Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet NATASCHA

(getauft am 31.08.2020)

 

Aus einer wellenden Front südwestlich des Tiefs MARLIS über Nordafrika entwickelte sich Ende August 2020 eine Zyklone, die nach Südosteuropa zog. Anhand der Prognosekarte für den 01.09. um 14 Uhr MESZ wurde das Tiefdruckgebiet bereits am 31.08. von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen NATASCHA getauft.

 

Am 01.09. um 02 Uhr MESZ befand sich der Kern des Tiefs NATASCHA nördlich von Belgrad mit einem Luftdruck von knapp 1005 hPa am Boden. Die halbkreisförmige Okklusion, eine Mischfront mit Kalt- und Warmfronteigenschaften, verlief dabei vom Zentrum über den östlichen Alpenraum bis zur nördlichen Adria, wo sich zudem ein weiteres schwaches Tiefdruckgebiet befand. Vom Okklusionspunkt im Kern des Wirbels NATASCHA verlief die wellenförmige Kaltfront in südlich bis südwestliche Richtung bis zur nördlichen tunesischen Küste. Ausgehend vom Kern erstreckte sich die Warmfront zunächst nordwärts bis zu den Nordkarpaten und anschließend nach Nordosten bis in den äußersten Westen Russlands, wo sie in die Kaltfront des Tiefs MARLIS überging. Durch die Höhenkaltluft bildeten sich ergiebige Regenfälle mit teilweise sehr hohen Mengen entlang der Mischfront und dem südlichen Teil der Warmfront. So kamen 12-stündige Niederschlagssummen bis 08 Uhr MESZ von 83 l/m² in Pula, 32 l/m² in Puntijarka bei Zagreb oder 32 l/m² in Poprad, am Fuße der Hohen Tatra, zusammen. Kräftige Schauer und Gewitter entstanden zudem besonders entlang der Kaltfront an der östlichen Adriaküste. Im selben Zeitraum fielen deshalb beispielsweise 10 l/m² im kroatischen Ploče und 14 l/m² in Split. Hinter der Warmfront stieg dabei die Temperatur auf bis zu 37,1°C in Bukarest oder 39,3°C in Zimnicea an der rumänisch-bulgarischen Grenze in einer kontinentalen Tropenluftmasse. Hinter der Kaltfront floss kühlere Luft ein mit Höchsttemperaturen von 24,0°C in Split und 26,8°C in Neapel.

 

Bis zum nächsten Tag verlagerte sich der Kern des Tiefdruckgebietes NATASCHA nach Norden und lag um 02 Uhr MESZ über den Südosten Polens mit einem Bodendruck von ungefähr 1011 hPa. Die Okklusion erstreckte sich von der Slowakei im Bogen bis in den Süden Weißrusslands. Vom dortigen Okklusionspunkt verlief die Warmfront ostwärts bis nach Westrussland, wo sie sich weiterhin der Kaltfront des Tiefs MARLIS anschloss. Die Kaltfront lag bogenförmig über der Westukraine und Rumänien. Im weiteren Verlauf nahm sie Warmfrontcharakterzüge an. Der meiste Niederschlag fiel an einem mit Schauern durchsetzten Regengebiet an der Kaltfront und Okklusion. Maximal kamen dabei in der 12-stündigen Zeitspanne bis 08 Uhr MESZ 18 l/m² in Iwano-Frankiwsk südöstlich von Lwiw und 15 l/m² in Stropkov zusammen. Im Warmsektor zwischen Warm- und Kaltfront stieg mit südlicher Strömung die Temperatur in Kiew auf 34,7°C und in Dnipropetrowsk auf 35,6°C. Nach der Passage der Kaltfront, wo sich kalte Luft abrupt unter vorlaufende wärmere Luft schob, wurden nur 17,7°C in Krakau, 19,1°C in Žilina oder 19,9°C in Brünn erreicht.

 

Am 03.09. befand sich der Kern des Wirbels NATASCHA über der Ostsee zwischen Schweden und Polen genau dort, wo der Okklusionspunkt lag. Am Boden wurde dort ein Luftdruck von rund 1013 hPa registriert. Die Mischfront des Tiefdruckgebietes erstreckte sich bis zur Oberlausitz. Die bogenförmige Kaltfront verlief über Litauen, Weißrussland und dem Westen der Ukraine bis zu den Karpaten. Dort schloss sich die Warmfront eines Tiefs nahe Athen an. Das Gebiet, wo wärmere Luft langsam über kühlere Luft aufstieg und sich kompakte Wolken mit ein wenig Regen bildeten, die sogenannte Warmfront, erstreckte sich vom Okklusionspunkt erst nach Norden bis nach Stockholm und dann in einem Bogen über den Süden Finnlands und den Ladogasee bis nach Moskau ins Einflussgebiet des Hochs HARALD, wo sie in eine Kaltfront überging. Immer noch regnete es an der beschriebenen Okklusion mit Niederschlagsmengen bis zu 28,5 l/m² in Grambow-Schwennenz an der deutsch-polnischen Grenze und 27 l/m² in Kołobrzeg im erwähnten Zeitraum. Deutlich weniger war es an der Warmfront mit beispielsweise 2 l/m² Niederschlag in Stockholm und Sortawala. Gebietsweise traten entlang der Kaltfront Gewitter auf, die bis zu 32,9 l/m² Regen in Skrīveri südöstlich von Riga im erwähnten Zeitraum brachten. Im Warmsektor wurden immer noch zum Beispiel 35,2°C in Poltawa gemessen, während hinter der Kaltfront in maritimer Polarluft kühlere 22,0°C in Vilnius, 18,5°C in Danzig und 21,3°C in Swinemünde erreicht wurden.

