Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet OCTAVIA

(getauft am 03.09.2016)

 

Anfang September 2016 dominierte in Mitteleuropa Hochdruckwetter. Die Antizyklonen HARALD und IAN sorgten nochmals für hochsommerliche Temperaturen von bis zu 30°C. Die klimatologisch häufig auftretende westliche Strömung konnte sich dort nicht etablieren – die meisten Tiefdruckgebiete wurden vom Atlantik heranziehend nach Norden in Richtung Island und Skandinavien abgedrängt. Am 02. und 03. September konnten die Zyklonen MAREN I, MAREN II, NETTI und der noch als Hurrikan eingestufte Wirbel GASTON über dem Nordatlantik analysiert werden. An der Polarfront, der Grenze von warmer und kalter Luft, konnte vor der Küste von Neufundland eine weitere Zyklogenese stattfinden. Diese Zyklone wurde am 03. September in der Analyse der Berliner Wetterkarte auf den Namen OCTAVIA getauft. Der Druck im Kern betrug ca. 1003 hPa, eine kurze Warmfront konnte südöstlich sowie eine Kaltfront südwestlich des Tiefdruckzentrums analysiert werden. Des Weiteren bildete sich im Tagesverlauf eine Okklusion aus. Die Kaltfront weist eine höhere Zuggeschwindigkeit als die Warmfront auf, welches zur Folge hat, dass im Lebenszyklus des Tiefs die Kaltfront die Warmfront einholt und sich unter diese schiebt. Dabei entsteht eine Mischfront, die als Okklusion bezeichnet wird.

Am 04. September um 01 Uhr MEZ befand sich die Zyklone OCTAVIA ca. 1500 km südlich von Grönland auf der geografischen Breite der Bretagne. Der Kern konnte sich deutlich vertiefen und erreichte Werte um 988 hPa. Das Frontensystem gestaltete sich nun etwas komplexer. Die vorlaufende Warmfront ging vor der Küste von Nordwestfrankreich in die Kaltfront von Tief NETTI über der Irischen See über. Die tags zuvor als Okklusion gekennzeichnete Front nahm immer mehr Kaltfrontcharakter an, sodass an diesem Tag zwei Kaltfronten verzeichnet wurden. Die erste Kaltfront erreichte dabei eine Länge von ca. 2000 km und reichte bis zum Tropischen Sturm HERMINE vor Neufundland. Der sich abschwächende ex-GASTON positionierte sich im Warmluftsektor von Tief OCTAVIA und wurde bis zum Tagesende aufgenommen. Der Warmluftsektor beschreibt den Bereich zwischen Warm- und Kaltfront in dem mit südwestlichen Winden wärmere Luft herangeführt wird.

