Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet NORBERT
(getauft am 01.02.2015)
Am 1. Februar 2015 wurde ein Tiefdruckgebiet über
dem Nordatlantik auf den Namen NORBERT getauft. Der Wirbel NORBERT hatte sich
mit Unterstützung eines kleinräumigen Höhentiefs östlich der kanadischen Insel
Neufundland gebildet und lag zum Zeitpunkt der Taufe etwa 500 km südöstlich der
Südspitze Grönlands. Der Kerndruck betrug knapp 1000 hPa. Vom Zentrum des
Wirbels NORBERT ging eine Okklusionsfront, eine Mischfront mit Warm- und
Kaltfronteigenschaften, in südöstlicher bis südlicher Richtung aus. Weitere 500
km vom Kern des Tiefs NORBERT entfernt befand sich der Okklusionspunkt, an dem
sich eine Warmfront und eine Kaltfront ähnlich wie bei einem Reißverschluss
zusammenschlossen. Die Warmfront führte in südlicher Richtung bis knapp nördlich
der Inselgruppe der Azoren. Dort ging sie in eine Kaltfront über, die in einem
weiten Bogen über den östlichen Nordatlantik, Nordafrika und das zentrale
Mittelmeer bis zum Kern des Teiltiefs MISCHKA I über Süditalien reichte. Im
Bereich der Azoren war der Luftdruck allerdings verhältnismäßig hoch, so dass sich
die Wetteraktivität der beiden zuletzt erwähnten Fronten auf zeitweise starke
Bewölkung ohne nennenswerten Niederschlag beschränkte. Vom Okklusionspunkt ging
außerdem eine Kaltfront in südwestlicher Richtung aus, die etwa 1000 km südlich
des Zentrums der Zyklone NORBERT in eine Warmfront überging, welche zu einem
unbenannten Tiefdruckgebiet mit Kern südöstlich von Neufundland gehörte.
Zwischen dem Azorenhoch und dem Tiefdruckkomplex
MISCHKA über weiten Teilen des kontinentalen Europas, ebenso wie zwischen den
korrespondierenden Druckgebilden in höheren Atmosphärenschichten, kippte die
großräumige Strömung über dem östlichen Nordatlantik auf eine nordwestliche bis
nördliche Richtung. Somit verlagerte sich bis zum Morgen des 2. Februar auch
das Tiefdruckgebiet NORBERT deutlich weiter nach Südosten und befand sich mit
seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck von etwa 1005 hPa gemessen wurde, knapp
500 km südwestlich von Irland. Von dort ging eine Okklusionsfront aus, die etwa
700 km nordnordwestlich der Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel am
Okklusionspunkt endete. Dort traf eine bogenförmig zunächst nach Süden, im
Verlauf nach Westen gerichtete Warmfront auf eine kurz dahinter, also weiter
westlich, folgende Kaltfront. Letztere ging gut 1000 km westlich des Kerns des
Tiefs NORBERT in eine Warmfront über, die zu einem unbenannten Tiefdruckgebiet
mit Kern zwischen Neufundland und Südgrönland gehörte. Vom Zentrum des
Tiefdruckgebietes NORBERT führte eine weitere Okklusionsfront in nordwestlicher
bis nördlicher Richtung. Etwa 600 km westnordwestlich von Irland ging sie in
eine Okklusionsfront über, die zu einem unbenannten Tiefdruckgebiet an der
isländischen Südküste gehörte. Im Südwesten Europas trafen die
Niederschlagsgebiete der Fronten vom Tiefdruckgebiet NORBERT als erstes im
Nordwesten der Iberischen Halbinsel ein. Die Wetterstation La Coruna im Nordwesten von Spanien registrierte bis zum
Morgen des 2. Februar eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 6 l/m².
Bis zum Morgen des Folgetages kamen in La Coruna weitere 6 l/m² zusammen, in der spanischen
Hauptstadt Madrid fielen 3 l/m² und im südspanischen Sevilla kamen 2 l/m²
zusammen. Das Zentrum des Tiefs NORBERT lag mittlerweile mit einem Kerndruck
von etwas unter 1000 hPa über dem Baskenland. Von dort zog sich eine
Okklusionsfront über den Osten und Süden Spaniens und die Straße von Gibraltar
bis etwa 500 km nordnordöstlich der Inselgruppe Madeira. Weiter westlich schloss
sich eine bogenförmige Kaltfront an, die ungefähr 800 km nördlich der Azoren in
eine Warmfront überging, welche zu einem unbenannten Tiefdruckkomplex in
Bereich von Südgrönland und südwestlich davon gehörte.
