Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
NIKLAS
(getauft
am 29.03.2015)
Unterhalb einer
starken von West nach Ost gerichteten Höhenströmung im 500- hPa-Niveau, das
heißt in einer Höhe von ungefähr 5,5 km, entstand an einer Luftmassengrenze
zwischen maritimer Arktikluft im Norden und maritimer Subtropikluft im Süden
ein kräftiger Wirbel über dem Atlantik südlich von Neufundland, der am
29.03.2015 in der Prognose für 12 Uhr UTC, das heißt um 14 Uhr MESZ, des
Folgetages auf den Namen NIKLAS getauft wurde.
An seinem Tauftag
lag der Kerndruck des Tiefs bei rund 995 hPa. Vom Zentrum verlief eine
Okklusion, das heißt eine Mischfront mit den Eigenschaften einer Warm- und
Kaltfront, nach Nordosten bis zum Okklusionspunkt, wo sich die Front in eine
nach Südwesten aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte verlaufende
Kaltfront sowie eine sich nach Nordosten erstreckende Warmfront, die über dem
zentralen Atlantik in die Kaltfront des vorlaufenden Tiefs MIKE überging, aufspaltete.
Am Folgetag befand
sich der Wirbel NIKLAS um 00 Uhr UTC über dem zentralen Nordatlantik südlich
der Südspitze Grönlands. Der Kerndruck der Zyklone vertiefte sich auf 990 hPa
und sollte im weiteren Verlauf rasch nach Osten ziehen. Vom Zentrum des Tiefs
verlief eine Okklusionsfront sowohl nach Südwesten Richtung Neufundland, als
auch bogenförmig nach Südosten. Die Warmfront des Systems erstreckte sich weit
über den Atlantik nach Südosten, bis diese vor der französischen Küste in die
Kaltfront des über der Ostsee befindlichen Tiefs MIKE überging. Die Kaltfront
wiederum verlief weiter nach Südwesten und ging auf Breite von Rom in eine Warmfront
über.
Bis zum 31.03.
verlagerte sich das Sturmtief NIKLAS in Richtung der Britischen Inseln.
24-stündig fiel der Kerndruck um rund 15 hPa auf 975 hPa. Entlang der
Luftmassengrenze, die von Kanada bis über das östliche Europa verlief und in
der das Orkantief NIKLAS eingebettet war, traten insbesondere über
Großbritannien große Windgeschwindigkeiten auf. Im 500-hPa-Niveau wurden bis zu
120, in einer Höhe von 300 hPa 160 Knoten gemessen. Die Okklusion des kräftigen
Wirbels verlief von Dublin, zum Zentrum über Edinburgh bis zum Okklusionspunkt
über der zentralen Nordsee. Von dort erstreckte sich eine Warmfront über
Belgien bis nach Südfrankreich. Die der Warmfront westlich gelegene
Kaltfront, welche teilweise nur in der Höhe analysiert werden konnte, verlief
über Südengland bis über den Atlantik, wo sich diese an die Warmfront eines
unbenannten Wirbels anschloss. Beim Überqueren
Großbritanniens wurden in Wales und England verbreitet schwere Sturmböen,
teilweise auch Orkanböen registriert. Auf der 847 m hohen Station Great Dun
Fell konnte eine Spitzenböe von 144 km/h registriert werden, an der Station Capel Cruig sogar 155 km/h. Bis
06 Uhr UTC fielen in England verbreiten 20 bis 30 l/m² Regen oder Schnee. In
Keswick fielen 20 l/m² innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 24 Stunden,
das walisische Capel Cruig
meldete 34 l/m². Das Frontensystem der Zyklone NIKLAS erfasste in der Nacht
auch Deutschland mit Schnee und Regen. Von Westen her setzte zum Teil starker
Regen ein, der in den höheren Lagen und nach Osten hin in Schnee überging. Bis
zum Morgen fielen 24-stündig in Lingen 22 l/m², in Braunlage 26 l/m² und am
Flughafen Berlin Tempelhof 6 l/m². In Berlin setzte am Morgen vorübergehend
