Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
MICHAEL
(getauft am 09.11.2017)
Am
09.11.2017 wurde anhand einer Prognosekarte für 12 Uhr UTC, d.h. 13 Uhr MEZ,
des folgenden Tages die Entstehung eines Tiefdruckwirbels entlang einer sich
von West nach Nordost über den Atlantik ziehenden und sich wellenförmig
deformierenden Front des über Jan Mayen liegenden Tiefs LENNY vorhergesagt,
welcher auf den Namen MICHAEL getauft wurde.
Am
10.11. befand sich das Tief MICHAEL um 00 Uhr UTC mit einem Druck von unter
1020 hPa über der Irischen See unweit der Isle of Man und damit noch etwa 1000
Kilometer südwestlich der für 12 Uhr UTC prognostizierten Position nahe Oslo.
Vom Kern erstreckte sich sowohl eine kleinskalige Warmfront über Wales und
Cornwall bis über den äußersten Westen der Bretagne, als auch eine Kaltfront
über den Süden Irlands nach Westen, die sich über dem Atlantik mit der
Warmfront des ehemaligen Tropensturms REGINA verband. Hebungsprozesse entlang
der nach Osten voranschreitenden Frontenausläufer ließen über der Nordsee ein
ausgeprägtes Niederschlagsgebiet entstehen, welches sich im Tagesverlauf über
Südskandinavien und Deutschland bis nach Polen und ins Baltikum verlagerte.
Über Deutschland wich mit Annäherung des Wirbels MICHAEL die zuvor durch hohen
Druck geprägte Wetterlage einem unbeständigen und recht windigen
Witterungscharakter. Anhaltender, teils schauerartig verstärkter Regen brachte
binnen 24 Stunden bis 6 Uhr UTC des folgenden Morgens beispielsweise auf
Norderney 14,0 mm, bei Schleswig 19,6 mm und in Braunlage im Harz bis zu 25,8
mm mit sich. Im Raum Berlin wurden je nach Stadtlage zwischen 2,1 und 2,6 mm
gemessen. Entlang der Nordseeküste sowie an einigen besonders exponierten
Stationen wurde zudem schwerer Sturm der Stärken 9 bis 10, teils sogar 11 auf
der Beaufortskala gemeldet. So erreichte der meist westlich bis nordwestliche
Wind in Hannover und am Leuchtturm von Kiel Spitzenböen von jeweils bis zu 90,1
km/h, auf Norderney Böen von 93,7 km/h und an einem unbenannten Feuerschiff in
der Deutschen Bucht Böen bis 100,9 km/h. Am Leuchtturm „Alte Weser“, ebenfalls
in der deutschen Bucht gelegen, wurden gar orkanartige Böen bis 108,1 km/h und
auf dem Brocken von bis zu 111,7
km/h registriert. Ebenfalls recht ergiebig fielen die Niederschläge über
Südnorwegen aus, wobei hier die Niederschläge aufgrund von Staueffekten sowie
durch erzwungene Hebungsprozesse beim Aufgleiten der feuchten Luftmassen in
kältere Schichten entlang der dortigen Gebirgsketten lokal noch zusätzlich
intensiviert wurden. Vierundzwanzigstündig fielen in Blindern bei Oslo 5,8 mm,
hingegen in Bergen 24 mm und in Liarvatn bis zu 27,4 mm. In Stockholm wurden im
gleichen Zeitraum 8,0 mm, in Ullared 10,5 mm und bei Malexander 23,0 mm
gemessen. Aufgrund der hohen Verlagerungsgeschwindigkeit des Wirbels kamen noch
höhere Regenmengen trotz der teils hohen Niederschlagsintensitäten zumeist
nicht zusammen.
