Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet MINA

(getauft am 02.07.2012)

 

Ende Juni 2012 verlagerte sich ein Tiefdruckgebiet vom Nordosten der USA weiter ostwärts über den zentralen Nordatlantik. Im Laufe des 01.07. begann sich der Wirbel erneut zu intensivieren. Außerdem wurde erkennbar, dass das Tief auch für das europäische Wetter wirksam werden sollte, weswegen es am 02.07. auf den Namen MINA getauft wurde.

Die Zyklone MINA befand sich am Morgen der Taufe mit einem Kerndruck von 998 hPa noch zentral über dem Nordatlantik, südwestlich von Island auf der Breite der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Das Tief wies zu diesem Zeitpunkt zwei Fronten auf. Die erste Front bestand noch aus der Vorgeschichte der Zyklone MINA und hatte den Charakter einer Okklusionsfront. Dieser Frontentyp stellt eine Mischform aus Warm– und Kaltfront dar und entsteht, wenn die schneller ziehende Kaltfront im Laufe des Lebenszyklus eines Tiefs die langsamer ziehende Warmfront einholt. Der Wirbel MINA bildete aber zusätzlich eine neue Kaltfront aus, die ca. 200 km südöstlich des Kerns begann, dann in einem seichten südwestlichen Bogen über den Nordatlantik reichte und zwischen der Südspitze Grönlands und der Westspitze der Labradorhalbinsel endete.

Bis zum nächsten Tag nahm das Tief MINA eine vorangegangene kleine Zyklone in seine Zirkulation mit auf und vergrößerte dadurch seinen Einfluss. Das Frontensystem wurde nun mit drei Warmfronten, zwei Kaltfronten sowie zwei Okklusionen sehr komplex. Diese Grenzen der Luftmassen, denn nichts anderes stellen Fronten dar, überdeckten ein Gebiet, welches von den Azoren bis knapp südlich von Island und vom zentralen Nordatlantik bis nach Westfrankreich und Südnorwegen reichte. In diesem Bereich kam es nicht nur zu starken Wolkenentwicklungen, sondern auch zu Niederschlägen. So fielen in Brest in der Bretagne bis zum nächsten Morgen um 08 Uhr MESZ rund 13 mm Niederschlag. Im südenglischen Plymouth wurden 15 mm und in Bournemouth 16 mm gemessen. Gleichzeitig konnte kaum ein Tagesgang der Temperatur verzeichnet werden. Tagsüber stieg sie aufgrund der dichten Wolken nur wenig an, sodass in Südengland lediglich 15 bis 16°C als Höchsttemperatur erreicht wurden. Nachts kühlte es durch die Wolkendecke jedoch auch kaum ab, wodurch die Tiefstwerte bei 14 bis 15°C lagen.

Im Laufe der Nacht zog der Wirbel MINA weiter nach Osten bis rund 100 km westlich der irischen Westküste. Die Fronten hatten sich derweil wieder deutlicher strukturiert. So existierte eine Warmfront, die knapp nordwestlich des Kerns begann, einen leichten Bogen über die Färöer Inseln beschrieb und bis nach Skandinavien reichte, wo sie über dem norwegisch-schwedischen Grenzgebiet auf der Breite von Trondheim endete. Eine Kaltfront reichte vom gleichen Ausgangspunkt in einem weiten südöstlichen Bogen über Zentralirland und die Westspitze Cornwalls hinweg bis zur Westspitze der Bretagne, westlich an der Biskaya vorbei und dann bis über den Nordatlantik, rund 1000 km nördlich der Azoren. In diesem Moment befand sich Zentraleuropa und damit auch Deutschland im Bereich hinter der Warmfront und vor der Kaltfront, im sogenannten Warmsektor. Die Bedeutung des Namens wird auch bei einem Vergleich der Höchsttemperaturen deutlich, welche am 04.07. in Deutschland verbreitet um 3 bis 5 Grad höher waren als noch am Vortag. Am 03.07. gab es oft Werte um 22°C, an den Küsten um 18°C, im Kölner Raum bis zu 26°C. Am Folgetag wurden an den Küsten 19 bis 24°C gemeldet, im Binnenland stieg die Temperatur vielerorts bis auf teils 28°C. Das lag auch an der größeren Sonneneinstrahlung. Am Vortag, an dem die vielen Fronten Deutschland beeinflussten, gab es oft nur bis zu 3 Stunden Sonnenschein, nur der Westen wies 10 bis 13 Stunden auf. Am 04.07. schien die Sonne jedoch nahezu überall zwischen 7 und 15 Stunden.

