Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet NASIR

(getauft am 22.06.2019)

 

Am 21.06.2019 entwickelte sich innerhalb eines ausgedehnten Frontensystems über dem Atlantischen Ozean eine kleinräumige Tiefdruckzone, welche sich bis zum darauffolgenden Tag weiter nach Osten verlagerte. Die sich neu bildende Zyklone befand sich auf der Vorderseite eines ausgeprägten Trogs, wodurch die Rotationsbewegung eines Tiefs verstärkt wird. Aufgrund der dadurch entstandenen Intensivierung war von einer längeren Überlebensdauer und damit einer Einflussnahme auf das mitteleuropäische Wetter zu rechnen wurde. Daher wurde der Wirbel am 22.06. auf der Analysekarte von 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, auf den Namen NASIR getauft.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich Tief NASIR ca. 2500 km nordwestlich der Iberischen Halbinsel mit einem Kerndruck von knapp unter 1005 hPa. Trotz ihrer noch nicht so starken Ausprägung begann zu diesem Zeitpunkt bereits die Okklusion. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront eine Mischfront entsteht. Die Okklusion erstreckte sich nach Südwesten und mündete nach ca. 1000 km im Okklusionspunkt, in welchem sich die Mischfront wieder in eine Warm- und Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront verlief nach Südwesten und löste sich nach etwa 1500 km über dem Atlantischen Ozean auf. Die Kaltfront lag zunächst parallel zur Warmfront und knickte anschließend nach Nordwesten ab. Dort mündete sie in eine Warmfront. Aufgrund des ausgeprägten Trogs wurde die Westwinddrift abgeschwächt, weshalb sich der Wirbel NASIR bis zum nächsten Morgen nur etwa 700 km nach Nordosten fortbewegte. Der Kerndruck sank dabei auf etwa 1000 hPa ab. Die Okklusionsfront bildete sich weiter aus und erreichte gegen Mitternacht erstmals das europäische Festland im Bereich der Nordwestküste Portugals und Spaniens.

Am nächsten Tag befand sich das Tief NASIR ca. 1000 km westlich der Nordwestküste Frankreichs. Das Frontensystem überquerte zudem die Iberische Halbinsel. Hierbei bildete sich zudem eine kleinräumige Tiefdruckzone über dem westlichen Teil des Kantabrischen Gebirges aus. In diesem Bereich kam es zu zahlreichen Niederschlägen wie in Miñera de Luna mit 29 l/m². Allerdings wurde der Niederschlagshöchstwert in der Küstenstadt Gijón mit 33 l/m² registriert. Außerdem gab es im Nordwesten der Iberischen Halbinsel einen signifikanten Temperatursturz, welcher im Bereich des kleinräumigen Tiefs nochmal verstärkt wurde. Beispielsweise erreichte in Villarino de los Aires auf ca. 700 Metern Höhe die Maximaltemperatur am Nachmittag kühle 16,1°C. Im Vergleich dazu lag die Temperatur am Vortag bei 26°C. Des Weiteren ist eine starke Luftmassengrenze rekonstruierbar. Die Orte Soba-Alto Miera und Medina de Pomar trennen lediglich 40 km Luftlinie. Trotz gleicher Höhe betrug der Temperaturunterschied 10 Kelvin zwischen 30°C und 20°C.

Am Dienstag, den 25.06., lag der Wirbel NASIR um 00 Uhr UTC 500 km westlich des Kaps Finisterre. Aufgrund der weiterhin sehr trockenen und kontinentalen Luftmasse über Zentralspanien, schwächte sich das Frontensystem so stark ab, dass es auf der Berliner Wetterkarte nicht mehr eingezeichnet wurde. Die Abschwächung ist ebenfalls anhand des Druckanstiegs auf 1015 hPa zu erkennen. Trotzdem strömte aufgrund der Rotationsbewegung des Tiefs weiterhin feuchte maritime Luft vom Atlantik Richtung des Festlandes Portugals und Spaniens und verursachte durch die orographisch bedingte Hebung an der Küste schwache Niederschläge mit bis zu 14 l/m² in Mazaricos-A Picota.

