Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet NUMA
(getauft am 12.11.2017)
Am
12.11.2017 befand sich in einer Höhe von ca. 5,5 km ein weitreichender Keil,
d.h. ein Vorstoß warmer Luft nach Norden, über dem Nordatlantik und ein
umfangreicher Trog über Europa, in welchem kalte Luft nach Süden transportiert
wird. Zwischen diesen Systemen konnte ein weiterer kleinräumiger Trog
analysiert werden, welcher sich mit einer korrespondierenden Bodenzyklone in
den Tagen zuvor über den Nordatlantik in Richtung Europa verlagerte. Das
zugehörige Tief im Bodenniveau sollte in den folgenden Tagen Einfluss auf das
Wettergeschehen Europas nehmen und wurde daher noch am selben Tag auf den Namen
NUMA getauft.
Um
01 Uhr MEZ dieses Tages befand sich der Wirbel NUMA über dem Süden Englands mit
einem Kerndruck von ca. 1012 hPa. Vom Zentrum der Zyklone führte eine Okklusion
nach Westen über den Nordatlantik bis zur Länge von Reykjavik. Eine Okklusion
stellt dabei eine Mischfront aus Warm- und Kaltfront dar, welche aus deren
Zusammenschluss entsteht und die Eigenschaften der beiden Systeme aufweist. Der
Punkt, an welchem die Kaltfront die ihr vorlaufende Warmfront einholt und die
warme Luft anhebt, wird Okklusionspunkt genannt und lag nah am Tiefdruckkern.
Von dort verlief die Warmfront nach Südosten bis nach Baden-Württemberg, wo sie
in die Kaltfront eines kleinen Wellentiefs überging. Die Kaltfront des Tiefs
NUMA reichte hingegen über die Bretagne nach Westen und verband sich über dem
zentralen Nordatlantik mit der Warmfront eines Wirbels über dem Seegebiet
zwischen Grönland und Kanada, welches folgend mit dem Namen OLAF belegt werden
sollte. Bis zum Morgen konnten vor allem entlang der Ausläufer über der
Nordhälfte Frankreichs, der Schweiz und dem Süden Deutschlands hohe
Niederschlagsmengen beobachtet werden. Innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ
wurden dabei in Deauville 21 l/m², in Oberstdorf 36 l/m² und auf dem Feldberg
im Schwarzwald 45 l/m² gemessen. Außerdem konnten in der Schweiz 32 l/m² in
Leibstadt und 48 l/m² auf dem Säntis registriert werden. Bis zum Abend
konzentrierten sich die Niederschläge weiterhin auf den Süden Deutschlands und
die Schweiz. Nochmals wurden bis 19 Uhr MEZ 37 l/m² in Freudenstadt, weitere 42
l/m² auf dem Feldberg und 53 l/m² auf dem Säntis verzeichnet.
Beim
Durchzug der Kaltfront des Tiefs NUMA über den Alpen bildete sich ein weiteres
Tiefdruckzentrum aus, welches sich im Tagesverlauf bis über den Golf von Genua
verlagerte. Im Bereich dieses Tiefdruckzentrums baute sich ein umfangreiches
und kräftiges Windfeld auf, welches auf den Bergen sogar Orkanstärke annahm.
Auf dem schweizerischen Eggishorn erreichten die Böen beispielsweise
Geschwindigkeiten von bis zu 135,3 km/h, auf der Zugspitze wurden sogar 136,9
km/h gemessen. Noch höher lagen die Windgeschwindigkeiten an den
Mittelmeerküsten Frankreichs und Korsikas. Hier wurden zum Beispiel bis zu
180,1 km/h am Cap Corse, der Nordspitze Korsikas, registriert.
Das
Tiefdrucksystem NUMA bestand somit am 13.11. um 01 Uhr MEZ aus zwei Zentren,
welche sich in Form des Tiefs NUMA I mit rund 1000 hPa über dem Osten
Tschechiens sowie als Tief NUMA II mit ca. 995 hPa über dem Norden Italiens
befanden. Vom Kern des Wirbels NUMA I verliefen eine Warmfront nach Südosten
bis zur südlichen Ukraine und eine Kaltfront über Ungarn nach Kroatien, wo sie
in die Warmfront des Tiefs NUMA II überging. Die Kaltfront der Zyklone NUMA II
erstreckte sich hingegen über Korsika, die Balearen und die Iberische Halbinsel
bis westlich der Biskaya. Entlang des Frontensystems stellten sich ergiebige
Niederschläge von Tschechien über die Slowakei, Ungarn, Kroatien bis nach
Italien, die Schweiz und die Alpenregion Frankreichs. Bis 07 Uhr MEZ wurden
dabei 12-stündig 19 l/m² an der slowakischen Station Zilina/Hricov, 20 l/m² im
westungarischen Szentgotthárd und 27 l/m² im Alpinzentrum Rudolfshütte nahe dem
Großglockner gemessen. Noch kräftiger fielen die Niederschläge in Slowenien,
Kroatien und Italien aus. Dort konnten 49 l/m² in Portoroz an der slowenischen
Adriaküste, gewittrig verstärkte 46 l/m² im kroatischen Parg und 51 l/m² in
Ronchi dei Legionari nahe der italienisch-slowenischen Grenze registriert
werden.
