Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet NOA
(getauft am 17.10.2014)
Am 17. Oktober 2014 wurde ein Tiefdruckgebiet über
dem zentralen Nordatlantik auf den Namen NOA getauft. Es entwickelte sich als
Randtief des südlich von Island und westlich der Britischen Inseln gelegenen
Tiefdruckgebietes MARGIT I. Diese Randtiefbildung wurde unterstützt durch die
Entwicklung eines kleinräumigen, relativ kräftigen Höhentiefs am Rande eines
zum Bodentief MARGIT I gehörenden, großräumigen Tiefdruckgebietes in höheren
Luftschichten. Zum Zeitpunkt der Taufe lag das Zentrum des Wirbels NOA mit
einem Kerndruck von etwas unter 970 hPa ungefähr 1000 Kilometer nördlich
der Inselgruppe der Azoren. Von dort ging eine kurze Okklusionsfront, also eine
Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, in südöstlicher Richtung aus,
um nach etwa 200 km zum Okklusionspunkt zu führen. An diesem traf eine in
südlicher Richtung verlaufende Warmfront auf eine knapp westlich folgende
Kaltfront, welche südlich der Azoren verlief und dann weiter in südwestlicher,
später nordwestlicher Richtung bis vor die südostkanadische Küste reichte und
in die Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes über dem südlichen Quebec
überging.
Bis zum Morgen des Folgetages kam in Lajes auf den
Azoren durch Regengebiete hinter der Kaltfront des Tiefs NOA eine 24-stündige
Niederschlagsmenge von 5 l/m² zusammen. Im gleichen Zeitraum fiel mit bis zu 19
l/m², die an der Wetterstation Valentia im Südwesten von Irland registriert
wurden, vor allem im Westen der Britischen Inseln teilweise deutlich mehr
Niederschlag. Dies wurde durch die weiter nach Nordosten gezogenen Fronten der
Zyklone NOA verursacht, die sich mit einem Kerndruck von weiterhin knapp 970
hPa mittlerweile ungefähr 600 km westlich von Irland befanden. Von dort zog
sich eine Okklusionsfront in östlicher Richtung bis zum Okklusionspunkt etwa
200 km nordwestlich von Irland. An dieser Luftmassengrenze wurde von einer
schiffsgebundenen Wetterstation Wetterleuchten gemeldet, also ein oder mehrere
Blitze ohne hörbaren Donner. Vom Okklusionspunkt ging zum einen eine Warmfront
aus, die über Schottland und England sowie den Ärmelkanal bis zur französischen
Nordküste reichte. Zum anderen verlief vom Okklusionspunkt eine Kaltfront über
Irland und entlang der Westspitze der Halbinsel Cornwall im Südwesten
Großbritanniens über den Golf von Biskaya bis zur Nordwestspitze der Iberischen
Halbinsel und weiter in südwestlicher bis westlicher Richtung bis zur Westhälfte
des Nordatlantiks auf eine geographischen Breite, die in etwa den Kanarischen
Inseln entspricht.
Die 24-stündigen Niederschlagsmengen bis zum Morgen
des 19. Oktober zeigen die Schwerpunkte des Einflussbereiches des Tiefs NOA und
seiner Fronten. So fielen auf den Faröer-Inseln 19 l/m², in der norwegischen
Hauptstadt Oslo 15 l/m², in Stornoway auf den zu Schottland gehörenden Äußeren
Hebriden 10 l/m² und im dänischen Karup im mittleren Jütland 9 l/m². Das
Zentrum des Tiefdruckgebietes NOA hatte sich mit einem Kerndruck von nun knapp
980 hPa bis etwa 400 km südwestlich der Faröer-Inseln verlagert. Von dort verlief
eine Okklusionsfront entlang der isländischen Südostküste und weiter nach Osten
bis nach Mittelnorwegen in die Region um Trondheim, um dann auf einen
südöstlichen Kurs bis zum südlichen Schweden zu schwenken, wo sich der
Okklusionspunkt befand. An diesem spaltete sich diese in eine über Südschweden,
die dänische Insel Bornholm und bis zum Nordosten Deutschlands reichende
Warmfront und eine Kaltfront auf. Jene zog sich über den Norden Dänemarks und
die Nordsee sowie den äußersten Südosten Englands, um weiter über den
Ärmelkanal und die Bretagne zu verlaufen, die Nordwestspitze der Iberischen
Halbinsel zu streifen und ungefähr 700 km westlich der portugiesischen
Hauptstadt Lissabon in eine Warmfront überzugehen, die zu einem unbenannten
Tiefdruckgebiet nordwestlich der Inselgruppe Madeira gehörte.
