Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet MOMO

(getauft am 17.06.2019)

 

Ein neues Tief bildete sich im Laufe des 17. Juni über der Iberischen Halbinsel. Es entstand auf der Vorderseite eines Höhentroges über dem Nordatlantik, also einem ausgedehnten Bereich mit niedrigem Luftdruck und verhältnismäßig kühleren Temperaturen in der Höhe, der sich aus subpolaren Regionen südwärts ausbeult. Die Zyklone sollte in den folgenden Tagen mit einer nordöstlichen Höhenströmung in Richtung Skandinavien und Nordostrussland ziehen, auf der Vorderseite zunächst ein Schwall feucht-warmer Mittelmeerluft nach West- und Mitteleuropa transportieren, später auf der Rückseite dann kühlere Meeresluft heranlenken. Mit dem Luftmassenwechsel einhergehend wurden verbreitet Schauer und Gewitter prognostiziert. Und so wurde das in Entstehung begriffene Tief am 17. Juni auf den Namen MOMO getauft.

Erstmals analysiert werden konnte der Wirbel in den Bodenwetterkarten des 18. Juni. Er befand sich um Uhr 00 UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, in einem noch jungen Entwicklungsstadium mit Kern über der Biskaya, wo der Luftdruck bei knapp unter 1015 hPa lag. Die für ein Tief typischen Fronten, in Form einer Warmfront, die hier über Südfrankreich bis zum westlichen Mittelmeer verlief, und einer Kaltfront, die quer über Spanien südwärts reichte, hatten sich bereits herausgebildet. In den folgenden Stunden zog das Tief langsam nordostwärts gen Frankreich. Während auf der Vorderseite nun Warmluft aus subtropischen Breiten nordwärts gelenkt wurde, blieb die Kaltluft zunächst noch über dem Ostatlantik zurück. Und so baute sich im Tagesverlauf eine Luftmassengrenze auf, die am Ende des Tages von Zentralspanien über die Biskaya, Nordwestfrankreich und die Nordsee bis nach Dänemark und Südschweden reichte. Vor der Front erreichten die Temperaturen allgemein sommerliches Niveau, etwa über Deutschland 28-30°C, über Frankreich und Spanien stellenweise auch über 30°C, dahinter über den Britischen Inseln aber nur 15 bis 20°C. Entlang der Luftmassengrenze entwickelten sich erste Schauer, betroffen war zunächst nur der Nordwesten Spaniens, die Bretagne und Normandie, sowie der Süden Englands, aber auch Dänemark, Schleswig-Holstein und Ostfriesland. Mit Mengen von meist unter 10 l/m² in 12 Stunden blieben die Niederschläge zunächst schwacher Intensität. In der Nacht zum 19. Juni setzten sich die Niederschläge an der Luftmassengrenze fort, weniger verbreitet, dafür punktuell intensiver. So wurden etwa über Westfrankreich, etwa in Cognac 14 l/m² zwischen 18 und 06 Uhr UTC, im belgischen Koksijde sogar 20 l/m² gemessen.

Am frühen Morgen des 19.06. spannten sich die Ausläufer mittlerweile vom Kern über Nordwestfrankreich ausgehend in südwestliche Richtung als Kaltfront über die Biskaya und den Ostatlantik bis zur Inselgruppe der Azoren, die Warmfront hingegen nordostwärts bis nach Skandinavien. Der Luftdruck im Zentrum war um 00 Uhr UTC bereits auf 1007 hPa gefallen.

Die einfließende Warmluft ließ die Temperaturen an diesem Tag in Südschweden und Dänemark bis auf 26°C steigen, über der Mitte und dem Osten Deutschlands wurden Werte zwischen 30-34°C erreicht, etwa im Berliner Raum mit um die 32°C. Über Frankreich und Benelux blieb es mit langsamem Vordringen der Kaltfront kühler, wolkiger und nasser. Aufgrund des schauerartigen Charakters waren die Regenmengen recht ungleichmäßig verteilt, meist wurden um die 5 l/m² in 12 Stunden gemessen. Punktuell kam es auch zu unwetterartigen Schauern und Gewittern, im französischen Amiens fielen bis 18 Uhr UTC 19 l/m² Niederschlag, im holländischen De Bilt 40 l/m² und im belgischen Antwerpen gar 63 l/m². Aber auch vor der Front kam es über Mitteleuropa in schwülwarmer Luft zu einzelnen Hitzegewittern, vor allem über der Schwäbischen Alb, im Thüringer Wald und im Harz. Meist wurden nicht mehr als 10 l/m², in der Spitze jedoch 59 l/m², so wie im niedersächsischen Wahlsberg-Lippoldsberg gemessen.

Nachts kam die Kaltfront, aufgrund strömungsparalleler Lage (Südwestwind) zunächst kaum voran und die Niederschlagsaktivitäten ließen nach. Regenmengen wie die 10-11 l/m² im Pariser Raum, zwischen 18 und 06 Uhr UTC des Folgetages, blieben die Ausnahme. Zu kräftigen Schauern und Gewittern kam es trotzdem und zwar östlich der eigentlichen Kaltfront entlang einer Konvergenzlinie, die sich über Südfrankreich, dem Rhônetal, dem Jura, dem Schwarzwald und den deutschen Mittelgebirgen ausbildete. An einer Konvergenz strömt Luft aus unterschiedlichen Richtungen zusammen, steigt gezwungenermaßen auf und sorgt so für Konvektion und schauerartige Niederschläge. Dabei fielen recht verbreitet 5-10 l/m², in Spitze auch knapp über 15 l/m².