starker Schneefall ein, so dass sich zeitweise eine dünne Schneedecke bilden
konnte. In Glücksburg in Schleswig-Holstein lag am Morgen eine 3 cm dicke
Schneedecke. Am Morgen erreichten auch die Sturmböen Deutschland und erfassten
im weiteren Verlauf weite Teile des Landes. Sogar in tiefen Lagen wurden
verbreitet schwere Sturmböen, zum Teil orkanartige Böen oder Orkanböen
gemeldet. Im 850-hPa-Niveau betrug der Mittelwind 60 bis 65 Knoten. Besonders
in Süddeutschland wurden hohe Windgeschwindigkeiten gemessen. Auf dem Hohenpeißenberg
wurden Spitzenböen bis zu 155 km/h registriert, auf dem Feldberg im Schwarzwald
151 km/h und auf dem Brocken wurden sogar 162 km/h gemessen. In München wurden
um 09 Uhr UTC 133 km/h, das heißt Windstärke 11, gemessen. Auch in
Nordrhein-Westfalen wurden Böen der Stärke 10 bis 11 registriert. Den Raum Berlin
erreichten die Sturmböen erst am Nachmittag. An der Potsdamer Station konnte
eine Spitzenböe von 119 km/h aufgezeichnet werden. In Berlin-Dahlem wurde mit
117 km/h die höchste Windspitze seit Januar 2007, als Kyrill in Deutschland
wütete, gemeldet. Somit war das Tief NIKLAS in Deutschland einer der schwersten
Stürme der letzten Jahre. Der Kaltfrontdurchgang erfolgte mit einem großen
Temperatursprung. Zuvor wurden am Alpenrand Temperaturen bis zu 20°C gemessen,
im Raum Innsbruck sogar 22°C. Hinter der Kaltfront folgte maritime Polarluft,
in der sich zahlreiche Schauer bildeten. Einige Stationen meldeten Gewitter,
die sich in der labil geschichteten Luft entwickelten, wie der Frankfurter Flughafen
kurz vor Mitternacht.
Zum 01.04.
verlagerte sich der Wirbel NIKLAS in der kräftigen westlichen bis nordwestlichen
Höhenströmung weiter und befand sich nun mit einem Kerndruck von 985 hPa über
Litauen. Von dort verlief eine Okklusion bis über die Ostkarpaten. Am
Okklusionspunkt spaltete sie sich in eine sich bis über die Krim erstreckende
Warmfront und in eine weiter westlich gelegene Kaltfront auf, die gen Westen
bis über die Adria verlief und über Norditalien in eine Warmfront überging. Die
windige Schauerlage setzte sich auch rückseitig von Tief NIKLAS mit kurzen,
aber heftigen Schauern fort. Der Niederschlag fiel als Schnee, Regen oder
Schneeregen bis hin zu Eiskörnern und Hagel bei Gewittern. Die höchsten
Niederschlagssummen kamen in der Mitte Deutschlands zusammen. Bis 06 Uhr UTC
fielen 24-stündig 24 l/m² in Braunlage und in Göttingen 15 l/m². In den Alpen
und den Mittelgebirgen sanken nachts unter den teilweise neu gebildeten
Schneedecken die Temperaturen unter den Gefrierpunkt. Auf dem Feldberg und
Großen Arber auf -6°C, die Station auf dem Brocken meldete eine
Tiefsttemperatur von -5°C und jene auf der Zugspitze sogar -16°C. Die
Schneedecke wuchs dort auf 415 cm an. Deutschlandweit konnten wieder Böen der
Stärke 8 bis 11 gemessen werden. Am Flughafen Tempelhof wurden bei Gewitter
zwischen 11 und 12 Uhr UTC Böen bis zu 107 km/h registriert. Auch an der Küste
und den Mittelgebirgen wurden Spitzenböen von bis zu 104 km/h in List auf Sylt
oder auf dem Feldberg im Schwarzwald gemessen. Die Höchsttemperaturen blieben
deutschlandweit unter 10°C, nur in Mannheim konnten 11°C registriert werden. In
Jenbach und Kufstein konnten tags zuvor noch Höchstwerte der Temperatur von 22
bzw. 20°C gemessen werden, am 01.04. betrug diese nur noch 3°C.