf der
Zugspitze betrug die Niederschlagsmenge beachtliche 60 l/m², wobei ein Großteil
davon in Gipfelnähe in Form von Schnee fiel. Dadurch entstand eine
Neuschneemenge auf dem höchsten Gipfel Deutschlands von mindestens 30cm, sodass
die tägliche Gesamtschneehöhe auf 230 cm anstieg. Im Tagesverlauf löste sich
das Frontsystem von Tief MELINA auf, weshalb sich der Wirbel stetig
abschwächte.
Daher traten am
nächsten Tag vergleichsweise nur noch schwache Wetterzustände auf. Trotzdem
konnten einige Wetterstation größere Niederschlagswerte verzeichnen.
Beispielsweise bildeten sich über dem norditalienischen Ort Talucco-Pinerolo
einige Schauer, sodass die Station dort einen akkumulierten Niederschlagswert
von 43,4 l/m² registrierte. Allerdings war dies eher die Ausnahme, da sich das
Tief MELINA am Nachmittag auflöste und somit nicht weiter auf der Berliner
Wetterkarte markiert wurde.