Bis
zum Abend verlagerte sich das Tief NUMA II weiter nach Südwesten. Gleichzeitig
bildeten sich kurzzeitig über der Adriaregion entlang der Fronten einzelne
Tiefdruckzentren, welche die mitunter schauerartig verstärkten Niederschläge
intensivierten. In den anschließenden 12 Stunden fielen dadurch weitere 69 l/m²
in Bologna und 50 l/m² auf der kroatischen Adriainsel Losinj. In nur 6 Stunden
wurden außerdem 38 l/m² in Venedig beobachtet. Des Weiteren konnten nun auch im
Tiefland an besonders exponierten Stellen Böen mit Orkanstärke im Bereich des
Tiefs NUMA II registriert werden. So wurden in Rijeka und in Senj Böen von jeweils
136,9 km/h vermeldet.
Während
das Tief NUMA I in der Folge unter Abschwächung weiter nach Nordosten zog und
um 01 Uhr MEZ am 14.11. mit ca. 1006 hPa etwa 300 km westlich von Moskau
analysiert wurde, verlagerte sich der Wirbel NUMA II ebenfalls unter
Abschwächung auf rund 1002 hPa nach Südosten bis nördlich von Sizilien über das
südliche Tyrrhenische Meer. Das Frontensystem des Tiefs NUMA I bestand zu
diesem Zeitpunkt aus einer spiralförmigen Okklusion, welche nördlich um das
Zentrum führte und sich südöstlich des Kerns in eine nach Wolgograd reichende
Warmfront und in eine nach Südwesten weisende Kaltfront aufspaltete. Letztere
verband sich über den Ostkarpaten mit der Warmfront der Zyklone NUMA II. Dessen
Okklusion verlief über das Tyrrhenische Meer nach Osten über Süditalien und fand
nahe Bari ihren Okklusionspunkt. Die anschließende Kaltfront erstreckte sich
bogenförmig nach Südwesten über den Nordwesten Libyens und Algerien bis zur
Straße von Gibraltar.
Das
Tiefs NUMA II sorgte bis zum Morgen im Westen Russlands und im Osten Weißrusslands
für Regenmengen von meist 5 bis 10 l/m² in 12 Stunden. In Smolensk wurden sogar
11 l/m² gemessen. Deutlich höher lagen die Niederschlagswerte im Bereich des
Wirbels NUMA II. Kräftiger Regen sowie gewittrige Schauer konzentrierten sich
dabei vor allem auf die Adriaregion, Montenegro und den Westen Griechenlands am
Ionischen Meer. Bis 07 Uhr MEZ kamen dadurch 12-stündig 29 l/m² in Frontone
südlich von San Marino, 32 l/m² im montenegrinischen Niksic und extreme 75 l/m²
in nur 6 Stunden auf Korfu zusammen. Auch im weiteren Tagesverlauf lag der
Schwerpunkt der Niederschläge in der Adriaregion, dem Ionischen Meer und
Süditalien, wodurch bis zum Abend nochmals 17 l/m² auf Malta, 22 l/m² im
kroatischen Komiza, 47 l/m² in Otranto bei Lecce, 50 l/m² in Santa Maria di
Luca und 58 l/m² in Martina Franca in der Provinz Tarent verzeichnet werden
konnten.
Der
Grund für die kräftigen Niederschläge war das Aufeinandertreffen von warmer
Subtropikluft über der Balkan-Halbinsel und kühler Polarluft, welche hinter den
Kaltfronten des Tiefdrucksystems NUMA herantransportiert wurde. Diese polaren
Luftmassen führten von Rumänien über Serbien und Kroatien bis nach Italien zu
deutlichen Absenkungen in den Höchsttemperaturen. Während weiter südwestlich in
Albanien, Griechenland und in Teilen Bulgariens im Warmsektor des Tiefs NUMA
II, d.h. im Bereich zwischen dessen Warm- und Kaltfront, weiterhin Tagesmaxima
von verbreitet 19 bis 22°C registriert wurden, konnten vor allem in Serbien
nicht einmal mehr zweistellige Temperaturwerte erreicht werden. In Kragujevac, der
viertgrößten Stadt Serbiens im zentralen Teil des Landes, sank der Höchstwert
beispielsweise von 20,2°C am Vortag auf nur noch 6,0°C.
