Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
NATHAN
(getauft
am 21.05.2021)
Aus der Prognosekarte der Berliner
Wetterkarte vom 21.05.2021 für den 22.05.2021 12 UTC, also 13 Uhr MEZ, ging hervor,
dass ein zwischen Grönland und Kanada liegendes Tiefdruckgebiet das
Wettergeschehen Europas in den kommenden Tagen beeinflussen würde. Demzufolge
wurde dieses Tief von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte in der Prognose
auf den Namen NATHAN getauft.
Am 22.05.2021 um 01 Uhr MEZ konnte
dann Tief NATHAN wie prognostiziert namentlich auf der Bodenwetterkarte
verzeichnet werden und befand sich mit einem Kerndruck von circa 995 hPa
südlich von Grönland. Eine Okklusionsfront, also eine Mischfront, die durch das
Einholen der Warmfront durch die Kaltfront entsteht, erstreckte sich vom Kern
des Tiefs aus in südlicher Richtung. Vom Okklusionspunkt aus, dem Punkt an dem
Warm- und Kaltfront in Bodenniveau aufeinandertreffen, verlief die Kaltfront
westlich bis vor die Küste Neufundlands. Die Warmfront reichte in südwestlicher
Richtung in ein Atlantikhoch hinein.
Mit östlicher Zugbahn verlagerte sich
Tief NATHAN bis zum Folgetag um 01 Uhr MEZ bis südlich von Island und westlich
von Schottland. Der Luftdruck im Kern der Zyklone betrug knapp 990 hPa. Die
Okklusionsfront erstreckte sich spiralförmig um den Kern der Zyklone, weiter
nach Süden bis vor die irische Küste und schließlich südwestlich bis zum
Okklusionspunkt westlich des Ärmelkanals, von wo aus die Warmfront weiter südwestlich
über den Atlantik verlief, und die Kaltfront weiter westlich in die Warmfront
eines über Ostkanada liegenden Tiefs überging. Die Ausläufer von NATHAN
erreichten die Britischen Inseln in den Morgenstunden und brachten
langanhaltenden Niederschlag schwacher bis mäßiger Intensität mit sich. Bis 19
Uhr MEZ wurden 12-stündige Höchstwerte von 22 mm in Capel Curig,
einem Dorf in Wales, welches als nassester Ort Großbritanniens angesehen wird,
gemessen. Der Wind wehte meist schwach, erreichte aber am Abend in
Küstenregionen vereinzelt Böen der Stärke 9 auf der Beaufort-Skala, auf dem
Berg Cairngorm in Schottland wurde um 20 Uhr MEZ
sogar eine Spitzengeschwindigkeit von 126 km/h, also Orkanstärke, gemeldet.
Bis zum 24.05.2021 um 01 Uhr MEZ
hatte sich neben dem ursprünglichen Tiefdruckkern, NATHAN I, welcher sich über
Irland mit einem Kerndruck von fast 1000 hPa befand, ein weiteres
Tiefdruckminima über Großbritannien nahe Edinburgh gebildet und wurde auf der Wetterkarte
als NATHAN II bezeichnet. Sein Bodendruck betrug circa 995 hPa. Eine Okklusion
zog sich vom Westen her durch Kern II des Tiefdruckkomplexes, und weiter
südwestlich über den Nordwesten Frankreichs bis zum Okklusionspunkt über der
Biskaya, von wo die Warmfront Richtung Südwesten Galicien und Portugal überquerte,
und die Kaltfront weiter westlich in den Atlantik mündete. Eine weitere
Okklusionsfront erstreckte sich von NATHAN I über Irland in südwestlicher
Richtung hinaus auf den Atlantischen Ozean. Unter dem Einfluss der Zyklone war
ein Großteil Westeuropas von Regen, teils schauerartig verstärkt, betroffen. In
Frankreich wurden 12-stündige Höchstwerte von 15 mm bis 19 Uhr MEZ am
Albert-Bray-Flughafen erreicht. Am stärksten fielen die Niederschläge aber auf
der Südseite des Alpengebirges aus, wohin sich der Tiefdruckkomplex im Laufe
des Tages verlagerte. Maximale Niederschlagshöhen von 45 mm wurden dort im
selben Zeitraum in Legnaro in Norditalien gemessen.
Der Wind erreichte nur vereinzelt im Gebirge Böen der Stufe 12, in
Küstenregionen bis Stufe 10. Spitzenwerte von 119 km/h wurden an der Rudolfshütte in Osterreich erreicht. Im Nordosten
Deutschlands setzten sich mit einer südlichen Strömung warme Höchsttemperaturen
von bis zu 23°C durch.
