Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet NORBERT
(getauft
am 27.03.2019)
Das Wetter in den gemäßigten Breiten
wird maßgeblich von der Abfolge durchziehender Gebiete tiefen und höheren
Drucks in der bodennahen Atmosphäre beeinflusst. Tiefdruckgebiete entstehen
durch das Aufsteigen herangeführter Luft im Zentrum und dem dabei
resultierenden Luftdefizit am Boden. Die sogenannten Fronten grenzen die
herantransportierten, verschieden temperierten Luftmassen ab. Da sich kältere
Luft schneller bewegt, holt die Kaltfront dabei im Verlauf des Lebens eines
Tiefs typischerweise die langsamere Warmfront ein. Die durch die Überlagerung
entstehende Front wird dann als Okklusion bezeichnet. Auch in der Höhenströmung
finden sich Gebiete tieferen und höheren Drucks wieder, welche den
breitenkreisparallelen Grundstrom stören. Somit wird kalte Luft nach Süden
beziehungsweise warme Luft nordwärts transportiert. In einer Höhe von rund 5 km
war Ende März 2019 ein ausgeprägter Bereich tiefen Drucks über dem
Nordwestatlantik und Grönland zu erkennen. Dieser ging mit großer
Isobarendrängung, nah aneinander liegenden Linien gleichen Drucks, einher. Diese
Drängung zeigt große Druckunterschiede auf kleinem Raum an, welche auch starken
Wind in dieser Höhe verursachten.
Am 27.03.2019 um 00 Uhr UTC, was 01 Uhr
MEZ entspricht, wurde das korrespondierende Tief auf Bodenniveau östlich der
Südspitze Grönlands mit unter 980 hPa Kerndruck in Analyse auf den Namen NORBERT
getauft. Große Druckgradienten waren auch auf der Bodenkarte zu sehen. Eine
Okklusion verlief im Bogen um das Zentrum und spaltete sich in eine kurze nach
Südost abgehende Warmfront und eine in südwestliche Richtung über den Atlantik
reichende Kaltfront. Diese grenzten die zwischen den Fronten herangeführte
maritime Luft aus den gemäßigten Breiten von der maritimen Polar- und
Arktikluft ab, die über dem Nordatlantik anlag. Die großen
Temperaturunterschiede erzeugten bei anliegender feuchter Luft dichte Bewölkung
im Einflussbereich. Durch den Warmlufteinfluss wurden bei 37 km/h Südwind morgens
noch 6°C in Reykjavík gemessen, durch Eintreffen der Kaltfront sank die
Temperatur im Laufe des Tages aber wieder auf bis zu -3°C ab. Es kam außerdem
zu Regen und Regenschauern.
Sowohl am Boden, als auch in einer Höhe
von rund 5 km sank der Druck zum Folgetag weiter und die Druckgradienten
verstärkten sich. So lag das Tief NORBERT am 28.03. um 01 Uhr MEZ mit einem
Druck von ca. 975 hPa mit seinem Zentrum über der Grönländischen See und der
Insel Jan Mayen. Von der Okklusion zog sich die Warmfront nach Süden über
Skandinavien bis nach Deutschland, während die Kaltfront nach Südwesten bis
über die Shetland-Inseln verlief. Die
Temperaturunterschiede blieben erhalten, sodass es unter Warmlufteinfluss in
Oslo mit 17°C zu den in ganz Nordeuropa höchsten Temperaturen kam. Aber auch in
Stockholm und einigen Städten im Norden Dänemarks wurden Tageshöchsttemperaturen
von 15°C gemessen. Niederschläge konnten jedoch nur an der norwegischen Westküste
aufgezeichnet werden, im skandinavischen Inland blieb es trocken. Auf der
Rückseite des Tiefs stiegen die Temperaturen in Reykjavík kaum noch über den
Gefrierpunkt.
Zum 29.03. um 01 Uhr MEZ verlagerte
sich das Zentrum des Tiefs NORBERT, auf 965 hPa Druck verstärkt, bis über
Spitzbergen. Die Okklusion bildete dabei einen Bogen um das Zentrum und spaltete
sich über der russischen Küste der Barentssee in die Fronten auf. Die Warmfront
reichte ins Inland bis über St. Petersburg, während die kurze Kaltfront bis zur
Halbinsel Kola reichte, wo sie in Fronten weiterer Tiefdruckgebiete überging. In
Murmansk stieg die Temperatur auf 3°C und es kam im Tagesverlauf immer wieder
zu Regenschauern. In St. Petersburg wurden maximale 10°C gemessen. In der
Höhenströmung waren weiterhin große Druck- und Temperaturgradienten vorhanden,
weshalb an diesem und auch am nächsten Tag große Windgeschwindigkeiten in der
Höhe auftraten.
Am Boden hatte sich das Tief zum 30.03.
in zwei Teiltiefs aufgespalten. Das Tief NORBERT I lag mit etwa 965 hPa
Luftdruck über der Barentssee, während seine Okklusion im Bogen südwärts auf
das russische Festland ragte. Der Kern des Tiefs NORBERT II befand sich mit rund
980 hPa Druck weiter südlich über der Küstenlinie. Nach einer kurzen Okklusion
ging die Warmfront nach Südwesten ab, die Kaltfront verlief im Bogen über
Südskandinavien bis über die Britischen Inseln. Polare und arktische Luft
brachten Archangelsk im Bereich der Zyklone NORBERT II weiterhin Tiefsttemperaturen
unter dem Gefrierpunkt, auch tagsüber steigen die Temperaturen nur auf 6°C an
und es konnte geringer Regen aufgezeichnet werden. Moskau und St. Petersburg profitierten
noch geringfügig von der Luft im Warmsektor und es wurden bei trockenen
Bedingungen und meist starker Bewölkung maximale 9°C gemessen.
Tief NORBERT I hatte sich zum 31.03. um
01 Uhr MEZ bei gleichgebliebenem Druck nur wenig nordwärts bewegt und seine
Okklusion reichte jetzt über die Barentssee und Nordnorwegen. Mit einer
Druckabnahme auf 975 hPa verlagerte sich der Tief NORBERT II entlang der
Küstenlinie in östliche Richtung und okkludierte weiter. Der Einfluss der
Warmfront reichte bis an das Asowsche Meer, jedoch waren dort kaum
Temperaturunterschiede messbar. In Wolgograd wurden bei geringer Bewölkung Tiefsttemperaturen
um den Gefrierpunkt und Maximalwerte von 8°C gemessen. In Murmansk gab es bei
Tiefstwerten um -3°C teils Schneeschauer. Am Boden, wie auch in einer Höhe von
rund 5 km, schwächte sich der Tiefdruckeinfluss zum nächsten Tag ab, sodass das
Tief NORBERT nicht mehr auf den Wetterkarten von Europa und dem Nordatlantik zu
finden war.