Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet NICOLAS

(getauft am 28.11.2019)

 

Unterhalb eines Troges kalter Luft, der in einer Höhe von 500 hPa, etwa 5,5 km über dem Meeresspiegel, westlich über der Arktis lag und vom Nordpol über Spitzbergen bis zum Nordmeer reichte, hatte sich im Laufe des 27.11.2019 östlich von Jan Mayen ein zugehöriges Bodentief ausprägen können, das anhand der Analysekarte vom 28.11.2019 für 00 Uhr UTC auf den Namen NICOLAS getauft wurde. Zu jenem Zeitpunkt befand sich das Zentrum des sich noch in Entwicklung befindlichen Bodentiefs mit einem Kerndruck von etwa 995 hPa vor der Küste Norwegens, westlich von Tromsø. Ein zugehöriges Frontensystem konnte noch nicht analysiert werden. Aufgleitvorgänge im Bereich des sich kontinuierlich verstärkenden Tiefs hatten die Entstehung eines Niederschlagsfeldes zur Folge, welches von den Küstenregionen Nordnorwegens bis nach Spitzbergen leichte Schneefälle brachte. So waren innerhalb von 24 Stunden am Flughafen von Alta 3,0 mm, auf der südlich von Spitzbergen gelegenen Insel Hopen 7,2 mm und auf dem Berg Mannen 8,3 mm Niederschlag gefallen. Etwas weiter südlich, bei Reipå, wurden bis zu 23,4 mm registriert. Während Tief NICOLAS zunächst nur für den äußersten Nordwesten Skandinaviens direkt wetterbestimmend war, befanden sich Südskandinavien und Mitteleuropa im Einflussbereich des umfangreichen ehemaligen Tropensturms SEBASTIEN. An dessen Vorderseite hatte sich über der Ostsee ein zunächst noch eigenständiges Teiltief ausbilden können, welches im Laufe des 27.11. über den Bottnischen Meerbusen nach Norden zog und im Verlauf des 28.11. allmählich in die Zirkulation des Nordmeertiefs NICOLAS aufgenommen wurde. Über der Ostsee beständig an Feuchtigkeit gewinnend war im Einflussbereichs des Tiefdruckgebietes innerhalb von 24 Stunden bis zum folgenden Tag um 06 Uhr UTC Folgetages bei Rovaniemi 8,0 mm, in Helsinki, je nach Stadtlage, zwischen 10,8 und 14,2 mm und an der Station Jomala bis zu 23,1 mm Niederschlag gemessen worden. Diese Mengen fielen im Gegensatz zum Norden Norwegens meist in Form von Regen oder Schneeregen.

Zum 29.11. hatte sich der Tiefdruckwirbel NICOLAS mit seinem ursprünglichen Zentrum nach Süden verlagert und befand sich mit einem auf unter 990 hPa gefallenem Kerndruck unweit von Bodø. Mit einem Kerndruck von ebenfalls knapp 990 hPa lag der zweite Kern, der zuvor in die Zirkulation des Tiefdruckgebietes NICOLAS übergegangen war, über dem finnischen Teil Lapplands, nahe Rovaniemi. Von dessen Zentrum reichte sowohl eine Warmfront in einem weiten Bogen über das Weiße Meer und dem Nordural hinweg nach Osten sowie auch eine Kaltfront in südlicher Richtung bis nach Vaasa.