 

Einen Tag später lag der Kern mit einem Druck von knapp 1010 hPa über der Ostsee zwischen Schweden und Estland. Die Okklusion des Tiefdruckgebietes NATASCHA erstreckte sich vom Kern nach Südosten bis in den Westen Weißrusslands. Die Kaltluft verlief vom Okklusionspunkt im Bereich des Zentrums in einem Bogen vom Finnischen Meerbusen bis in den äußersten Westen Russlands rund 250 km westlich von Moskau, wo sich eine Warmfront einer kleinen Welle anschloss. Die Warmfront der Zyklone NATASCHA lag ebenfalls bogenförmig über dem Südwesten Finnlands, dem Bottnischen Meerbusen und dem westlichen Weißen Meer. Bei Moskau ging sie in eine Kaltfront über. Im Gebiet des geringsten Drucks, also im Kern, fiel dabei der meiste Regen. Schauerartiger Regen ließ bis zu 23,5 l/m² in Pori nördlich von Turku in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ zusammenkommen. An der Warmfront wurde beispielsweise etwas weniger Niederschlag gemessen mit 10 l/m² in Järnäsklubb an der schwedischen Küste südlich von Umeå. Durch die anhaltende Verwirbelung der Fronten wurde der Warmsektor von der südlichen Strömung abgeschnitten und deshalb waren die Temperaturunterschiede vor und hinter den Fronten nur noch gering. Verbreitet stiegen die Höchstwerte auf 21,0°C in Oulu, 18,8°C in Turku oder 21,1°C in Kaunas.

 

Am 05.09. um 02 Uhr MESZ lag der Kern des Wirbels NATASCHA bereits zwischen dem Europäischen Nordmeer und der Barentssee über dem Ozean. Bei einem Kerndruck von rund 997 hPa hatte sich das Bodentief noch einmal verstärkt. Die Mischfront verlief dabei von der Insel Bjørnøya zwischen Spitzbergen und Norwegen über dem östlichen Teil der Halbinsel Kola bis nach Westrussland zwischen Moskau und St. Petersburg. Im weiteren Verlauf ging diese in eine Warmfrontokklusion eines Tiefs über der Krim über. Entlang der Okklusion, wo die kalte Luft die Warmluft eingeholt hatte und vom Boden hob, regnete es im genannten Zeitraum mit einzelnen Tropfen in Sewerodwinsk und 12-stündigen Niederschlagsmengen von 4 l/m² bis 08 Uhr MESZ in Lowosero. Die Höchsttemperaturen entsprachen im Einflussbereich der Front zum Beispiel 17,7°C in Archangelsk, 17,5°C in Murmansk und 17,3°C in Onega.

 

Bis zum nächsten Tag zog das Tiefdruckgebiet NATASCHA unter leichter Verstärkung weiter nach Nordosten und lag mit dem Kern und einem dortigen Druck von ungefähr 993 hPa zwischen Spitzbergen und der unbewohnten Insel Prinz-Georg-Land. Die hakenförmige Mischfront erstreckte sich vom Osten Spitzbergens bis in die Nähe des Nordpols und anschließend nach Südwesten bis in den Nordwesten Russlands 150 km südlich von Archangelsk. Auf Spitzbergen regnete es in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ beispielsweise 1,6 l/m² in Longyearbyen an der Okklusion oder eintägig 4 l/m² in Sewerodwinsk bis 08 Uhr MESZ. Dabei stieg beispielsweise die Temperatur auf 6,4°C in Hornsund in Spitzbergen. Auf Nowaja Semlja waren es 13°C oder in Archangelsk 18,1°C. Die wärmeren Temperaturen resultierten aus der südwestlichen Strömung zwischen dem Hoch HARALD über Russland und dem Tiefdruckkomplex OTTILIE über Skandinavien.

Im weiteren Verlauf zog das Tief NATASCHA nach Norden aus dem Erfassungsgebiet der Berliner Wetterkarte heraus.