Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet NELE
(getauft
am 29.03.20)
Über
dem Europäischen Nordmeer bildete sich im Bereich eines kleinen Troges, also in
einem kleinräumigen Gebiet leicht sinkenden Luftdruckes, Ende März 2020 ein
Tiefdruckgebiet. Anhand der Analysekarte vom 29.03.20 um 01 Uhr MEZ wurde
dieses Tief auf den Namen NELE getauft. Genau zu diesem Zeitpunkt wurde das
Zentrum des jungen Wirbels NELE rund 300 km südöstlich der Inselgruppe Jan
Mayen auf der Berliner Wetterkarte lokalisiert. Der Luftdruck nahm dort einen
minimalen Wert von 1027 hPa an. Südöstlich des Kerns verlief die kurze
Warmfront in südliche bis südwestliche Richtung über dem Europäischen Nordmeer mit
einer Länge von ca. 500 km. Entlang dieser Front glitt langsam wärmere Luft
über Kaltluft auf. Die Kaltfront erstreckte sich vom Zentrum nach Nordwesten bis
nach Grönland. Im Bereich dieser Kaltfront herrschte auf Jan Mayen leichter
Schneefall mit einer 24-stündigen Niederschlagsmenge bis 08 Uhr MEZ am
darauffolgenden Tag von 0,1 l/m² bei einer Höchsttemperatur von -2°C oder bei
klirrend kalten -15,1°C als Höchstwert in Daneborg im
Osten Grönlands.
Bis
zum nächsten Tag verlagerte sich das Tiefdrucksystem NELE im Jetstream
eingebettet, der ungewöhnlicherweise wegen des kräftigen Hochs KEYWAN über dem
Nordostatlantik von Nord nach Süd verlief, nach Südosten und lag um 02 Uhr MESZ
mit dem Kern vor der Südwestspitze Finnlands. Mit einem Druck von rund 1019 hPa
im Zentrum verstärkte sich der Wirbel NELE in den zurückliegenden 24 Stunden.
Die spiralförmige Okklusion erstreckte sich über dem Südwesten Finnlands und
der nördlichen Ostsee. Vom Okklusionspunkt zwischen Stockholm und Gotland
verlief die Warmfront nach Südwesten bis zur westlichen Nordsee. Die Kaltfront,
wo sich Kaltluft abrupt unter einer wärmeren Luftmasse schob, lag im Bogen über
Südskandinavien und ging circa 200 km nordöstlich der Shetland-Inseln in eine
Warmfront über. Weiterhin fiel nur relativ wenig Niederschlag entlang den
Fronten des Tiefs NELE. Die 12-stündige Niederschlagsmenge in Form von Regen
und Schnee bis 08 Uhr MESZ betrug höchstens im norwegischen Stryn
und an der finnischen Station Parainen Fagerholm jeweils 5 l/m² an Okklusion und Kaltfront. Noch
weniger war es im Einflussbereich der Warmfront. Im selben Zeitraum wurden
maximal 3 l/m² in Gersdorf bei Rostock gemessen. Da auf der Vorderseite der
Zyklone NELE arktische Luft angezapft wurde stieg die Temperatur beispielsweise
in Potsdam nur auf 4,0°C. Vor der Kaltfront waren es zum Beispiel 9,7°C in
Glücksburg und hinter selbiger in maritimer Arktikluft
4,6°C in Karlstad oder 4,5°C in Bjørnholt
bei Oslo.
Unter
Abschwächung zog das Tiefdruckgebiet NELE bis zum nächsten Tag nach Süden
weiter und lag mit dem Kern um 02 Uhr MESZ über dem westlichen Litauen. Am
Kurischen Haff betrug der minimale Luftdruck ungefähr 1024 hPa. Die Okklusion
verlief zunächst spiralförmig über Litauen und anschließend in westliche bis
südwestliche Richtung bis nach Belgien. Einzelne Schneeschauer und gebietsweise
leichter Schneefall oder Schneegriesel im Einflussbereich der Mischfront
sorgten für 4 l/m² im polnischen Elblag, 1,9 l/m² in Ahaus und 1,5 l/m² in
Chemnitz im zuletzt genannten Zeitraum. Die Niederschläge entstanden deshalb,
weil sich an dieser Front die Warmluft komplett vom Boden hob und in der
kühleren Umgebungsluft immer weiter aufstieg. Nur im zentrumsnahen Bereich
westlich des Kerns gelang arktische Luft aus dem Norden bis nach Polen, wo die
Höchstwerte lediglich bei 2,9°C in Danzig und 3,2°C in Koszalin lagen. Weiter
westlich wurden 6,5°C in Jena oder 6,7°C in Bad Kissingen als
Höchsttemperaturen gemessen.
Die
Hochdruckbrücke KEYWAN II verstärkte seinen Einfluss auf Osteuropa, während das
Tief NELE weiter an Kraft verlor und sich bis zum 01.04.20 um 02 Uhr MESZ
vollständig auflöste.