Über Nordskandinavien hielten die nun auch im Ostseeraum zumeist in Schneefall übergehenden Niederschläge an. Entlang der norwegischen Küste erfuhren diese aufgrund von Hebungs- und Stauprozessen beim Auftreffen der feuchten Luftmassen auf die dortigen Gebirgsketten und dem damit einhergehenden erzwungenen Aufgleiten in kältere Luftschichten zusätzliche Intensivierung. Binnen 24 Stunden wurden im Einflussbereich des ersten Kerns bei Andøya 10,9 mm, in Tromsø 14,2 mm und in Hammerfest 15,4 mm Niederschlag registriert. Am Flughafen Honningsvåg waren 19,0 mm und auf dem Mannen 25,8 mm gefallen. Im sowohl vom zweiten Zentrum als auch durch Ausläufer des ehemaligen Tropenwirbels SEBASTIEN beeinflussten Finnland wurden in Helsinki zwischen 5,4 und 8,5 mm, an der Station Lepaa 13,0 mm und am Flughafen von Kiikala 17,0 mm gemessen. In unmittelbarer Nähe des nach Norden abziehenden zweiten Kerns waren es dagegen noch 0,2 mm in Rovaniemi und 1,0 mm bei Murmansk. Entlang der Westflanke des Tiefdruckkomplexes NICOLAS-SEBASTIEN wurde maritime Kaltluft arktischen Ursprungs mit einer nordwestlichen Strömung bis an die Alpen geführt, sodass lediglich in Ostbayern, wie in Straubing und Gottfrieding, vereinzelt Höchsttemperaturen über 10°C, die am Tag zuvor landesweit gemessen werden konnten, erreicht wurden. In den übrigen Landesteilen Deutschlands stieg das Quecksilber noch auf Tageshöchstwerte zwischen 4 und 7°C. Allgemein überwog in Mitteleuropa ein wolkenreicher und feuchter Wettercharakter. Aufgrund der vorherrschenden Nordwestströmung konnte sich aufgrund der Leewirkung der norwegischen Gebirge ein wolkenarmer Streifen über Dänemark bis nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen bilden, in dem sich häufig die Sonne durchzusetzen konnte.  So wurden beispielsweise in Schleswig 7,4 und in Hamburg 6,4 Sonnenstunden registriert. Bis auf wenige Ausnahmen verbarg sie sich ansonsten fast ganztägig hinter dichten Wolkenfeldern, die verbreitet leichten Regen oder Sprühregen mit 24-stündigen Niederschlagsmengen zwischen unter 0,5 mm im Norden und 6 mm im Südwesten mit sich führten. Weitaus ergiebiger waren die Niederschläge noch im Stau der Alpen, die je nach Höhenlage auch als Schnee fielen. Aus Freudenstadt und Meßstetten wurden je 10,2 mm, aus Kempten 18,9 mm und aus Oberstdorf 24,5 mm gemeldet.

Der zweite Kern, des sich zu einem Sturmtief verstärkenden Wirbels NICOLAS, hatte sich im Tagesverlauf nordwärts über Finnland auf die Barentssee hinaus verlagert und dabei den ursprünglichen ersten Kern komplett in sich aufgenommen. Sein Zentrum befand sich am 30.11. um 00 Uhr UTC mit einem auf unter 975 hPa gefallenen Kerndruck nordwestlich von Hammerfest nahe Skarsvåg über dem Nordkap. Teile seiner Warmfront waren von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt wurden, sodass sich entlang dieses Teilstückes eine Okklusionsfront ausbilden konnte, die Eigenschaften beider Systeme in sich vereint und häufig durch ergiebige Niederschläge geprägt ist. Diese reichte südlich des Zentrums beginnend um den Kern herum bis zu ihrem Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, südöstlich von Spitzbergen. Von dort zog sich die Warmfront über die Barentssee und Workuta weiter nach Südosten und die ihr folgende Kaltfront über die Kola-Halbinsel nach Südwesten, ehe sie nahe St. Petersburg in die Warmfront des sich abschwächenden ehemaligen Tropenwirbels SEBASTIEN überging, der in Richtung Baltikum abgezogen war. Der Sturmwirbel NICOLAS führte mit einer starken nördlichen Strömung an seiner Westflanke beständig feuchte Luftmassen an die Gebirgsketten Norwegens. Durch anhaltende, schauerartig verstärkte Schneefälle war in Hammerfest eine Niederschlagsmenge von 9,1 mm, bei Bardufoss 10,9 mm und in Tromsø sowie auf Andøya 17,9 mm beziehungsweise 18,2 mm gefallen. Auf der Bäreninsel (Bjørnøya), mittig zwischen Spitzbergen und dem Nordkap gelegen, führte schauerartiger Schneefall bei Orkanböen bis 122,5 Stundenkilometern 27,0 mm mit sich. Auch an anderen, zumeist exponierten Stationen erreichte der vorwiegend westliche bis nördliche Wind in Böen Orkanstärke. So beispielsweise am Hornsund (Spitzbergen) mit 118,9 km/h, am Fruholmen Fyr, dem nördlichstem Leuchtturm Europas, mit 122,5 km/h – dort fiel zudem der Luftdruck zwischenzeitlich auf unter 972 hPa – oder Andøya mit 140,5km/h. An der Messstation auf dem Gipfel des Kistefjell registrierten die Anemometer gar Spitzenböen von bis zu 216,1 Kilometern in der Stunde. Bereits tags zuvor hatte der Wind dort Böen bis 198 km/h erreicht. An der Südostflanke, über der Kola-Halbinsel und im Bereich des weißen Meeres, erreichte der Wind entlang der nach Nordosten wandernden Kaltfront Böen zwischen 50 und 60 km/h, was dem Beaufortgrad 6 bis 7 entspricht. Bei dieser Intensität wird von starkem oder steifem Wind gesprochen.

