Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet MICHAEL

(getauft am 12.09.2015)

 

Am 10. September beeinflusste das mit seinem Kern über Südskandinavien liegende, umfangreiche Hochdruckgebiet LAJANA Nord- und Mitteleuropa. Auch im 500-hPa-Niveau, also in einer Höhe von ca. 5,5 km, war dieses Hochdruckgebilde, welches in großen Teilen Zentraleuropas für sonnenscheinreiches Frühherbstwetter sorgte, noch sehr stark ausgeprägt. Währenddessen gelangte der südöstlich des Bermudadreiecks gelegene tropische Sturm HENRY in die Westwindzone. Dieser zog bis zum Folgetag weiter nordostwärts. Auf der Vorderseite von Tropensturm HENRY trafen wärmere Luftmassen auf kühlere Luftmassen aus dem Norden, wodurch es zu einer Zyklogenese kam. Im weiteren Verlauf entwickelte sich ein noch unbenanntes Tiefdruckgebiet. Dieses zog mit westlicher Strömung relativ zügig etwa 2000 km ostwärts über den Nordatlantik und sollte im weiteren Verlauf Einfluss auf das Wetter in Europa nehmen. Daher wurde diese Zyklone am 12. September auf den Namen MICHAEL getauft.

Der Kerndruck des Tiefs MICHAEL vertiefte sich geringfügig innerhalb von 24 Stunden von anfänglich ca. 1005 hPa bis auf knapp unter 1000 hPa am Tauftag um 00 Uhr UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kern knapp 2000 km südlich von Grönland auf derselben Breite wie London. Ein Teil des Wirbels MICHAEL war bereits okkludiert. Die Okklusionsfront verlief vom Kern ca. 1300 km nach Westen. Die Warmfront zog sich vom Okklusionspunkt bogenförmig etwa 1500 km nach Südwesten und endete auf dem Breitengrad von Lissabon. Die Kaltfront verlief ebenso bogenförmig zunächst nach Südwesten, dann nordwestlich bis sie sich mit einer Warmfront eines unbenannten Tiefs östlich von Massachusetts verband. Ein Okklusionspunkt stellt dabei den Ort dar, an welchem die schneller ziehende, hintere Kaltfront die Warmfront einholt. Somit entsteht mit der Okklusion ein Frontentyp, der die Eigenschaften von Kalt- und Warmfronten in sich vereint.

Bis zum 13. September um 00 Uhr UTC zog Tief MICHAEL mit ebenso hoher Geschwindigkeit weiter nach Osten und befand sich nahe dem Keltischen Meer südwestlich von Irland. In der Höhe befand sich ein ausgeprägter Trog, also ein Kaltluftvorstoß nach Süden, dessen Achse bis nach Spanien reichte. Tief MICHAEL geriet auf der Rückseite des Troges in dessen Einfluss und verstärkte sich dadurch. Der Kern wies zunächst unverändert einen Druck von ca. 998 hPa auf. Vom Kern erstreckten sich zwei Okklusionsfronten, wovon die eine rückläufig ca. 600 km westwärts vom Kern verlief und die andere, den Kern nördlich umlaufend, bis etwa 500 km nach Süden reichte. Vom Okklusionspunkt führten die Warm- und die Kaltfront bogenförmig nach Südwesten bis auf den gleichen Breitengrad wie Lissabon. Weiterführend ging die Kaltfront wie am Vortag in die Warmfront des unbenannten Tiefs über. Besonders auffällig war der schmale Warmluftsektor, der den Bereich zwischen Kalt- und Warmfront darstellt. In diesem Bereich wurden mit südwestlichen Winden maritime warm-feuchte Luftmassen subtropischen Ursprungs herangeführt. Das Frontensystem von Tief MICHAEL überquerte in der Nacht zum 13. September die Azoren und sorgte für leichte Regenfälle. Um 06 Uhr UTC konnten 12-stündig geringe Niederschlagsmengen auf der zentralen Inselgruppe von 0,1 bis 1 l/m² gemessen werden. Auf Flores wurden 3 l/m² und auf Sao Miguel 2 l/m² registriert. Im Tagesverlauf zog das Tief MICHAEL mit seinem zugehörigen Frontensystem weiter nach Osten, so dass der Wirbel den Norden Portugals und Spanien erreichte. Dabei blieb es entlang der Front ein stark bewölkter Tag und die Sonne schien im Nordwesten Spaniens 2 bis 5 Stunden und im Norden Portugals nur ca. 0 bis 3 Stunden, wohingegen nach Südostspanien die Sonnenanteile zunahmen, wie beispielsweise in Madrid mit 6 Stunden und in Sevilla mit 11 Stunden. So stellten sich auch deutliche Temperaturunterschiede vor und hinter der Kaltfront ein. An der Mittelmeerküste und in Zentralspanien konnten Höchstwerte von 27 bis 32°C registriert werden, während im nordspanischen León nur 17°C gemessen wurden. Nach dem Kaltfrontdurchgang konnten am selben Tag um 18 Uhr UTC 12-stündige Regenmengen von 2 l/m² in León, 11 l/m² in Orense und sogar 24 l/m² in Vigo an der nordatlantischen Küste verzeichnet werden. Ebenso überquerte die Kaltfront die Bretagne, wo in Brest im gleichen Zeitraum 11 l/m² fielen. Es wurden Spitzenböen im nordwestlichen Portugal und Spanien von 50 bis 59 km/h, an der nordatlantischen Küste in Cabo Vilan sogar 86 km/h und in der Bretagne 31 bis 50 km/h, in dem Küstenort Quessant bis 65 km/h, gemessen.