Das
Tief NUMA I folgte bis zum 15.11. seiner nach Nordosten gerichteten Zugbahn nach
Nordrussland, wodurch es folgend kaum noch Einfluss auf das europäische
Wettergeschehen hatte und an diesem Tag nicht mehr namentlich auf der Berliner
Wetterkarte verzeichnet wurde. Somit besaß die Zyklone NUMA um 01 Uhr MEZ
dieses Tages nur noch einen Kern nördlich von Sizilien, welcher einen Kerndruck
von etwa 1006 hPa aufwies. Vom Zentrum des Tiefs verlief eine Okklusion
zunächst nach Norden bis Rom und von dort nach Südosten bis über den Süden
Albaniens, wo sich der Okklusionspunkt befand. Die Warmfront erstreckte sich
von dort über Serbien bis über den Osten Rumäniens und die Kaltfront führte
über den Westen Griechenlands nach Süden über das Mittelmeer und den Osten
Libyens in Richtung Sahararegion. Die kräftigen und teils gewittrigen
Niederschläge hielten in der Nacht weiter an und intensivierten sich vielerorts
nochmals. Daraus resultierten extrem hohe Regensummen östlich von Rom in den
Abruzzen. In Pescara wurden in 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ insgesamt 118 l/m²
registriert, davon allein 48 l/m² innerhalb von 6 Stunden. Auch an der nah
gelegenen Station in San Giovanni Teatino wurden 116 l/m² gemessen. Ein zweiter
Schwerpunkt der Niederschlagsaktivität befand sich über dem Westen
Griechenland. In Kalamata konnten 38 l/m² und auf Zakynthos sowie in Andravida
jeweils 42 l/m² verzeichnet werden. Im Tagesverlauf schwächte sich das Tief
NUMA mitsamt seinem Frontensystem ab, wodurch auch die Niederschläge an
Intensität verloren. Bis 19 Uhr MEZ kamen dennoch nochmals 28 l/m² in Frontone,
27 l/m² auf der italienischen Mittelmeerinsel Pantelleria, 21 l/m² in Pescara
und 20 l/m² auf Kefalonia im Ionischen Meer zusammen.
Das
Tiefdruckzentrum des Wirbels NUMA verblieb bis zum Folgetag nahezu stationär
und konnte um 01 Uhr MEZ mit rund 1008 hPa über Malta analysiert werden. Von
der Nordwestspitze Siziliens reichte eine nur noch in der Höhe aktive Okklusion
bis Tarent im Süden Italiens. Dort nahm die Luftmassengrenze Kaltfrontcharakter
an und führte weiter nach Südosten über die Ionischen Inseln bis zur libyschen
Mittelmeerküste im Osten des Landes. Weiterhin lag der Schwerpunkt der
Niederschläge über dem Westen Griechenlands und etwas abgeschwächt auch über
dem Süden Italiens. Vor allem kräftige Gewitter mit erheblichen Regenmengen
führten zu erneut sehr hohen Niederschlagswerten von 33 l/m² auf Korfu, 38 l/m²
auf Kefalonia und sogar 73 l/m² auf Zakynthos. Weitere Gewitter und kräftiger
Regen traten im Laufe des Tages weiter östlich über Griechenland auf, wobei
6-stündig 24 l/m² am Flughafen von Eleusis und 29 l/m² am Athener Flughafen
fielen.
Am
17.11. um 01 Uhr MEZ befand sich das Tief NUMA mit seinem Zentrum nahe Crotone
im Süden Italiens und wies einen tiefsten Luftdruck von knapp unter 1010 hPa
auf. Das vollständig okkludierte Frontensystem erstreckte sich spiralförmig um
den Tiefdruckkern und verlief über Süditalien, Griechenland bis nach Ostlibyen.
Die andauernden und teils gewittrigen sowie schauerartig verstärkten Niederschläge
unter Einfluss des Wirbels NUMA sorgten um das Ionische Meer für erneut sehr
hohe Regenmengen. In 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ wurden dabei 42 l/m² Gioia del
Colle bei Bari, 43 l/m² in Santa Maria di Leuca und 53 l/m² auf Kefalonia
registriert.
Bis
zum 18.11. verlagerte sich das Tief NUMA kaum und befand sich mit etwa 1010 hPa
über dem Ionischen Meer. Ein Frontensystem konnte dem Wirbel nicht mehr
zugeordnet werden. In Santa Maria di Leuca hielt der Regen weiter an und verlor
auch nicht an Intensität. Bis zum Abend summierte sich dort der Niederschlag
innerhalb von 24 Stunden auf extreme 110 l/m².
In
der Folge schwächte sich das Tiefdruckgebiet NUMA weiter ab und löste sich
schließlich auf. Daher konnte es am Folgetag nicht mehr auf der Berliner
Wetterkarte analysiert bzw. namentlich verzeichnet werden.
Geschrieben am 15.01.2018 von Sebastian Wölk
Berliner Wetterkarte: 13.11.2017
Pate: Dr. Numa-Wolfgang Jaeschke