Durch zunächst gelegentlichen, leichten Schneefall waren in jener Region in Umba 0,7 mm, in Apatitiy 1,0 mm und sowohl in Kepino als auch in Archangelsk je 9,0 mm gefallen, während in Finnland im selben Zeitraum zumeist unter einem Millimeter registriert wurde. Häufig bleib es dort bei zeitweisem Sonnenschein auch gänzlich niederschlagsfrei. Der Zustrom arktischer Luftmassen über die Nordsee nach Mitteleuropa hatte nach Auflösung des ursprünglichen Kerns vor Westnorwegen nachgelassen. Insgesamt stellte sich somit am 30.11. in Deutschland bei einem nicht unfreundlichen Wechsel aus Sonne und Wolken und Temperaturen zwischen 5,0 °C in Saarbrücken, 6,9°C in Rostock-Warnemünde und 8,9°C in Freiburg im Breisgau ein ruhigerer Witterungsabschnitt ein. Lediglich entlang der Küsten sowie vereinzelt in Teilen Brandenburgs und Bayerns kam es zu gelegentlichen Regenfällen. Die Niederschlagsmengen lagen dabei jedoch im Norden um einen Millimeter und in den übrigen Regionen unter einem halben Millimeter in 24 Stunden.

Der Tiefdruckwirbel NICOLAS hatte sich in seiner Position gegenüber dem 30.11. kaum verändert und verlagerte sich auch in den darauffolgenden 24 Stunden nur geringfügig, wodurch er sowohl am 01.12. als auch am 02.12. und damit in Summe drei Tage nahezu stationär mit seinem Zentrum unweit von Hammerfest über dem Nordkap verblieb. Seine Okklusionsfront konnte sich dagegen weiter ausprägen. Sie beschrieb am 01.12 einen südlich vom Kern ausgehenden Bogen nach Osten bis zu ihrem Okklusionspunkt der sich über der Barentssee nördlich von Murmansk befand. Von dort reichte eine zugehörige Warmfront über Workuta nach Südwesten sowie die ihr nacheilende Kaltfront über die Kanin-Halbinsel im Norden Russlands nach Süden. Letztere verband sich im weiteren Verlauf über Westrussland mit dem Frontensystem des sich in vorangeschrittener Auflösung befindlichen ehemaligen Tropensturms SEBASTIEN. Bis zum 02.12. hatte jene Kaltfront die Warmfront vollständig eingeholt. Die daraus resultierende Okklusionsfront erstreckte sich vom Kern über die Barentssee in Richtung des Nordurals und reichte anschließend über Westrussland den Charakter einer Kaltfront annehmend in südlicher Richtung bis nach Kasachstan. Eine weitere Okklusionsfront konnte südlich des Kerns analysiert werden. Sie zog sich bei Hammerfest beginnend in einem engen Bogen über weite Teile Lapplands, Rovaniemi und die Kola-Halbinsel bis nördlich von Murmansk. Die Schneefälle hielten somit über der Region weiter an und brachten binnen 48 Stunden bei Krasnoshchelye 4,8 mm, in Murmansk 10,5 mm und in Apatitiy 22,0 mm mit sich. In Finnland waren im selben Zeitraum zumeist zwischen zwei und acht Millimetern gefallen. Am ergiebigsten fielen die Niederschläge hingegen weiter entlang der Küsten Norwegens aus. In Hammerfest wurden 17,8 mm, an der Station auf der Insel Andøya wurden 34,7 mm und in Tromsø 36,5 mm gemessen. Von der Messstation Bardufoss wurden bis zu 48,7 mm gemeldet, die wie auch auf Andøya am 02.12. zunächst noch weiter von Orkanböen bis 133,3 beziehungsweise 140,5 Stundenkilometern begleitet wurden. Deutschland lag an jenen Tagen zwischen dem Hoch SARENA vor Großbritannien, dem Tief OLAF mit Zentrum über der iberischen Halbinsel, dem Schwarzmeerhoch ROMY und Tief NICOLAS am Nordkap in einem Bereich sehr geringer Luftdruckgegensätze, sodass sich in weiten Teilen des Landes, vom Emsland bis in die Oberlausitz, ganztägig zäher Nebel und Hochnebel hielt. Unter dem Nebel stieg die Temperatur bis zum Nachmittag auf Maximalwerte zwischen 1°C und 4°C. Mit Annäherung atlantischer Tiefdruckausläufer stieg das Temperaturniveau jedoch leicht an, dadurch fand auch der der wolkenreiche sowie zu gelegentlichen Niederschlägen neigende wechselhaft Witterungscharakter seine Fortsetzung.