Am 20. Juni verlagerte sich Tief MOMO, ohne weitere Vertiefung, mit Kern nordwärts bis nach Mittelskandinavien, wo es mit Nordmeertief KLAUS einen ausgedehnten Tiefdruckkomplex formte. Dieser zusätzliche Impuls sorgte dafür, dass die Kaltfront nun zügig südostwärts über Frankreich und Deutschland vorankam und zum Abend nach Süden den Alpenraum und nach Osten Oder und Neiße, sowie die Ostsee erreichte. Im Umfeld der etwas diffusen Kaltfront kam es zu zahlreichen kleinräumigen Schauern und Gewittern, die lokal recht beachtliche Regenmengen verursachten. Verbreitet wurden 15-35 l/m² in nur 1 Stunde registriert. Bis zum Abend um 18 Uhr UTC meldete beispielsweise Kassel 27 l/m², Emden 15 l/m², München/Stadt 18 l/m², Thun in der Schweiz 29 l/m², und Zürich 12 l/m². Auch in Skandinavien blieb der Tiefdruckeinfluss nicht ohne Folgen. Bereits in der Nacht waren mit Verlagerung des Kerns Regenfälle über Südnorwegen und -schweden aufgekommen, die an der Station Oslo-Gardermoen 21 l/m² 12-stündig brachten. Diese dehnten sich tagsüber nordwärts bis in den schwedischen Teil Lapplands aus. Auch hier waren die Regenmengen recht uneinheitlich verteilt. Während es etwa in Malmö oder Stockholm trocken blieb, fielen in Norrköping 20 l/m². Hinter der Kaltfront strömte kühlere Meeresluft nach Frankreich und in die Benelux-Staaten, Temperaturen von um oder etwas unter 20°C waren die Folge. Vor der Front in gewittriger, wolkiger Subtropikluft lagen die Werte bei 25-30°C, in Teilen Polens, aber auch lokal in Österreich und Tschechien, bei knapp über 30°C. In der Nacht zum 21. Juni rückte die Kaltfront mit weiteren schauerartigen Niederschlägen, auch in der Osthälfte Deutschlands, nach Tschechien und Österreich voran, Ausläufer reichten sogar noch bis in den Süden Frankreichs und nach Spanien. Am Flughafen Prag wurden beispielsweise 19 l/m² zwischen 18 und 06 Uhr UTC gemessen, im südfranzöisischen Millau 15 l/m² und in Geislingen-Stötten in der Schwäbischen Alb 20 l/m².

Unterdessen entfernte sich das Tief MOMO am folgenden Tag mit Kern allmählich nordwärts in Richtung Lappland. Hierdurch verlor die Zyklone langsam den Kontakt zu seinen Ausläufern im Süden Europas. Dagegen drang die kühlere Luft auf der Rückseite des Wirbels nun über die Ostsee langsam bis ins Baltikum und nach Skandinavien vor. Die Warmluft dagegen wurde nordostwärts nach Finnland, Weißrussland und Nordwestrussland abgedrängt. In St. Petersburg stieg das Thermometer auf 30°C, in Minsk gar auf 32°C. An der Kaltfront und vor allem an vorgelagerten Konvergenzen in der schwül-warmen Subtropikluft entstanden Schauer und Gewitter, die in Spitzen 20-30 l/m² innerhalb kurzer Zeit brachten. So wurden beispielsweise bis 18 Uhr UTC im polnischen Białystok 20 l/m², im weißrussischen Sluzk 31 l/m² und im westrussischen Dno 25 l/m² gemeldet. Aber auch im Bereich des nordwärts wandernden Tiefzentrums regnete es von den Lofoten über Lappland bis zur russischen Kola-Halbinsel recht verbreitet, im Durchschnitt 5-10 l/m² in 12 Stunden.

In den folgenden zwei Tagen zog Wirbel MOMO ohne nennenswerte Druckänderung über die Kola-Halbinsel weiter ostwärts in Richtung nördlichen Ural. Während sich über dem Alpenraum im Bereich der Luftmassengrenze ein neues Tief formte und hier an den folgenden Tagen für weitere ergiebige, gewittrige und teils unwetterartige Regenfälle sorgte, drang die Kaltfront noch ein Stückchen weiter bis nach Weißrussland und Westrussland voran, verbunden mit weiteren Niederschlägen. Die vorgelagerte Warmfront des Wirbels erreichte bald schon die Regionen östlich der Wolga und den Ural. Kurzum, die Niederschläge zogen sich am 22. und 23. Juni mehr und mehr in Richtung Russland und den äußersten Norden Skandinaviens zurück.

Dagegen begann der Luftdruck über Mitteleuropa und dem südlichen Skandinavien allmählich wieder zu steigen. So konnte die durch Tief MOMO herantransportierte Kaltluft sich auf angenehm sommerliche Werte erwärmen, in Mitteleuropa etwa auf mehr als 25°C, in Skandinavien auf über 20°C. Auch über dem Westen Russlands wurde die zwischenzeitlich angesaugte trocken-heiße Kontinentalluft bis zum 24.06. allmählich südwärts Richtung Wolga und Kasachstan gedrängt.

Der Wirbel selbst wurde am frühen Morgen des 24. Juni letztmalig im Ausschnitt der Berliner Wetterkarte analysiert. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt über dem Petschorabecken, wo in Workuta um 00 Uhr UTC ein Luftdruck von 999,8 hPa gemessen wurde. Während die mit dem Tief verknüpften Ausläufer an den folgenden Tagen weiter das Wetter im europäischen Teil Russlands beeinflussten, entfernte sich der Kern des Tiefs MOMO über den nördlichen Ural in Richtung Westsibirien.