Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet NEELE

(getauft am 23.06.2016)

 

Das Tiefdrucksystem LEA mit seinen beiden Kernen bestimmte zu Beginn der dritten Junidekade 2016 das Wettergeschehen über dem Nordwesten Europas. Am 21.06. zogen dabei die Ausläufer des Nordmeertiefs LEA II über West- und Mitteleuropa und somit über den Einflussbereich des Hochs WOLFGANG, welches sich mit seinem Zentrum über Tschechien befand. Teile des langgestreckten Frontensystems spalteten sich bei diesem Vorgang ab und verblieben als Luftmassengrenze in den folgenden Tagen nahezu stationär in einer Linie vom Zentralatlantik über die Biskaya und Nordfrankreich bis zum Norden Deutschlands. Vor der Front kam es flächenweise zur Ausbildung von Konvergenzlinien, an denen Luftmassen verstärkt zusammenströmen und aufsteigen, was in der labilen Schichtung der Atmosphäre das Aufsteigen warmer Luft und in Verbindung mit kälterer Luft in der Höhe folgend die Bildung von Schauern und Gewittern begünstigt.

Im Laufe des 23.06. entwickelte sich entlang der Luftmassengrenze über dem Süden Englands ein neues Tiefdruckgebiet aus, welches in der Prognose für den Folgetag auf den Namen NEELE getauft wurde.

Um 00 Uhr UTC, also um 02 Uhr MESZ, am 24.06. konnte das Tief NEELE über der westlichen Nordsee mit einem Kerndruck von ca. 1014 hPa analysiert werden. Zu diesem Zeitpunkt verlief eine Warmfront vom Tiefzentrum aus nach Nordosten über Südskandinavien und die Ostsee bis zur lettischen Küste. Außerdem reichte eine Kaltfront ebenfalls vom Zentrum des Wirbels NEELE nach Südwesten über den Ärmelkanal, Westfrankreich und die Biskaya bis zu deren Küste im Nordwesten Spaniens. Bereits in der Nacht traten in der labil geschichteten Atmosphäre immer wieder kräftige Schauer und Gewitter auf. Bis zum Nachttermin um 02 Uhr MESZ sorgten diese im Zusammenspiel mit dem Tief MARINE für 6-stündige Niederschlagsmengen von 34 l/m² in Cuxhaven, 41 l/m² im belgischen Retie, 43 l/m² an der Station Münster/Osnabrück und 45 l/m² im dänischen Brandelev, wobei bei letzterem allein 36 l/m² innerhalb von 3 Stunden gemessen wurden. Innerhalb von 12 Stunden wurden außerdem noch 40 l/m² aus dem niederländischen Arcen, 43 l/m² aus Malmö und 56 l/m² aus Rheine-Bentlage gemeldet. In der Folge setzten sich die Schauer und Gewitter am Tage weiter fort. In nur 3 Stunden bis 17 Uhr MESZ fielen dadurch in Andernach 41 l/m² Regen, in Göttingen waren es im gleichen Zeitraum 34 l/m². Ein weiterer Niederschlagsschwerpunkt etablierte sich im Südwesten Norwegens, da sich der Kern des Tiefs NEELE in diese Region verlagerte. In einem Beobachtungszeitraum von 6 Stunden konnten an den norwegischen Stationen Sarheim 22 l/m², Obrestad sowie Stavanger/Sola je 24 l/m² und Utsira Fyr 32 l/m² verzeichnet werden. Das Frontensystem teilte dabei maritime subpolare Luftmassen auf dessen Rückseite von warmer Subtropikluft, welche durch die Warmfront auch bis nach Skandinavien geführt wurde. Somit konnten im Tagesverlauf im Süden Schwedens Höchsttemperaturen von bis zu 30,2°C in Skillinge oder 31,0°C in Malilla registriert werden. Auch weiter nördlich in Mittelschweden und in Finnland wurden noch an die 25°C gemessen, wie im schwedischen Edsbyn mit einem Maximum von 25,1°C. Auf der Rückseite des Tiefs NEELE erwärmte sich die Luft trotz der geografisch weiter südlicheren Lage auf den Britischen Inseln lediglich auf Werte zwischen 16 und maximal 23°C.