Zum 03.12. war der Tiefdruckwirbel NICOLAS vom Nordkap nach Osten abgezogen und lag gegen 00 Uhr UTC mit einem um 10 hPa auf 985 hPa gestiegenen Druck über der Kola-Halbinsel bei Krasnoshchelye, östlich von Apatitiy. Westlich des Kerns beginnend reichte eine Okklusionsfront über die Barentssee, Nowaja Semlja und Workuta in Richtung Süden bis nach Surgut, östlich des Nordurals gelegen. Von dort zog sich eine Warmfront weiter nach Südosten und eine Kaltfront nach Süden. Während die Schneefälle über der Kola-Halbinsel weitestgehend nachließen hielten sie über Finnland zunächst noch weiter an, und gingen im Süden des Landes in leichten Regen oder geringen Sprühregen über. Diese brachten zwischen 0,1 mm in Helsinki, 2,7 mm bei Rovaniemi und 7,8 mm in Rautavaara. In Murmansk wurden im selben Zeitraum 2,0 und in Apatitiy 0,2 mm gemessen, wohingegen in Archangelsk, begünstigt durch das Weiße Meer, noch 11,0 mm gefallen waren. Auf Nordnorwegen verlor das weiter nach Osten verlagernde und sich rasch abschwächende Tief NICOLAS im Tagesverlauf an Einfluss. Gleichzeitig näherten sich jedoch von Westen die Ausläufer eines neuen Tiefs mit Zentrum östlich von Grönland an, sodass im Zusammenspiel beider in Hammerfest 2,8 mm, in Tromsø 22,5 mm und auf Andøya 26,8 mm registriert werden konnten.

Ohne ein noch analysierbares Frontensystem lag der sich im Endstadium seiner Auflösung befindliche Tiefdruckwirbel NICOLAS am 04.12. um 00 Uhr UTC mit einem auf etwa 995 hPa gestiegenen Kerndruck am Rande des Weißen Meeres über der Kanin-Halbinsel, nordöstlich von Archangelsk. In den darauffolgenden Stunden schwächte sich der einstige Nordmeerwirbel soweit ab, dass er nachfolgend nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte als eigenständiges Tief analysiert und somit auch nicht mehr auf jener namentlich verzeichnet werden konnte. Letzte ihm zuzuordnende Schneefälle brachten in Archangelsk noch 0,5 mm und am westlich davon gelegenem Sewerodwinsk 0,2 mm. Am Kap Kanin blieb es bereits gänzlich niederschlagsfrei.