Bis zum Folgetag, dem 14. September, lag der Tiefdruckkern mit einem vertieften Druck von etwa 993 hPa um 00 Uhr UTC über dem Keltischen Meer und überquerte Südirland und Südwestengland. Die Kaltfront hatte die Warmfront vollständig eingeholt, so dass sich die Luftmassengrenze anschließend vom Keltischen Meer, über Paris, Toulouse, Südportugal bis ca. 1800 km über dem südlichen Nordatlantik erstreckte. Dabei handelte es sich bis ca. Toulouse um eine Okklusionsfront, die dort ihren Charakter in den einer Kaltfront wechselte. Des Weiteren wurde zu diesem Zeitpunkt eine zweite Kaltfront ca. 300 km parallel zu der vorangehenden Luftmassengrenze festgestellt. Allerdings löste sich diese innerhalb weniger Stunden wieder auf. Im Norden Frankreichs herrschten größere Luftdruckgegensätze und somit konnten nach dem Kaltfrontdurchgang markante Böen an der Nord- und Nordwestküste von bis zu 106 km/h an der Île de Groix registriert werden. Im Landesinnern waren es noch Böen mit einer Stärke von 57 bis 74 km/h, wie z.B. 59 km/h in Laval und 70 km/h in Melun. Im Osten Frankreichs wurden beim Frontendurchgang am Flughafen Bale-Mulhouse und in Umgebung leichte Gewitter und verstärkt anhaltende Schauer gemeldet. In dieser Region fielen bis 12 Uhr UTC innerhalb von 6 Stunden Niederschlagsmengen von 7 l/m² und in anderen Landesteilen zwischen 0,2 und 4 l/m². Entlang der Front schien die Sonne mit etwa 0 bis 4 Stunden nur wenig. Rückseitig der Kaltfront konnten sich postfrontale Aufheiterungen durchsetzen, so dass beispielsweise in Laval und Le Mans bis zu 8 Stunden Sonnenscheindauer gemessen wurden. Da Tief MICHAEL die maritime Subtropikluft nach Osten verdrängte und maritime Subpolarluft nordatlantischen Ursprungs mit sich brachte, konnten am Vortag in Südwestdeutschland verbreitet noch 25 bis 30°C gemessen werden. An diesem Tag waren es dagegen nur noch 17 bis 20°C entlang der Front, ansonsten bis 24°C. In Belgien, den Niederlanden und Westdeutschland wurden beim Durchgang der am Kern des Wirbels MICHAEL entstandenen Okklusionsfront und der vorhergehenden Front von Tief LÉO leichte bis örtlich schwere Gewitter mit teils kräftigen Schauern und markanten Böen beobachtet. Diese lösten sich aber im Laufe der folgenden Nacht beim Verlauf in Richtung Osten wieder auf. Verbreitet wurden Regenmengen von 1 bis 10 l/m² gemessen, in Gewitternähe auch 10 bis 20 l/m². So wurden beispielsweise um 18 Uhr UTC 12-stündig 22 l/m² in Hupsel in der Nähe von Enschede in Holland und um 17 Uhr UTC innerhalb einer Stunde knapp 19 l/m² in Sandberg in Nordbayern registriert. Rückseitig der Front kamen dennoch in Nordbrandenburg 5 bis 7 Sonnenstunden zusammen. Verbreitet wurden Windböen bis 75 km/h verzeichnet, von Baden-Württemberg bis Nordbayern auch schwere Sturm- bis orkanartige Böen wie beispielsweise in Würzburg mit 106 km/h. In Zentrumsnähe wurden dichte Bewölkung und schauerartige Regenfälle beobachtet, aber auch bis zu 5 Sonnenstunden rückseitig an der Küste in Bournemouth und Manston registriert. Am Rand des Kerns wurden ebenfalls im Tagesverlauf örtlich starke Gewitter und teils schauerartig verstärkte Regenfälle verzeichnet. So wurden um 18 Uhr UTC 12-stündig in Scampton 19 l/m², in Church Lawford 16 l/m² und in Milford Haven sogar 31 l/m² innerhalb von 3 Stunden registriert. Windböen bis 106 km/h konnten an der Westküste Englands in Pembrey Sands gemessen werden.