Bis zum 05.07. verlagerte sich das Tief MINA über das Seegebiet südlich von Irland und westlich der Bretagne. Die einstige Warmfront entwickelte sich zur Okklusion und erstreckte sich in einem westlichen Bogen um die Britischen Inseln herum bis auf die Breite der Nordspitze Schottlands, wo sie in die Kaltfront eines anderen Wirbels überging. Die ehemalige Kaltfront begann über Nordirland zunächst als Okklusion, verlief dann weiter bis nach Nordengland, wo sie wieder den Charakter einer Kaltfront besaß, und reichte schließlich über den Ärmelkanal und Belgien hinweg, knapp vorbei an Paris und Bordeaux bis zu den Pyrenäen, wo sie in die Warmfront eines Tiefs über der Iberischen Halbinsel überging. Auf der Vorderseite des Tiefs, also östlich davon, wurden durch die zyklonale Drehung entgegen des Uhrzeigersinns feuchtwarme Luftmassen aus dem östlichen Mittelmeerraum nach Zentraleuropa transportiert. Das führte in der Nacht zum 05.07. und auch nachfolgend an der Kaltfront zu einigen Gewittern. So meldete Paris am Morgen 7 mm Niederschlag, die durch ein Gewitter zustande kamen. Auch über dem französischen Zentralmassiv und den Pyrenäen konnten sich Gewitterzellen bilden. Diese erreichten am späten Nachmittag Westdeutschland und verstärkten sich auf ihrem Weg teils deutlich. In Dormagen fielen zum Beispiel innerhalb einer Stunde 38 mm Niederschlag. Bis zum Morgen des 06.07. blieb der Kern mit einem Druck von rund 999 hPa weiterhin stabil. Instabiler wurde hingegen die Situation vor der Kaltfront. Hier konnte sich eine sogenannte Konvergenzlinie bilden, die einen Streifen besonders großer Labilität in der Luft aufzeigt und dieser befand sich quer über Deutschland, parallel zur Front. Diese hatte sich im Verlauf weiter nach Osten verlagert. Zusammen mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit bildeten sich dadurch am bereits vorangegangenen Abend erneut teilweise heftige Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen. In Gera wurden bei einer Bö rund 100 km/h gemessen, was sogar schwerem Sturm entspricht. Die größten Niederschlagsmengen wurden von Südbrandenburg bis nach Thüringen gemessen. Im thüringischen Remptendorf waren es 65 mm, in Heyda 69 mm und in Großbothen 81 mm, jeweils innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 06.07. Noch mehr fiel nur im brandenburgischen Bad Liebenwerda mit außergewöhnlichen 85 mm innerhalb einer Stunde und insgesamt 95 mm bis zum nächsten Morgen.