Bis zum 05. September um 01 Uhr MEZ verlagerte sich die Zyklone OCTAVIA nach Nordosten und lag mit einem Druck von ca. 983 hPa ungefähr 700 km südlich von Island. Die Warmfront reichte dabei von Irland über Südwestengland, der Bretagne bis Ostfrankreich. Die nachfolgende Kaltfront befand sich knapp westlich von Irland. Auch eine 600 km lange Okklusion bildete sich aus, wobei sich der Okklusionspunkt über dem westlichen Irland befand. Dieser Punkt beschreibt die Vereinigung von Kalt- und Warmfront und ist gekennzeichnet durch länger anhaltende Niederschläge. Dies spiegelt sich auch in den 12-stündigen Niederschlagsmengen bis 01 Uhr MEZ wieder. Entlang der Warmfront fielen in Frankreich 0,1 bis 1 mm, wie beispielsweise 0,4 mm in Paris/Charles de Gaulle. Im Südwesten von England wurden bereits 2 bis 5 mm, im äußersten Südwesten in Culdrose bis 9 mm verzeichnet. Die höchsten Mengen wurden in Irland und Nordirland gemessen. Gebietsweise fielen 5 bis 15 mm, wie in Dublin mit 5,1 mm, in Claremorris mit 9,1 mm und in Belmullet mit 16,0 mm. Im Bereich des Warmluftsektors blieb es nachts im Regen mit 13 bis 17°C mild. Bis zum Abend des
05. Septembers verlagerte sich die Zyklone OCTAVIA nach Norden, wobei große Teile der Fronten okkludierten. Der Okklusionspunkt zog dabei über Südengland nach Belgien. Dementsprechend wurden dort die höchsten Niederschlagsmengen gemessen. Bis 01 Uhr MEZ fielen 24-stündig von Südengland über Belgien bis Nordostfrankreich 2 bis 6 mm Regen. Auch in Irland und Nordirland konnten bis 4 mm gemessen werden, da sich dort ein kleines Wellentief mit kurzer Kalt- und Warmfront ausbildete, welches mit den Ausläufern des Tiefs OCTAVIA verbunden war. Die Temperaturen erreichten Werte von 20 bis 23°C, im Bereich des schmalen Warmluftsektors in Wales und Südengland 23 bis 25°C. London vermeldete 23,0°C, Spitzenreiter war Hewarden mit 24,6°C. Allerdings blieb es unter dichten Wolken bedeckt. Eine Ausnahme bildete Irland und Nordirland, welche rückseitig der Okklusion 5 bis 7 Stunden Sonnenschein verzeichneten.

Am 06. September um 01 Uhr MEZ wurde die Zyklone OCTAVIA 200 km südlich von Island mit einem nochmals verringerten Druck von 979 hPa analysiert. Die bogenförmige und lange Okklusion reichte vom südlichen Island über die Nordsee bis zum Südosten Englands. Die kurze Warmfront erstreckte sich nach Süden bis zur Loire, die sehr kurze Kaltfront reichte nur bis London. Dahinter befand sich das Wellen- bzw. Randtief über Irland mit weiterhin eigener Kalt- und Warmfront. Im Bereich der Fronten dieses Randtiefs fielen im Westen von England und in Wales 0,1 bis 3 mm, im Westen Irlands 5 bis 7 mm. Entlang der Warmfront blieben größere Niederschläge aus, nur vereinzelt fielen 0,1 bis 0,4 mm in Belgien und Frankreich. Die Hauptniederschlagsaktivität konzentrierte sich auf Norwegen. Dort zog im Verlauf die Okklusion von Tief OCTAVIA sowie die neu entstandene Okklusion des Randtiefs in kurzem Abstand herüber. Bis 19 Uhr MEZ fielen 12-stündig an der Westküste Norwegens sowie im mittleren Norwegen und Nordschweden verbreitet 3 bis 8 mm und maximal 17 mm. Mit der Vertiefung des Kerns stellte sich ein starker Luftdruckgradient ein, dadurch kam es zu starken Windböen. In Schottland wurden 50 bis 75 km/h, in den Highlands in Schottland sowie auf den Färöer-Inseln orkanartige Böen von 95 bis 106 km/h gemessen. In Norwegen konnten sogar Orkanböen bis ins Flachland erreicht werden. Ona Li registrierte 122 km/h und Krakenes 130 km/h. Auf den 1894 m hohen Juwasshoe stellte sich extremer Sturm mit Böen bis 191 km/h ein. Im Einflussbereich des Tiefs OCTAVIA wurden Maximaltemperaturen von 18 bis 23°C erreicht. Einzig im Südosten konnte im Bereich des schmalen Warmluftsektors des Randtiefs 24 bis 27°C verzeichnet werden. So registrierte Aberdeen mit 25,9°C und Sheffield mit 27°C einen Sommertag, wofür die Höchsttemperatur mindestens 25°C betragen muss. Sehr ungewöhnlich waren die Tiefstwerte in Großbritannien. Tiefstwerte zwischen 15 bis 19°C konnten gemessen werden, in London wurde mit 21°C eine tropische Nacht verzeichnet. Dabei wurden zahlreiche Rekorde für die wärmsten Tiefstwerte für Anfang September in England aufgestellt. Deutlich anders gestalteten sich die Temperaturen in Nordschweden. Bevor die Warmfront aufzog, konnte sich unter Hochdruckeinfluss die Luft stark auskühlen. Am Morgen wurden Werte von 0 bis -6°C gemessen. Tagsüber wurden im Warmfrontregen maximal 7 bis 12°C, in Norwegen 13 bis 17°C gemessen.