Am 15. September um 00 Uhr UTC befand sich Tief MICHAEL genau über Zentralengland, etwa über Birmingham, mit einem leicht vertieften Kerndruck von ca. 989 hPa. Die Okklusion erstreckte sich bogenförmig vom Keltischen Meer über Zentralengland, die Nordsee, Dänemark, entlang der Oder, Zentralösterreich bis Norditalien. Das kräftige Bodentief MICHAEL, das auch im 500-hPa-Niveau ausgeprägt war, verlagerte sich mit südwestlicher Höhenströmung im Tagesverlauf weiter Richtung Nordosten, wo der Wirbel MICHAEL hauptsächlich das Wetter in Südostengland, Südskandinavien sowie den baltischen Staaten und Weißrussland beeinflusste. In Südostengland wurden an diesem Tag in der Nähe des Kernes nur wenige Sonnenstunden, mit beispielsweise 4 Stunden in Nottingham, registriert. In Wales, Irland und Schottland schien die Sonne dagegen örtlich 5 bis 7 Stunden. In England wurden 16°C in Manchester, bis 20°C in London, 13°C auf den westlichen Inselgruppen und bis 15°C in Kinloss an der Nordseeküste Schottlands als Höchsttemperatur registriert. Allerdings zog der Kern rasch im Laufe des Tages über die Nordsee, so dass um 18 Uhr UTC eher geringe 12-stündige Niederschlagsmengen von ca. 0,2 bis 6 l/m² gemessen wurden. Die maximale Menge fiel an der Ostküste in Loftus Samus mit 16 l/m². Die höchsten Niederschlagsmengen konnten im gleichen Zeitraum über Südskandinavien verzeichnet werden. So fielen beispielsweise in Oslo 26 l/m² und westlich von Oslo in Hakadal 44 l/m². Je weiter sich die Okklusionsfront nach Südosten verlagerte, desto mehr schwächte sie sich ab. Daher nahmen auch die Niederschlagssummen im selben Zeitraum über dem Baltikum ab, so dass sie im lettischen Dobele nur noch 8 l/m² und im litauischen Siauliai sowie im weißrussischen Lida nur noch 4 l/m² betrugen.

Am Folgetag befand sich der Kern des Tiefs MICHAEL um 00 Uhr UTC mit einem leicht erhöhten Druck von knapp unter 995 hPa etwa 400 km östlich von Edinburgh über der Nordsee. Die Okklusionsfront verlief vom Kern bogenförmig nördlich von Trondheim und östlich von Helsinki bis zum Okklusionspunkt, der etwa 100 km östlich von Riga lag. Von dort zog sich wellenförmig eine Luftmassengrenze bis ca. 200 km südwestlich von Sardinien. Die Warmfront verlief südöstlich vom Okklusionspunkt über Minsk, der westlichen Ukraine bis über die Karpaten. Sie endete etwa 100 km westlich von Bukarest. Im Tagesverlauf brachte das schwache Frontensystem kaum noch Regen. Geringe Mengen von 0,1 bis vereinzelt 3 l/m² fielen 12-stündig bis 18 Uhr UTC über Nordskandinavien. Die höchste Niederschlagsmenge wurde im finnischen Alajärvi Möksy mit 13 l/m² gemessen. Weiterhin konnten am Okklusionspunkt in der Nähe von Riga bis zu 4 l/m² verzeichnet werden.

Bis 00 Uhr UTC am 17. September verschob sich der Kern des Tiefs MICHAEL nordwestwärts, so dass er sich mit kaum verändertem Druck wenige Kilometer nördlich von Schottland befand. Daran anschließend verlief die Okklusionsfront bis zum selben Okklusionspunkt wie am Vortag, von wo aus die sehr kurze Kaltfront etwa über der Ostseeküste von Litauen in die Warmfront des Tiefdruckwirbels Ex-HENRI überging. In den nächsten Stunden wurde Tief MICHAEL vollständig in die Zirkulation von Ex-Tropensturm HENRI aufgenommen und war folglich am 17. September als eigenständiges Tiefdruckgebilde das letzte Mal auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet.


Geschrieben am 03.11.2015 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 15.09.2015

Pate: Michael Engel