Auch bis zum folgenden Morgen breitete sich die Kaltfront des Wirbels MINA weiter in Richtung Osten aus. Der Kern lag nun mit leicht erhöhtem Druck von rund 1002 hPa über Landsend in Cornwall. Von ihm reichte eine Okklusion bis knapp südlich von Edinburgh und dann weiter nach Osten bis nach Kopenhagen, wo sich die Front in Kalt- und Warmfront aufspaltete. Die Warmfront erstreckte sich über Südschweden hinweg bis nach Stockholm, Helsinki und St. Petersburg. Die Kaltfront befand sich nun über Polen und reichte über Danzig, Warschau und Wien hinweg bis nach Mailand. Und erneut kam es zu kräftigen, gewittrigen Niederschlägen, wenngleich sie auch nicht mehr so extrem ausfielen wie am vorangegangenen Tag. Dennoch wurden in der Lausitz mehrfach Niederschläge mit über 50 mm innerhalb von 24 Stunden registriert. Hinter der Kaltfront wurde es gleichzeitig auch kälter. Wurden am Vortag in Deutschland nochmals Höchstwerte von bis zu 29°C in Brandenburg und der Lausitz gemessen, so waren es an diesem Tag nur noch 22 bis 24°C. Wärmer war es nur im äußersten Südwesten, der kurzzeitigen Zwischenhocheinfluss zu spüren bekam.

Das Tief MINA hatte in den letzten Tagen die gesamte großräumige Strömung in West– und Mitteleuropa fest im Griff. Nicht nur in den Bodenkarten war das Tief gut zu sehen, auch in der wetterbestimmenden Höhenströmung in ca. 5,5 km Höhe war über den südlichen Britischen Inseln ein deutliches Höhentief zu erkennen. Der Kern, dessen Lage und Druck am 08.07. kaum verändert waren, besaß nun wieder mehrere Warm–, Kalt– und Okklusionsfronten, welche von Trondheim bis nach Madrid und von Mailand bis hinaus über den Nordatlantik reichten. Aber die Zyklone MINA verlagerte sich im Tagesverlauf zügig nach Nordosten, sodass der Kern am nächsten Morgen über Sylt lag. Das Tief brachte dadurch nochmals Turbulenz in das Wettergeschehen, vor allem in Deutschland. Der Osten des Landes bekam davon noch nicht viel mit. Hier wurde es am 08.07. wieder recht warm mit bis zu 28°C und 13 Stunden Sonnenschein. Der Westen lag aber schon im Einflussbereich einer neu gebildeten Kaltfront, die am Morgen des 08.07. noch über den Pyrenäen lag, am 09.07. jedoch Deutschland schon überquert hatte und über Zentralpolen, dem östlichen Tschechien, Wien und Genua lag. Somit konnte die Temperatur in den westlichen Bundesländern nur bis auf 20°C ansteigen, teilweise war es auch noch kälter, wie in Limburg mit maximal 18°C. Die erneute Wärme im Osten im Zusammenhang mit dem nochmaligen Durchzug einer Kaltfront brachte abermals Gewitter mit sich. Da die Gewitter aber recht schnell zogen, wurden kaum noch große Regenmengen gemessen. Anders war das in der Nähe des Tiefkerns im Nordwesten. Hier regnete es teilweise lang anhaltend, wodurch Regenmengen von bis zu 42 mm zusammen kamen, wie auf Norderney.

Bis zum Morgen des 10.07. verlagerte sich das Tief MINA wieder langsamer und lag nun über Göteborg in Schweden. Um den Kern herum reichte eine spiralförmige Okklusion bis knapp nördlich von Stockholm. Von ihr zweigte sich über Norddänemark eine Kaltfront ab, die bis nach Nordengland verlief, außerdem eine weitere Okklusion, die bis nach Östersund reichte. Weiterhin eine Warmfront, die sich bis über Zentralfinnland zog und eine Kaltfront, die einen Bogen über die Ostsee, Tallin und Minsk beschrieb um über Krakau zu enden. Da die Luftströmung über Deutschland durch die Verlagerung des Kerns nun von Südwest auf West bis Nordwest gedreht hatte, beruhigte sich die Wettersituation wieder etwas. Verbreitet wurden noch Werte zwischen 20 bis 25°C erreicht, auch ein paar leichte Schauer waren dabei, aber Gewitter und schwüle Wärme gab es nicht mehr.