Am 07. September um 01 Uhr MEZ befand sich das Tief OCTAVIA über dem Europäischen Nordmeer mit einem Druck von ca. 993 hPa. Der Okklusionspunkt lag über der schwedisch-finnischen Grenze, dabei reichte die Warmfront von dort bis Moskau. Die Kaltfront erstreckte sich über Südnorwegen und Südfinnland bis in den Osten Schottlands. Vorläufig konnte eine schwache Warmfront analysiert werden, welche von Südschweden über Dänemark bis Paris reichte. Die Zyklone OCTAVIA positionierte sich im Laufe des Tages über dem Westen von Russland und okkludierte dabei bis auf eine ca. 250 km kurze Warmfront komplett. Entlang der Fronten blieb die Wetteraktivität abgesehen von Wolkenfeldern gering. Einzig die Okklusion brachte in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ nördlich einer Linie Mittelnorwegen - Sankt Petersburg 2 bis 10 mm, um den Okklusionspunkt 10 bis 17 mm. Die Tiefstwerte erreichten im Bereich des Warmluftsektors in Südschweden und Südfinnland 18 bis 14°C. So vermeldete Göteborg 18°C, Stockholm 17°C und Helsinki 16°C. Am Tag konnten in diesem Gebiet 18 bis 24°C gemessen werden, im Regen weiter nördlich kühlere 12 bis 18°C. Dort wurden auch Windböen von 50 bis 75 km/h, an der norwegischen Westküste erneut 90 bis 119 km/h erreicht.

Am 08. September um 01 Uhr MEZ wurde die Zyklone OCTAVIA über dem Nordwesten Russlands mit einem leicht erhöhten von Druck von ca. 998 hPa analysiert. Das Frontensystem nahm die Form eines typischen Tiefdruckgebietes an. Gefolgt von einer 200 km langen Okklusion befand sich südöstlich des Kerns eine ebenso lange Warmfront über Westrussland, gefolgt von einer bogenförmigen Kaltfront, die bis Südschweden reichte. Erneut spielte sich die Niederschlagsaktivität in der Nähe des Okklusionspunktes ab. Im Westrussland fielen 12-stündig 0,1 bis maximal 6 mm. In der eingeflossenen Kaltluft hinter der Kaltfront lagen die Tiefstwerte 5 bis 8 Grad unter denen der Vornacht. Gebietsweise wurden einstellige Tiefstwerte, in Nordschweden sogar nur 5 bis 2°C gemessen. Tagsüber erwärmte sich die Luft mit Unterstützung der Sonne auf 13 bis 18°C.

Am Folgetag befand sich das Tief OCTAVIA knapp westlich des Uralgebirges mit einem Druck von ca. 993 hPa. Dabei bestand das Tief OCTAVIA nur noch aus einer bogenförmigen Kaltfront, welche bis Weißrussland reichte. In einer starken Nordströmung wurden auf der Halbinsel Kola nur 7 bis 9°C und im Westen Russlands 10 bis 14°C gemessen. Anschließend fand eine weitere Ostverlagerung statt, sodass das Tief OCTAVIA am 10. September nicht mehr von der Berliner Wetterkarte erfasst wurde.

 


Geschrieben am 16.10.2016 von Dennis Schneider

Berliner Wetterkarte: 06.09.2016

Pate: Octavia Schoplick