Bis zum Morgen des 20. Oktober kam im
mittelfinnischen Jyväskylä eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 23 l/m²
zusammen, in Kopenhagen betrug die Regensumme im gleichen Zeitraum 32 l/m² und
in Leck im Norden von Schleswig-Holstein wurde mit 31,6 l/m² ein ähnlich hoher
Wert gemessen. Das Tiefdruckgebiet NOA hatte sich in zwei Teiltiefs
aufgespalten. Das Teiltief NOA I bestand genaugenommen wiederum aus zwei
Kernen, wobei sich das westlichere Zentrum dieses Dipols mit einem Kerndruck
von unter 980 hPa westlich von Island befand und das östlichere Zentrum mit
etwas unter 985 hPa östlich von Island lag. Beide Zentren des Teiltiefs NOA I
waren durch eine Okklusionsfront miteinander verbunden, die weiter östlich in
eine Warmfront überging, welche bis nach Mittelnorwegen reichte. Dort bestand
der Anschluß zu einer Okklusionsfront, die bis zum Zentrum des Teiltiefs NOA II
führte, das mit einem Kerndruck von knapp 995 hPa über dem südlichen Finnland
lag. Von dort aus erstreckten sich eine weitere Warmfront, die über Estland bis
nach Weißrussland in die Gegend westlich der Hauptstadt Minsk führte, und eine
Kaltfront, die über das westliche Baltikum, Westpolen, Deutschland und
Frankreich bis zur französischen Westküste reichte, wo sie in eine Warmfront
eines unbenannten Tiefs westlich von Madeira überging. Da der Luftdruckgradient
zwischen dem Tiefdruckkomplex NOA über Nordeuropa und hohem Luftdruck über
Südeuropa recht groß war und besonders im Bereich der Kaltfront sowie auf deren
Rückseite der daraus resultierende starke Höhenwind in tiefere Luftschichten
transportiert werden konnte, traten am 20. Oktober in der Nordhälfte
Deutschlands vielerorts Böen der Stärke 6 bis 7 auf. In exponierten Lagen der
Küsten, vor allem an der Nordsee, kam es zu stürmischen Böen der Stärke 8 und
auch zu Sturmböen der Stärke 9. Diese gab es auch in Hochlagen des Harzes und
des Erzgebirges. Vereinzelt traten dort sogar schwere Sturmböen der Stärke 10
auf. Auf dem Brocken und auf dem Fichtelberg wurden einzelne Böen registriert,
die im unteren Bereich orkanartiger Böen lagen, was der Stärke 11 entspricht.
Die höchste, eindeutig dem Tiefdrucksystem NOA
zuzuordnende 24-stündige Niederschlagsmenge bis zum Morgen des 21. Oktober
verzeichnete die litauische Hauptstadt Wilna mit 17 l/m². Das Teiltief NOA I
lag nun mit einem Kerndruck von etwas unter 970 hPa knapp nordöstlich von
Island. Die Okklusionsfronten, die einerseits nach Süden in Richtung des
ehemaligen Hurrikans GONZALO über dem Norden der Britischen Inseln,
andererseits nach Südosten in Richtung des Teiltiefs NOA II über Nordosteuropa führten,
wurden zwar überwiegend als Höhenokklusionsfronten analysiert, waren
nichtsdestotrotz auch beim Wettergeschehen am Boden aktiv. Das Teiltief NOA II
befand sich mit seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck von etwas unter 995 hPa
herrschte, südwestlich der russischen Hauptstadt Moskau. Von dort gingen
Warmfronten in Richtung des Kaspischen Meeres und in Richtung des Schwarzen Meeres
aus. Schließlich führte, vom Gebiet südlich von Moskau ausgehend, noch eine
Kaltfront über die Ukraine, Rumänien und Bulgarien bis zum östlichen Serbien,
wo sie in eine Warmfront eines unbenannten Tiefs über Ungarn überging.
Bis zum Morgen des Folgetages brachten die zuvor
beschriebenen Fronten der Teiltiefs NOA I und NOA II im Norden und Osten
Europas teilweise größere Niederschlagsmengen. So fielen im norwegischen Bergen
innerhalb von 24 Stunden 21 l/m², während im gleichen Zeitraum in der
ukrainischen Küstenstadt Odessa 10 l/m² zusammenkamen. Mittlerweile befand sich
das Teiltief NOA I mit einem Kerndruck von etwas unter 985 hPa über der Insel
Jan Mayen in der Grönlandsee. Das Teiltief NOA II war nicht mehr durch Fronten
mit dem Teiltief NOA I verbunden und lag mit einem Kerndruck von knapp 995 hPa
im Bereich der russischen Städte Kasan und Samara an der Wolga.
Bis zum Morgen des 23. Oktober fielen auf Jan Mayen
2 l/m² Niederschlag. Im Gebiet zwischen den russischen Städten Nischni Nowgorod
und Perm summierte sich der Niederschlag auf Mengen von rund 10 bis 20 l/m²
auf. Entsprechend war das Teiltief NOA I nicht mehr als eigenes, benanntes
Tiefdruckgebiet auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Vielmehr hatte es
sich mit anderen Tiefdruckgebieten zu einem unbenannten Tiefdruckkomplex
zwischen den Britischen Inseln, Grönland und Skandinavien zusammengeschlossen.
Anders sah es mit dem Teiltief NOA II aus, das sich mit seinem Zentrum westlich
von Perm befand und in dessen Kern der Luftdruck knapp unter 1000 hPa lag.
Dieses brachte zwischen der Wolga und dem Ural
weitere, teilweise schauerartige Niederschläge in Form von Schnee, wobei die
gemessenen Niederschlagsmengen ihren Schwerpunkt in der Republik Udmurtien mit
rund 5 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des Folgetages hatten. Am 24.
Oktober war das Tief NOA in der Region Tobolsk in der westsibirischen Oblast
Tjumen zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu
erkennen. Es gliederte sich einem unbenannten Tiefdruckgebiet an, das in den
folgenden Tagen in das nördliche Westsibirien zog.
Geschrieben
am 18.11.2014 von Heiko Wiese
Berliner Wetterkarte:
20.10.2014
Pate: Noa
Bayram