Die Zyklone MINA trat nun langsam eine ruhigere Phase ihrer Existenz an und befand sich die nächsten beiden Tage über dem südlichen Küstengebiet Norwegens. Dabei reichte an beiden Tagen eine Okklusionsfront vom Kern aus mittig über ganz Norwegen hinweg bis kurz vor das Nordkap. Im Bereich dieser Okklusion kam es in Norwegen häufig zu geringen Niederschlägen und vielen Wolken. Oftmals wurde sogar komplett bedeckter Himmel gemeldet. In dieser Position lenkte das Tief MINA recht kalte Luft nach Deutschland, sodass hier ein kühler Witterungsabschnitt begann, der gleichzeitig einige Schauer und wieder vereinzelte Gewitter mit sich brachte. Diese führten am 11.07. in der Altmark zu 14 mm Niederschlag und in Antwerpen in den Niederlanden zu 18 mm. Am 12.07. meldete Angermünde in Brandenburg 23 mm. Die angesprochene kühlere Luft machte sich an diesem Tag vielerorts bemerkbar. Am kältesten war es in Soltau mit einer Höchsttemperatur von nur 16°C.

Am 13.07. befand sich der Kern der Zyklone MINA mit einem Druck von knapp unter 1000 hPa über Oslo. Er bildete den Ausgangspunkt für eine Okklusion, die nur rund 100 km nach Norden reichte. Dort schloss sich ein weiteres Tiefdruckgebiet an, welches aus dem Nordosten heranzog. Bis zum nächsten Tag verband sich das Tief MINA aber mit diesem Kern und konnte sich dadurch wieder leicht verstärken. Am 14.07. besaß es einen Druck von rund 994 hPa und lag über dem norwegischen Bodö. Eine neu gebildete Warmfront reichte vom Kern ausgehend nördlich um die Küsten Skandinaviens herum, südöstlich über die Barentssee hinweg und bis etwa zum Ural, ungefähr auf Breite der Stadt Archangelsk. Außerdem existierte eine Kaltfront, die vom Kern aus bis Pello an der schwedisch-finnischen Grenze reichte. Auf der Ostseite des Tiefs gelangte dabei sehr warme Luft bis in den hohen Norden Russlands. So wurde am 13.07. in Archangelsk eine Höchsttemperatur von 27,6°C gemessen. In der Nacht zum 14.07. sank die Temperatur dann nur bis auf 20,1°C ab, womit es dort eine sogenannte tropische Nacht gab. Da die Kaltfront in dieser Nacht aber auch weiter nach Nordosten vorankam und dort auf ungewöhnlich warme Temperaturen traf, gab es hier erneut heftige Gewitter. Die höchste Niederschlagsmenge wurde mit 45 mm aus Klin bei Moskau gemeldet.

Am 15.07. befand sich das Zentrum ungefähr 150 km nordwestlich von Bodö über der Norwegischen See, auf Breite der Insel Jan Mayen. Das Tief konnte abermals eine lange Okklusionsfront ausbilden, die weit nach Südwesten über den Nordatlantik reichte und in etwa mittig zwischen Irland und Island endete. Die Warm– und Kaltfront vereinigten sich ebenfalls zu einer Okklusion, die vom Kern aus nach Nordosten bis über die westliche Barentssee reichte.

Bis zum 17.07. verkleinerten sich die Fronten und wurden mehr und mehr wetterinaktiv. Das mit 16 Tagen außergewöhnlich lang existierende Tief MINA, was Deutschland zuerst subtropische Schwüle mit heftigen Gewittern und danach polare Kälte brachte und Europas Wetter lange Zeit bestimmte, schwächte sich bis zum 18.07. schließlich so weit ab, dass es auf der Berliner Wetterkarte nicht mehr analysierbar war.

 


Geschrieben von Paul Heger

Berliner Wetterkarte: 09.07.2012

Pate: Mina Aylin Bati