Mit nach Nordosten gerichteter Zugbahn verlagerte sich das Tief NEELE bis um 02 Uhr MESZ am 25.06. mit seinem Kern und einem Druck von rund 1015 hPa über Südskandinavien, in etwa über das Grenzgebiet zwischen Schweden und Norwegen. Das Tief NEELE hatte begonnen sich zu okkludieren, d.h. eine Okklusionsfront auszubilden. Diese stellt eine Mischfront aus Warm- und Kaltfront dar, welche durch den Zusammenschluss der beiden Frontenarten am sogenannten Okklusionspunkt entsteht. Zu diesem Zeitpunkt verlief die Okklusion vom Südwesten Norwegens bis zur Ostseeküste Schwedens nördlich von Stockholm, wo sich der Okklusionspunkt befand. Von dort erstreckte sich die Warmfront nach Osten bis östlich von Sankt Petersburg. Die Kaltfront führte hingegen nach Südwesten östlich an Kopenhagen und Hamburg vorbei sowie Frankreich und Spanien passierend bis zur Südküste Portugals. Nochmals wurde dabei Norddeutschland und Südskandinavien von den Ausläufern des Wirbels NEELE erfasst und es konnten Nieder-schlagsmengen von 14 l/m² in Goldberg, 22 l/m² in Hamburg-Fuhlsbüttel und 23 l/m² in Schwerin innerhalb von 3 Stunden registriert werden. Im dänischen Vindebaek Kyst wurden außerdem 3-stündig 17 l/m² und im mittelschwedischen Bortnan 26 l/m² gemessen. Auch beim Übergang von subtropischen zu subpolaren Luftmassen kam es in Frankreich und in der Schweiz in der Nacht zum Auftreten von Schauern und Gewittern. Dabei wurden in nur einer Stunde in Limoges 13 l/m², in Fahy 25 l/m², in Brive 30 l/m² und in Schaffhausen 37 l/m² verzeichnet. In der Folge schwächten sich die durch das Tief NEELE auftretenden Niederschläge rasch ab, auch weil ein Großteil des Frontensystems vom Tief MARINE über Ostdeutschland aufgenommen wurde und somit die recht ergiebigen Schauer und Gewitter in diesem Bereich der südlicheren Zyklone angerechnet werden müssen. Dadurch wurden bis 08 Uhr MESZ nur noch jeweils 8 l/m² von den norwegischen Stationen Mjollfjell und Kvamskogen-Jonshogdi gemeldet. Mit dem Tiefdruckkern erreichte jedoch auch der Warmluftsektor, d.h. der Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, den Süden Schwedens, wodurch dort die Zufuhr subtropischer Luft anhielt. Somit wurden auch an diesem Tag Höchsttemperaturen von über 30°C erreicht, wie beispielsweise in Växjö mit 30,5°C, in Ronneby mit 31,2°C und in Malilla mit 31,8°C. Auch in Mittelschweden konnten noch verbreitet Temperaturen zwischen 22 und 28°C gemessen werden. Zum Vergleich erwärmte sich die eingeflossene Subpolarluft weiter westlich im südlichen Norwegen an diesem Tag nur maximal auf 16 bis 19°C.

Bis zum 26.06. zog das Tief NEELE weiter nach Osten und wurde um 02 Uhr MESZ mit seinem Zentrum östlich von Helsinki über der finnisch-russischen Grenze analysiert. Der Kerndruck verblieb unverändert bei etwa 1015 hPa. Vom Zentrum des Tiefs erstreckte sich die zugehörige Okklusion nach Westen bis über Südnorwegen, während die Warmfront nach Südosten über Russland und die kurze Kaltfront nach Südwesten bis Tallinn verliefen, wo letztere in die Warmfront des Wirbels MARINE überging. Die Niederschläge hatten sich im Bereich des Tiefs NEELE weitgehend aufgelöst und nur noch vereinzelt traten Schauer auf, wie an der schwedischen Station Farosund-Ar, welche bis 05 Uhr MESZ innerhalb von einer Stunde insgesamt 15 l/m² Regen registrierte. Ansonsten kamen meist weniger als 5 l/m² zusammen, oftmals auch nur wenige Zehntel Liter pro Quadratmeter.

Bis zu den Mittagsstunden am 26.06. verringerten sich die Luftdruckunterschiede im Bereich der Zyklone NEELE soweit, dass sich das Tief auflöste und am nächsten Tag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert und dadurch namentlich verzeichnet werden konnte.

 

 

Geschrieben am 29.08.2016 von Sebastian Wölk

Berliner Wetterkarte: 24.06.2016

Pate: Susanne Heidbreder