Am 25.05.2021 um 01 Uhr MEZ befand
sich NATHAN I mit einem Kerndruck von knapp 1010 hPa über der niederländischen
Küste. Von dort ausgehend verlief eine Okklusionsfront bis in die Nähe
Münchens. Kern II befand sich über dem Osten Schottlands und verzeichnete einen
Bodendruck von rund 1005 hPa. Eine weitere Okklusion erstreckte sich von dort
aus in östlich bis südöstlicher Richtung über die Nordsee, Dänemark und dem
Nordosten Deutschlands, wo sich ein drittes lokales Tief, NATHAN III befand und
einen Luftdruck von 1010 hPa verzeichnete. Die Tageshöchsttemperatur in
Deutschland nahm im Vergleich zum Vortag ab und betrug beispielsweise noch 18°C
in Cottbus. Ein Regenbiet zog sich von den Britischen Inseln bis zum Baltikum.
In Deutschland wurden 12-stündige Niederschlagsmaxima von 23 mm bis 19 Uhr MEZ
in Aachen-Orsbach gemeldet. Während im Flachland
weiterhin meist nur schwache Winde verzeichnet wurden, wurden auf der
Schneekoppe Spitzenböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 126 km/h gemessen.
Zwei der drei Tiefdruckkerne lösten
sich bis zum Folgetag auf, das Zentrum der verbleibenden Zyklone, nun wieder
nur als NATHAN betitelt, befand sich um 01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von rund
1005 hPa über Dänemark. Die Okklusionsfront verlief vom Kern aus zunächst
östlich bis nach Litauen und weiter in südlicher Richtung bis zum
Okklusionspunkt über der Ukraine. Davon ausgehend erstreckte sich die Warmfront
nach Süden bis zum Adriatischen Meer und die Kaltfront südwestlich bis nach
Süditalien. In Deutschland kam es zu teils mit Gewittern verbundenen starken
Regenschauern. So fielen beispielsweise um 14 Uhr MEZ auf Rügen innerhalb einer
Stunde 18 mm Niederschlag. In Helsinki wurden bis 19 Uhr MEZ innerhalb von 12
Stunden Niederschlagsmengen von 36 mm verzeichnet.
Am 27.05.2021 um 01 Uhr MEZ befand
sich Tief NATHAN mit nahezu unveränderter Lage und gleichem Luftdruck über
Dänemark. Ein weiterer, östlich von Stockholm liegender Tiefdruckkern hatte
sich gebildet und erhielt den Namen NATHAN II. Von Kern I verlief die Okklusionsfront
spiralförmig über den Norden Deutschlands hinweg bis nach Skandinavien, weiter
östlich durch den zweiten Kern des Tiefdruckkomplexes bis nach Russland, und
schließlich südlich bis in die Ukraine. Auf der Vorderseite des Tiefs gerieten
warme Luftmassen mit einer südlichen Strömung nach Russland, wodurch in St.
Petersburg eine Höchsttemperatur von 19°C erreicht werden konnte. Am Vortag
betrug diese gerade mal 12°C. Gebietsweise kam es zu starken Regenschauern, Såtenäs in Schweden meldete bis 19 Uhr MEZ 12-stündige
Niederschlagsmengen von 84 mm. In Berovo in Nordmazedonien wurden mit 93 mm die höchsten
Niederschlagswerte erreicht.
NATHAN I löste sich bis zum
28.05.2021 um 01 Uhr MEZ auf, Kern II befand sich mit einem Kerndruck von circa
1015 hPa mit nahezu unveränderter Lage über der Ostsee zwischen Schweden und
Lettland. Über Russland nördlich von St. Petersburg entstand ein weiterer Kern,
NATHAN III. Von Deutschland aus verlief eine Okklusionsfront nach Nordosten durch
Kern II und III des Tiefdruckgebiets bis nach Russland, und schließlich im
Bogen südlich bis nach Bulgarien. Diese brachte vor allem im Südosten Europas
starke Regenschauer und Gewitter mit sich. Eine maximale 12-stündige
Niederschlagshöhe von 44 mm wurde in Alexandroupolis
in Griechenland gemessen. Die Okklusion sorgte auch in Norddeutschland für
vereinzelt starke Regenschauer, Dörnick verzeichnete
um 16 Uhr MEZ eine einstündige Niederschlagshöhe von 23 mm.
Zum nächsten Tag hin verlagerte sich
Tiefdruckkomplex NATHAN bis zum Nordmeer nahe der Juschny-Insel,
hatte somit keinen signifikanten Einfluss mehr auf das Wettergeschehen Europas
und verließ schließlich im Laufe des 30.05.2021 entlang der russischen
Nordküste den Kartenausschnitt der Berliner Wetterkarte.