Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet NADINE
(getauft am 02.07.2012)
An der Ostflanke eines Höhentiefs im 500 hPa-Niveau, was einer Höhe von ca. 5,5
km entspricht, bildete sich über dem Golf von Lyon in der Nacht zum 02.07.2012
ein Bodentief, das auf den Namen NADINE getauft wurde. Zum Zeitpunkt der Taufe
lag der Wirbel mit einem Kerndruck von ca. 1015 hPa über der französischen
Mittelmeerküste bei Toulon. Vom Kern zog sich eine Warmfront über Marseille und
nördlich entlang der Alpen bis knapp südwestlich von München. Ebenfalls vom
Tiefzentrum ausgehend reichte eine Kaltfront bogenförmig über das Mittelmeer
bis Algier. Im Tagesverlauf zog dieses kleinräumige Tiefdruckgebiet
nordostwärts über die Alpen. Dabei griffen morgens seine Niederschlagsfelder auf
Süddeutschland über und verlagerten sich bis zum Mittag zum Harz und nach
Sachsen-Anhalt. Tagsüber sorgten leichte Hebungsvorgänge auch in Teilen des
westlichen Deutschlands für Regen. Im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb
überstiegen die Mengen dabei auch die 10-mm-Marke. Bei starker Bewölkung blieb
es zum Teil recht kühl. In Hessen wurden zum Beispiel in Gießen und Warburg nur
17°C erreicht, in Erfurt in Thüringen 18°C. Auf knapp 30°C stieg die Temperatur
dagegen in Fürstenzell in Niederbayern. Das Tief NADINE war mit intensiven
Gewitterbildungen verbunden, welche ihre Energie aus der schwül-heißen
Luftmasse über Südosteuropa bezogen. In diesem Zusammenhang entstanden erste
starke Gewitter am Abend über Ostbayern. Diese zogen im Verlauf der Nacht über
Ostsachsen bis zur Niederlausitz und anschließend nach Westpolen weiter und
brachten teilweise extrem hohe Niederschlagsmengen. Örtlich fielen innerhalb von
einer Stunde über 30 mm, wie beispielsweise in Lichtenhain in der Sächsischen
Schweiz. In Ostsachsen wurden 12-stündig gebietsweise über 60 mm gemessen, in
Trebendorf 74,7 mm, in Lohmen 69,3 mm und in
Bischofswerda 61,4 mm. Kurzzeitig breiteten sich die gewittrigen Regenfälle bis
nach Lindenberg bei Berlin aus, in Berlin selbst fielen aber nur 1 bis 2 mm. In
Polen wurden aus Poznan 24 mm und aus
Torun 17 mm gemeldet. Am 03.07.2012 um 00 Uhr UTC, das
entspricht 02 Uhr MESZ, lag das Zentrum der Zyklone NADINE über Schlesien. Ihre
Kaltfront erstreckte sich vom Zentrum aus südwestwärts bis zur Schweiz und ihre
Warmfront verlief bogenförmig über Polen bis zur ukrainisch-weißrussischen
Grenze. Am frühen Morgen befand sich die
Hauptluftmassengrenze knapp östlich des Berliner Raumes über Polen, Tschechien
und Österreich. Somit gelangte ganz Deutschland bodennah auf die kalte Seite
der Frontalzone. Die höchsten Temperaturen lagen hierzulande verbreitet bei je
nach Region kühlen bis mäßig warmen 20 bis 23°C. Im Gegensatz dazu war es weiter
östlich sehr heiß, wie in Budapest mit 37°C und in der Innenstadt von Wien mit 36°C.
Zahlreiche, z. T. kräftige Gewitter brachten bis zum darauf folgenden Morgen Niederschlagsmengen,
die jedoch nicht mehr durchgängig so hoch waren wie zuvor. Beispielsweise meldete
Wien am 04.07.2012 um 06 UTC einen 24-stündigen Niederschlag von 18 mm und Breslau
einen
von 28 mm. Jedoch waren sie in Teilen Österreichs von teils extremen Folgen
begleitet. In Graz wurden 54 mm gemessen, allerdings dürfte dieser Wert
stellenweise noch übertroffen worden sein, da es erhebliche Murenabgänge gab. Murenabgänge
sind schnelle talwärts fließende Schlamm- und Gesteinsströme, die sehr schnell
sind und viel Material transportieren können. Dagegen blieb Deutschland von
Unwettern verschont, und nur im Südwesten kam es vereinzelt zu kräftigen
Gewittern, wie in Klippeneck mit 27 mm. Der Tiefdruckwirbel NADINE verlagerte
sich mit seinem Zentrum bis zum frühen Morgen des 04.07.2012 nordostwärts nach Polen
und lag knapp nördlich von Warschau mit etwas unter 1015 hPa. Die zugehörige Warmfront
erstreckte sich vom Zentrum aus über Polen und Weißrussland bis zum Raum
Moskau. Auf der Rückseite seiner bis zu den Ostalpen reichenden Kaltfront
griffen am Abend von den Alpen her neue Gewitter auf Bayern und
Baden-Württemberg über. Bis 18 UTC fielen in Oberammergau 21 mm Regen. In Feldkirch
bei Lichtenstein wurden 33 mm gemessen. In der darauf folgenden Nacht breitete
sich die Gewitterzone langsam nordwärts bis nach Thüringen und Hessen aus,
wobei örtlich wieder über 30 mm Regen fielen, wie z.B. Tacherting
mit 35 mm und Pressrath-Mühlberg mit 34 mm. Die sich
inzwischen in Auflösung befindende Zyklone NADINE verlagerte sich bis zum 05.07.2012
nur geringfügig südwärts bis zum tschechisch-österreichischen Grenzgebiet. Tagsüber
entwickelten sich wieder verstärkt Gewitter. Schon mittags wurden über Sachsen,
Thüringen und Nordbayern, aber auch über dem Westen Deutschlands zahlreiche,
teils kräftige Gewitter beobachtet. Aufgrund der langsamen Zuggeschwindigkeit
der Zellen bestand Unwettergefahr durch Starkregen. Wie feucht die Luftmasse war,
zeigte sich an den beobachteten Taupunktswerten, die um 12 UTC zum Beispiel in
Doberlug-Kirchhain 21°C und in Potsdam 20°C betrugen. Das entspricht jeweils
einer relativen Feuchte von etwa 70%. In den folgenden Stunden verlor der
Tiefdruckwirbel NADINE zunehmend an Einfluss und Wetterwirksamkeit und war am 06.07.2012
aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte verschwunden.
Geschrieben am 04.08.2012 von Jasmin Krummel
Berliner Wetterkarte: 03.07.2012
Pate: Nadine Niessner