Bis
zum 11.11. war der Tiefdruckwirbel MICHAEL rasch über die Nordsee und
Südnorwegen nach Osten gezogen und lag mit einem auf unter 990 hPa gefallenen
Kerndruck gegen 00 Uhr UTC über Schweden südlich von Stockholm. Tief MICHAEL
hatte somit über 1900 Kilometer in nur 24 Stunden zurückgelegt. Die Warmfront
war von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt worden, sodass sich entlang
derer eine Okklusionsfront ausgebildet hatte, die die Eigenschaften beider
Frontensysteme in sich vereint. Diese reichte nördlich des Zentrums ausgehend
von Stockholm über Gotland bis nach Riga. Ab Riga den Charakter einer Kaltfront
annehmend zog sich diese anschließend weiter über Warschau und Wien bis nach
Genf. Das Niederschlagsband hatte in der Nacht Ostschweden und das Baltikum
erreicht und verlagerte sich im Tagesverlauf weiter nach Nordosten in Richtung
Finnland und Westrussland. Am Stärksten fielen die Niederschläge entlang des
Zentrums aus, wobei die Niederschlagsintensitäten lokal sehr unterschiedlich
ausgeprägt waren. Wurden innerhalb von 24 Stunden in Stockholm 2,2 und in Riga
5,8 mm gemessen, brachte mit Schauern durchsetzter Regen im schwedischen Gavle
21,2 mm und im lettischen Kolka 17 mm mit sich. Im selben Zeitraum fielen in
Tallinn 6,9 mm, am Flughafen von
Helsinki 20 mm und im litauischen Laukuva 28,0 mm. Der Wind hatte sich
allgemein abgeschwächt, erreichte aber dennoch über Estland und Lettland verbreitet
Böen zwischen 40 und 60 km/h, d.h. Stärke 6 bis 7 auf der Beaufortskala.
Stürmische Böen der Stärke 8 und darüber wurden jedoch nur noch lokal
registriert, wie beispielsweise im lettischen Liepaja mit 75,6 km/h oder im
estnischen Kihnu mit bis zu 79,3 km/h.
In
den folgenden 24 Stunden verlagerte sich das Zentrum der Zyklone MICHAEL nur
geringfügig und befand sich um 00 Uhr UTC am 12.11. über Åland, einer
Inselgruppe am Eingang des Bottnischen Meerbusens westlich von Finnland. Vom
Zentrum des Wirbels, in dessen Kern der Druck um 5 hPa auf circa 985 hPa
gefallen war, erstreckte sich eine ausgeprägte Okklusionsfront in einem Bogen
von Åland über Oulo in Finnland nach Süden bis Rschew westlich von Moskau. Ab
Rschew, erneut den Charakter einer Kaltfront annehmend, zog sich diese
anschließend über Kiew bis nach Moldawien, wo sie sich mit dem Frontensystem
eines sich über der Slowakei ausprägenden, neuen Tiefdruckwirbels verband.
Entlang dieser Front entstand im Laufe des Tages ein neuer, lokal sehr
ausgeprägter Tiefdruckwirbel der für Südwestrussland und die Ukraine
wetterbestimmend wurde. Die dem Tief MICHAEL direkt zuzuordnenden Niederschläge
konzentrierten sich daher im Wesentlichen auf das nördliche Baltikum, Finnland
sowie den Nordwesten Russlands und den Norden Schwedens. Die Niederschläge
hatten bis auf lokale Ausnahmen jedoch zumeist an Intensität verloren. Bis 06
Uhr UTC fielen in St. Petersburg 0,5 mm, in Archangelsk 3,9 mm und in Aluksne
in Lettland 7 mm. Am Flughafen von Helsinki wurden 1,9 mm und am Flughafen von
Mikkeli 10,6 mm gemessen. Im Norden
Schwedens und in einigen Regionen Finnlands gingen die Niederschläge bei
Temperaturen, die auch tagsüber den Gefrierpunkt nicht überschritten,
vielerorts in Schnee über. An der finnischen Messstation Enontekio Nakkala
wurden bei Tageshöchstwerten von -1,1°C 2,1 mm, im schwedischen Gällivare bei
maximal -1,9°C 4,7 mm und in Jokkmokk, ebenfalls Schweden, bei einem Höchstwert
von -2,3°C 6,1 mm Niederschlag registriert.
Das
Tiefdruckgebiet MICHAEL war zum 13.11. nahezu stationär über Südfinnland
verblieben und lag um 00 Uhr UTC mit einem auf 995 hPa gestiegenen Druck über
Helsinki. Die zugehörige Okklusionsfront war weiter nach Nordosten
vorangeschritten und beschrieb einen Bogen von Vaasa über Archangelsk bis nach
Nischni Nowgorod, östlich von Moskau an der Wolga gelegen, wo sie sich mit der
Warmfront eines bei Samara liegenden, unbenannten Tiefs verband. Dieses Tief
war im Laufe des 12.11. entlang der Kaltfront des Tiefs MICHAEL hervorgegangen.