Am darauffolgenden Tag stagnierte die Tiefdruckzone NASIR weiterhin am gleichen Ort und schwächte sich weiter zunehmend ab. Erst im Tagesverlauf des 26.06. wurde der Wirbel NASIR von einem Trog erfasst und intensivierte sich aufgrund der Lage auf der Vorderseite des Trogs. Zudem verlagerte sich die Zyklone NASIR nach Norden und bildete ein neues Frontensystem aus.

Am 27.06. lag Tief NASIR 800 km westlich von Brest. Zu dem neuen Frontensystem gehörte eine kurze Okklusionsfront, welche sich 500 km östlich des Tiefdruckzentrums in eine Warm- und Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront verlief nach Osten und ging über Paris in eine Kaltfront des Tiefs OTTO über. Die Kaltfront erstreckte sich nach Süden und mündete vor der Küste Spaniens in einer Warmfront. Trotzdem wurde sowohl in Spanien als auch in Frankreich kaum Niederschlag registriert. Dies lag an der Antizyklone ULLA, welche durch Temperaturen von über 40°C in Spanien und Frankreich sowie extremer Trockenheit geprägt war. Dadurch kam es auch zu einer starken Erwärmung und Austrocknung des Bodens, weshalb die Luftmasse während des Frontendurchgangs weiterhin trocken blieb. Das Resultat war, dass keine Station im Einflussbereich des Tiefs NASIR mehr als 0,5 l/m² meldete. In der Nähe des Okklusionspunktes, im Südwesten Großbritanniens, wurden bis zu 115 km/h auf einer Boje erreicht. Dies entspricht der Windstärke 11 auf der Beaufort-Skala.

In den nächsten zwei Tagen änderte sich die Großwetterlage kaum, sodass weiterhin keine signifikanten Wetterzustände gemeldet wurden. Im Laufe des 29.06. lag die Zyklone NASIR 500 km westlich von Irland. Zusätzlich überquerte das Frontensystem den Norden Großbritanniens und sorgte für Niederschläge von immerhin 12 l/m² in Aberdeen und bis zu 16 l/m² in Baltasound auf den Shetland-Inseln. Gleichzeitig entwickelte sich ein zweites Tiefdruckgebiet, weshalb die Benennung des Wirbels in NASIR I und II unterteilt wurde.

Am nächsten Tag, dem 30.06., erreichte das Frontensystem um 00 Uhr UTC die Küste Norwegens und verursachte dort durch die orographisch bedingte Hebung und die feuchte Luftmasse zahlreiche Niederschläge. Die Höchstwerte verzeichnete der See Klevavatnet auf 960 Metern mit 36 l/m². Aber auch an den umliegenden Stationen wurden vielerorts zweistellige Niederschlagssummen registriert. Zusätzlich wehte der Wind im Norden Großbritanniens und in Teilen Norwegens mit Sturmböen, welche vereinzelt auch Orkanstärke erreichten. Auf dem exponierten Hügel Aonach Mòr in Schottland wurde die Windstärke 12 geknackt mit 120 km/h um 17 Uhr UTC.

Bis zum Montag, dem 01.07. verlagerte sich die Wirbel nach Skandinavien. Das Tief NASIR I lag dabei um 00 Uhr UTC über der norwegischen Küste am Polarkreis, das Tief NASIR II über den Ålandinseln. Gleichzeitig verteilten sich die Wetterzustände nun vermehrt in Schweden und Finnland. In der Südhälfte Schwedens wurden an mehreren Stationen über 10 l/m² registriert. In Kroppefjäll fiel der Niederschlag besonders stark aus mit 28 l/m².

In den darauffolgenden Tagen bewegte sich das Tief NASIR weiter nach Osteuropa und schließlich Russland fort, wodurch der Einfluss für das Wetter in Mitteleuropa zunehmend abnahm. Dennoch wurde der Wirbel NASIR bis zum 07.07.2019 auf der Berliner Wetterkarte vermerkt, also mit über 2 Wochen für ein Tiefdruckgebiet eine außergewöhnlich lange Zeit. Allerdings waren die Wetterzustände, besonders in den letzten Tagen, von keiner großen Bedeutung.