Die 24-stündigen Niederschlagsmengen bis zum Morgen
des 4. Februar waren im Bereich des westlichen und zentralen Mittelmeers am
höchsten. So summierte sich der Niederschlag im südfranzösischen Marseille auf
13 l/m² auf, in der italienischen Hauptstadt Rom fielen 33 l/m² und in
Dubrovnik im Süden Kroatiens 34 l/m². Die Ursache dafür war das Tief NORBERT,
das sich weiter nach Osten verlagert und durch den Einfluss eines über dem
Südwesten Europas gelegenen Höhentiefs verstärkt hatte. Es gab nun zwei
Teiltiefs, und zwar NORBERT I mit einem Kerndruck von etwas unter 995 hPa über Korsika
und NORBERT II mit einem Kerndruck von knapp 1000 hPa über Ostspanien und den
Balearen. Vom Teiltief NORBERT I ging eine Okklusionsfront in östlicher
Richtung aus, die über das Tyrrhenische Meer bis zum Okklusionspunkt im Bereich
von Kampanien an der Westküste Italiens reichte. Dort
traf eine Warmfront, die über Apulien und weiter bis vor die Westküste
Griechenlands führte, auf eine Kaltfront. Diese verlief nördlich von Sizilien
und ging zwischen Sardinien und Tunesien in eine Warmfront über. Diese wiederum
gehörte zum Teiltief NORBERT II. Westlich an den Kern des Teiltiefs NORBERT II
schloss sich eine Kaltfront an, die über das südliche Spanien und Portugal
verlief und etwa 1000 km westnordwestlich der portugiesischen Hauptstadt
Lissabon endete. Die erwähnten, zeitweise schauerartigen und von Gewittern
begleiteten Niederschläge im westlichen und zentralen Mittelmeerraum fielen oft
als Regen, im Bergland teilweise als Schnee. In Südfrankreich und Teilen von
Spanien kam es mancherorts auch in tiefen Lagen zu Schneefall, als die maritime
Polarluft auf die deutlich wärmere und feuchte Luft aus subtropischen Breiten
traf. Damit verbunden war auch das Phänomen des Mistral, eines kräftigen, durch
das Rhonetal zusätzlich kanalisierten Nordwindes, der
nachmittags und abends in Südfrankreich gebietsweise Böen der Stärke 9 bis 10 auf
der Beaufortskala verursachte. Dies entspricht rund 65 bis 85 km/h. An der Cote
d’Azur und an der Küste der südwestfranzösischen Region Languedoc-Roussillon
kam es sogar zu orkanartigen Böen der Stärke 11 bis vereinzelten Orkanböen der
Stärke 12. An der französischen Wetterstation Cap Bear
in der Nähe der Stadt Port-Vendres wurde abends eine
Spitzenböe von 137 km/h gemessen, wobei man ab 118 km/h von Orkanböen,
also Stärke 12 Beaufort, spricht.
Bis zum Morgen des Folgetages lag die höchste
24-stündige Niederschlagsmenge bei 31 l/m² in Ajaccio
auf Korsika. Die beiden Teiltiefs hatten sich nun wieder zu einem einzelnen
Tiefdruckgebiet NORBERT zusammengeschlossen, dessen Kern mit einem Luftdruck
von etwas unter 990 hPa über dem westlichen Mittelmeer zwischen den
Balearen, Korsika und Sardinien lag. Von dort verlief eine Okklusionsfront bis
zum Okklusionspunkt über Korsika, von wo einerseits eine Warmfront über
Mittelitalien, die Adria und den westlichen Balkan bis in den Südwesten
Bulgariens verlief und dort in eine Kaltfront eines unbenannten
Tiefdruckgebietes mit Kern über dem Osten Rumäniens und Moldawien überging.
Andererseits führte, vom Okklusionspunkt ausgehend, eine Kaltfront über das
Tyrrhenische Meer und entlang der Westspitze von Sizilien bis nach Tunesien, um
über dem östlichen Algerien den Bildausschnitt der Berliner Wetterkarte zu
verlassen und über dem südlichen Marokko wieder auf ihr sichtbar zu werden. Von
der marokkanischen Küste südlich der Stadt Agadir führte die Kaltfront weiter
knapp nordöstlich an der Inselgruppe Madeira vorbei bis etwa 700 km östlich der
Azoren.