Das einstige markante Niederschlagsgebiet hatte sich weitestgehend
abgeschwächt. Größere Niederschlagsintensitäten konzentrierten sich, wenn auch
in ihrer Ausdehnung sehr begrenzt, noch direkt um das sich allmählich nach
Norden verlagernde Zentrum. Anhaltender Schneefall brachte binnen 24 Stunden an
der finnischen Station in Inari 4 mm, bei Lieksa 5,8 mm und im nahegelegenen
Ilomantsi 8,1 mm. Archangelsk meldete
Regen mit einer Niederschlagsmenge von 3 mm, Murmansk teils mit Regen
vermengter Schneefall mit 4 mm und Kenevka Schnee mit 6 mm.
Allmählich
an Stärke verlierend war das Tiefdruckgebiet MICHAEL in den folgenden Stunden
nach Norden gezogen und befand sich gegen 00 Uhr UTC des 14.11. mit einem
Kerndruck von knapp 1000 hPa über der russisch-finnischen Grenzregion westlich
von Murmansk. Ein dem Wirbel direkt zugehöriges Frontensystem konnte zu diesem
Zeitpunkt jedoch nicht analysiert werden. Lediglich eine ursprünglich dem Tief
LEMMY zugehörige Okklusionsfront reichte weit westlich des Zentrums von Tromsø
über Spitzbergen nach Norden. Nennenswerte Niederschläge wurden noch aus den
Küstenregionen Nordnorwegens und entlang der Kola-Halbinsel gemessen. Die
Niederschlagsformen, als auch deren Intensitäten waren dabei sehr
unterschiedlich ausgeprägt. Am Flughafen von Tromsø wurde beispielsweise
gefrierender Regen und Sprühregen mit einer 24-stündigen Niederschlagsmenge von
7,5 mm registriert, während aus dem Stadtgebiet von Tromsø, knapp 3,7 km
entfernt, schauerartig verstärkter, jedoch nicht gefrierender Regen mit bis zu
2,5 mm gemeldet wurde. Leichter Schneefall und in der Nacht gefrierender Nebel
brachten in selben Zeitraum bei Karasjok 0,4 mm, in anhaltenden Sprühregen
übergehender Regen am Leuchtturm von Sletnes 5,0 mm, sowie Schnee- und
Schneeregenschauer in Murmansk 8,0 mm mit sich. An der Station bei Nordstaum
wurden durch in anhaltenden, mäßigen Schneefall übergehende Regenschauer
immerhin noch bis zu 14 mm gemessen.
Tief
MICHAEL befand sich zunehmend in Auflösung, konnte jedoch zwischenzeitlich noch
einmal leicht an Stärke gewinnen. Sein Zentrum war bis zum 15.11. nahezu stationär
über dem Norden Lapplands verblieben und befand sich um 00 Uhr UTC mit einem auf
etwa 995 hPa leicht gefallenen Druck weiterhin westlich von Murmansk. Vom Kern
zog sich eine kleinskalige Okklusionsfront von Murmansk über Tromsø auf das
Nordmeer hinaus. Im weiteren Tagesverlauf schwächte sich der Tiefdruckwirbel
MICHAEL jedoch soweit ab, dass dieser am 16.11. nicht mehr auf der Berliner
Wetterkarte als eigenständiger Wirbel analysiert und somit auch nicht mehr
namentlich auf jener verzeichnet werden konnte. Zuvor wurden in Murmansk noch
letzte Schneefälle mit einer Niederschlagsmenge von 0,2 mm gemessen, Schnee und
Schneeregen ergaben im Stadtgebiet von Tromsø 7,5 mm, an dessen Flughafen 12,0
mm, und in Andøya, südwestlich von Tromsø gelegen, fielen bis zu 13,3 mm, ehe
das sich ebenfalls abschwächende Tief OLAF für die Region wetterbestimmend
wurde.
Geschrieben am
22.12.2017 von Christian Ulmer
Berliner Wetterkarte:
11.11.2017
Pate: Michael
Amberg