Die Aktivität des Tiefdruckgebietes NORBERT erstreckte
sich also nicht nur auf Teile des europäischen Mittelmeerraumes, sondern auch
auf Gebiete in Nordafrika, wie die 24-stündige Niederschlagsmenge bis zum
Morgen des 6. Februar von 22 l/m² in der algerischen Küstenstadt Jijel zeigt. Gebietsweise fiel am 5. Februar ab etwa 500
bis 800 m Höhe in Algerien und im Osten von Marokko der Niederschlag als
Schnee, wobei im Norden Afrikas die Niederschläge in der Nacht zum 6. Februar
nachließen. Anders sah es in Italien und auf dem westlichen Balkan aus, wo
weiterhin zeitweise kräftige und gewittrige Niederschläge fielen. In Venedig
kamen 40 l/m², hauptsächlich als Regen, zusammen, im norditalienischen Brescia
fielen 17 cm Schnee, und im Westen Kroatiens erhöhte sich die Schneedecke
mancherorts um etwa 30 bis 40 cm. Das Tiefdruckgebiet NORBERT hatte sich in der
Zwischenzeit leicht nach Osten verlagert. Der tiefste Luftdruck wurde jeweils
mit knapp 995 hPa an der mittelitalienischen Adriaküste und vor der
Nordostküste von Sardinien gemessen. Eine bogenförmige Okklusionsfront zog sich
von Sardinien über Südfrankreich und folgte ungefähr dem Verlauf der Alpen bis
zum Okklusionspunkt im Raum Venedig. Von dort zweigte eine Warmfront ab und
führte über den nördlichen Balkan bis zur südrumänischen und nordbulgarischen
Schwarzmeerküste, um in eine Kaltfront eines unbenannten Tiefdrucksystems über
dem nordöstlichen Schwarzen Meer überzugehen. Vom Okklusionspunkt im Raum
Venedig führte außerdem eine Kaltfront entlang der italienischen Adriaküste bis
vor die Westküste Griechenlands, wo der Anschluss zu einer Warmfront eines
Wellentiefs mit Zentrum vor der libyschen Küste in Höhe der Stadt Bengasi
bestand.
Bis zum Morgen des 7. Februar wurde in der
bulgarischen Hauptstadt Sofia eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 24 l/m²
gemessen, im norditalienischen Mailand kamen 6 l/m² zusammen und in der
westtürkischen Stadt Izmir wurden 15 l/m² registriert. Zwar wurden all diese
Orte von den Niederschlägen der zuvor beschriebenen Fronten des
Tiefdruckgebietes NORBERT beeinflusst. Mittlerweile befand sich aber das Zentrum
des Tiefs mit einem Kerndruck von etwas unter 1010 hPa über dem Tyrrhenischen
Meer sowie Korsika und Sardinien, wogegen sich über der südlichen Adria und im
Raum Istanbul in der Türkei zwei kleine, unbenannte Tiefdruckgebiete gebildet
hatten. Vom Golfe de Lion südlich von Marseille über Norditalien bis zur
mittleren Adria erstreckte sich eine vor allem in höheren Luftschichten
ausgeprägte Okklusionsfront, die weiter südöstlich in eine auch im Bodenniveau
aktiven Kaltfront des unbenannten Tiefdruckgebietes über der südlichen Adria
überging.
Am 8. Februar war das Tiefdruckgebiet NORBERT zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Der
Wirbel NORBERT wurde mit einem Kerndruck von knapp 1015 hPa über dem südlichen
Tyrrhenischen Meer analysiert. In den nächsten Tagen bestimmten unbenannte
Tiefdruckgebiete und die Fronten des über Russland liegenden Tiefdruckkomplexes
OTHMAR das Wetter über Teilen des östlichen Mittelmeerraumes, wobei sich von
Westen der Einfluss des westeuropäischen Hochdruckgebietes GABRIELA verstärkte.
Geschrieben
am 12.03.2015 von Heiko Wiese
Berliner
Wetterkarte: 05.02.2015
Pate:
Norbert Strecker